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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2007

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Entangled History: nationale und europäische Geschichte in globaler Perspektive
Thematischer Schwerpunkt 2008
Publikumspreis

Mittelalterliche Geschichte

Essay von Wolfgang Eric Wagner für H-Soz-Kult

1. Rang (57 Punkte, 9 Voten)

Müller, Harald: Habit und Habitus. Mönche und Humanisten im Dialog. Tübingen: Mohr Siebeck 2006.

Am Ende nimmt der Verfasser noch einmal die Frage nach dem Klosterhumanismus auf und gelangt nun zu einer grundsätzlich neuen Einschätzung dieses Phänomens: Er bezieht den Renaissance-Humanismus auf Humanisten als eine "aktive Gruppe", die "durch inhaltliche und (sprach-)ästhetische Konvergenzen einen eigenen Habitus" ausbildete. [...] Mit diesen differenzierten Ergebnissen hat Harald Müller wichtige Impulse für die künftige Erforschung des Humanismus gesetzt. Denn die Forschung droht in eine Sackgasse zu geraten, solange dieser als reine Bildungsbewegung verstanden wird, deren inhaltliche Merkmale nur mit "weichen" Faktoren zu fassen sind. [...] Es ist zu wünschen, dass die Anregungen dieses wichtigen Buches, dessen Lektüre aufgrund seiner eleganten Anlage, der nobel zurückhaltend, aber dennoch programmatisch formulierten methodischen Überlegungen und seiner sprachlichen Prägnanz intellektuellen Genuss bereitet, in der internationalen Humanismusforschung auf fruchtbaren Boden fallen. Birgit Studt für H-Soz-Kult


2. Rang (34 Punkte, 10 Voten)

Weinfurter, Stefan: Canossa. Die Entzauberung der Welt. München: C.H. Beck Verlag 2006.

Weinfurters Anliegen richtet sich also unverkennbar weniger auf die politische Geschichte, sondern auf den gesellschaftlichen Wandel der Zeit des Investiturstreits und auf die dahinter stehenden Ideen. [...] Die knapp und präzise gehaltenen Anmerkungen sowie das ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnis bieten für den Fachwissenschaftler hinreichend Anknüpfungspunkte, um die zahlreichen wichtigen und in zentrale Probleme der hochmittelalterlichen Geschichte führenden Gedanken Weinfurters weiterzuverfolgen. Darüber hinaus wird das Buch wegen seiner Darstellungskunst, seiner ausgesprochen klaren Sprache und Gedankenführung zweifelsohne auch ein breiteres Publikum erreichen. Bernd Schütte für H-Soz-Kult

Im Grunde meint die Chiffre »Canossa« einen Umbruchprozess, einen Jahrhundertschritt auf dem Weg zu einer Rationalisierung von Herrschaft, zu einer Entzauberung der Welt im Sinne Max Webers. All das skizziert Weinfurter mit sicherem Strich; er entwirft eine Einheit der Welt, die vor und nach Canