M. Fior: Les banques suisses, le franc et l’Allemagne

Cover
Titel
Les banques suisses, le franc et l’Allemagne. Contribution à une histoire de la place financière suisse (1924–1945)


Autor(en)
Fior, Michel
Erschienen
Genève 2002: Librairie Droz S.A.
Anzahl Seiten
331 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Patrick Halbeisen

Das Buch von Michel Fior ist eine Synthese seiner Arbeiten der letzten fünf Jahre. In dieser Zeit hat er sich im Rahmen seiner Lizentiatsarbeit mit den Goldgeschäften der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im Zweiten Weltkrieg beschäftigt, war Mitarbeiter der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schweizerischen Bankvereins (SBV) resp. der UBS und Assistent an der Universität Neuenburg. Wie Fior selber schreibt, ist dieser Hintergrund nicht ganz unwichtig; die Themenwahl ist offensichtlich von diesen Erfahrungen geprägt.

Die Studie ist sehr breit angelegt. Behandelt werden die Auslandfinanzierung Deutschlands von der Stabilisierung der Mark bis zu den Stillhalteabkommen, die Währungspolitik der SNB, die Goldgeschäfte der Schweizer Banken im Zweiten Weltkrieg sowie das Auslandgeschäft des SBV von 1924 bis 1945. Damit werden sehr unterschiedliche Fragestellungen angesprochen. Dies macht es zuweilen schwierig, den roten Faden zu erkennen, insbesondere weil sich Fior zum Teil in Details und Nebenschauplätze verliert. Interessant und anregend ist der Teil über den SBV, den Fior anhand bisher noch nicht ausgewerteter Quellen behandelt.

Angesichts der Themenvielfalt wäre es besonders wichtig, in der Einleitung Fragestellung und Erkenntnis leitendes Interesse deutlich zu machen. Leider gelingt dies nicht recht; stattdessen weckt Fior Erwartungen, die er nur teilweise erfüllen kann. Dies wird am Beispiel der Ausführungen zum Finanzplatz besonders deutlich. Es werden zwar einige – allerdings recht umständliche und für den empirischen Teil wenig fruchtbare – Überlegungen zur Messung, zur Funktion und zu den Mechanismen des Finanzplatzes angestellt. Hier wie auch im empirischen Teil des Buches wird aber offensichtlich, dass es Fior nicht um den Finanzplatz, sondern in erster Linie um das internationale Geschäft der (Gross-)Banken geht. Zahlungsverkehr, Geld-, Kredit- und Kapitalmarkt in der Schweiz sind dagegen nur am Rande ein Thema. Ähnlich verhält es sich mit den Ausführungen zu den Banken: Die Aussagen zur Politik der Banken stützen sich, sofern es sich nicht um die Interpretation von Statistiken handelt, fast ausschliesslich auf den SBV.

Im Kapitel über die Auslandfinanzierung Deutschlands beleuchtet Fior die Rolle der Schweizer Banken, die ihre Aktiven angesichts der hohen Zinsen gerne in Deutschland anlegten. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre floss aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Stabilität ausländisches Kapital vor allem aus Frankreich in die Schweiz, für welches das Inland nicht genügend attraktive Anlagemöglichkeiten bot. Die Konkurrenz unter den Schweizer Banken förderte das Auslandgeschäft zusätzlich. So war die Schweiz Ende 1930 nach den USA, den Niederlanden und Grossbritannien die viertgrösste Gläubigerin Deutschlands. Fior betont, dass die Schweizer Banken die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands unterschätzten und bis kurz vor der Einführung des Bankenmoratoriums und der Devisenbewirtschaftung in Deutschland die Situation allzu blauäugig beurteilten. Immerhin gab es bei den einzelnen Banken Unterschiede. So scheint die SKA vorsichtiger als beispielsweise der SBV gewesen zu sein. Am risikofreudigsten waren die Basler Handelsbank und die Eidgenössische Bank, die ihre Eigenständigkeit 1945 als Spätfolge ihres Deutschlandengagements aufgeben mussten.

Die Ausführungen zur Geld- und Währungspolitik enthalten einen didaktisch-theoretischen Teil, in welchem Fior im Detail auf die Mechanismen des Goldstandards und verschiedene Vorstellungen zu Funktion und Wesen des Geldes eingeht. Fior versteht die Geld- und Währungspolitik als ein sozio-politisches, von Interessen geleitetes Konstrukt. Die Kritik an der Notenbankpolitik, welche sich in der Zwischenkriegszeit nicht habe in den Dienst der Konjunkturpolitik stellen wollen, ist allerdings reichlich ahistorisch. Die Vorstellung, Geldpolitik könne als wirtschaftspolitisches Instrument eingesetzt werden, war weder in der theoretischen Literatur der zwanziger und dreissiger Jahre verbreitet, geschweige denn in der Praxis der Notenbanken. Hier hat die neueste Forschung für die Schweiz gezeigt, dass gerade in den dreissiger Jahren die Interessenlage nicht so klar war. Die Banken, die lange als Nutzniesser und eigentliche Promotoren der Währungspolitik in den dreissiger Jahren angesehen wurden – eine These, die auch Fior vertritt – litten beispielsweise unter den Währungsspekulationen, die ihre Liquidität in Mitleidenschaft zogen, und förderten die Spekulation gegen den Franken, indem sie für sich und das Publikum Gold gegen Franken kauften.

Im Kapitel über die Goldgeschäfte der Schweizer Banken im Zweiten Weltkrieg gelingt es Fior, die Herkunft des von der Deutschen Reichsbank an die Geschäftsbanken gelieferten Goldes zu klären, indem er das, zwar von der Deutschen Reichsbank gelieferte, aber aus russischer Provenienz stammende Gold beziffert. Wie hoch dabei der Anteil von Raubgold war, lässt sich nur in Bezug auf das aus Holland stammende Gold sagen. Fior geht davon aus, dass der SBV für 8,2 Millionen Franken holländisches Raubgold erwarb, wobei aus den Quellen nicht hervorgehe, dass die Bank etwas über die Herkunft des Goldes wusste. Fior diskutiert schliesslich die kontroverse Frage, ob die SNB von Deutschland Gold in der Absicht übernahm, Deutschland von einem Angriff auf die Schweiz abzuhalten. Für Fior steht dies ausser Zweifel. Er stellt zwar die Gutgläubigkeit der SNB in der Frage der Herkunft des von der Reichsbank gelieferten Goldes in Frage, gibt sich jedoch überzeugt, dass die Nationalbank aufgrund des deutschen Drucks die Goldgeschäfte nicht ablehnen konnte.

Das gewichtigste Kapitel ist der Entwicklung des SBV gewidmet. Auch hier geht es in erster Linie um das internationale Geschäft. Dieses hatte beim SBV ein grosses Gewicht: Sowohl bei den Passiven als auch bei den Aktiven betrug der Auslandanteil in den dreissiger Jahren mehr als 50%. Der SBV fungierte als Drehscheibe für ausländisches Kapital. Nach der finanziellen Stabilisierung Deutschlands (Ende der Hyperinflation, Dawes-Plan) bis 1931 war das ausländische Aktivgeschäft beim SBV wie auch bei den anderen Grossbanken auf Deutschland ausgerichtet. Erst nach der Finanzkrise Deutschlands wurde dieses kontinuierlich abgebaut, wobei der SBV im Vergleich zu seinen Konkurrenten seine Engagements in Deutschland langsam abbaute; er wollte seine guten Beziehungen zu Deutschland nicht gefährden. Fior betont, dass der SBV die Situation in Deutschland viel zu optimistisch beurteilte. Während die Banken in den 1920er Jahren versuchten, das individuelle Kreditrisiko zu begrenzen, fehlte das Bewusstsein für die Länderrisiken. Es ist bezeichnend, dass eine Aufstellung der Engagements nach Ländern beim SBV erstmals auf den 30. September 1930 vorgenommen wurde. Bei der Frage des Risikomanagements darf allerdings nicht vergessen werden, dass nicht nur Schweizer Banken das Risiko unterschätzten und dass die Deutschlandgeschäfte äusserst lukrativ waren. Der Abbau der Deutschlandengagements und die zunehmenden politischen Risiken führten ab der Mitte der dreissiger Jahre zu einer massiven Umschichtung der Aktiven von Europa auf den neuen Kontinent. 1934 waren nur 2% der Aktiven des SBV in den USA angelegt, 1938 war es bereits ein Viertel und ab 1940 die Hälfte. Der Wunsch der Kunden des SBV, ihre Gelder in den USA in Sicherheit zu bringen, zwang diesen, in den USA eine Agentur zu eröffnen. Dabei geriet der SBV in Konflikt mit den amerikanischen Behörden, weil diese hinter den Massnahmen, das Bankgeheimnis auch in den USA zu wahren, Tarnungen zu Gunsten Deutschlands vermuteten. Der zunehmende Bilateralismus in den dreissiger Jahren und der Krieg führten zu einer verstärkten Übernahme wirtschaftlicher Aktivitäten durch den Staat, was die Geschäftsmöglichkeiten der Banken einschränkte. Diese bestand nun zur Hauptsache in der Finanzierung der Kriegswirtschaft. Entsprechend gingen die ausgewiesenen Gewinne zurück; immerhin konnte der SBV seine stillen Reserven während des Krieges um ca. 10 Millionen Franken erhöhen. Obwohl der SBV seine Engagements in Deutschland ab Mitte der dreissiger Jahre verstärkt abbaute, tätigte er auch noch während des Krieges neue Geschäfte. Neben Gold-, Devisen- und Akkreditivgeschäften gewährte er Kredite, hatte Beteiligungen an deutschen Unternehmungen und führte Tarnoperationen zugunsten deutscher Firmen durch, die sich z.T. als kompromittierend erwiesen. Gemäss Fior waren die Geschäfte mit Nazi-Deutschland finanziell eher unbedeutend und entsprangen dem Motiv, die Verluste in Deutschland zu begrenzen und die Beziehungen im Hinblick auf das Kriegsende weiterzupflegen. Fior stellt fest, dass der SBV seine Geschäfte unter strikt betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieb und die humanitären und politischen Implikationen nicht berücksichtigte. Dies erscheint umso gravierender, wenn man bedenkt, dass es sich offenbar nicht um bedeutende Summen handelte und ab Ende 1942 die Niederlage Deutschlands absehbar war.

Bei der Beurteilung der Entwicklung der Grossbanken kommt Fior zum Schluss, dass diese die Trümpfe des Finanzplatzes wie politische Stabilität, Neutralität, Bankgeheimnis und liberale Gesetzgebung zu wenig gut ausspielen konnten. Gemessen an der Bilanzsumme waren die Fortschritte der Banken zwischen dem Ende des Ersten und des Zweiten Weltkriegs tatsächlich bescheiden. Für Fior waren in erster Linie die Deutschlandgeschäfte dafür verantwortlich, deren Risiken massiv unterschätzt worden seien. Wenn man jedoch in Rechnung stellt, dass die Banken in der Untersuchungsperiode eine Weltwirtschaftskrise und einen Weltkrieg zu bewältigen hatten, drängt sich ein anderer Schluss auf. In der Schweiz war die Bankenkrise wie auch die allgemeine Wirtschaftskrise im Vergleich mit anderen Ländern mild (es mussten z.B. nie Bankfeiertage verhängt werden), das 1934 geschaffene Bankengesetz schränkte die Privatautonomie der Banken kaum ein und die Grossbanken konnten ihre Geschäftsbeziehungen auch während des Krieges weiter pflegen und mit der Gründung von Filialen in den USA sogar noch ausbauen. In dieser Perspektive waren die dreissiger und vierziger Jahre zwar eine schwierige Periode für die Schweizer Banken, diese konnten sich aber ihre spezifischen Vorteile, zu denen auch eine starke konvertible Währung zählte, erhalten. Damit waren sie in der Nachkriegszeit gut positioniert, um vom wirtschaftlichen Aufschwung und der Liberalisierung der Finanzmärkte profitieren zu können.

Fior hat ein anregendes Buch über die Entwicklung des SBV zwischen 1924 bis 1945 geschrieben, schade dass er sich nicht auf diese Thematik beschränkt hat.

Zitierweise:
Patrick Halbeisen: Rezension zu: Michel Fior: Les banques suisses, le franc et l’Allemagne. Contribution à une histoire de la place financière suisse (1924–1945). Genève/Paris, Librairie Droz, 2002. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 2, 2004, S. 225-228.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 2, 2004, S. 225-228.

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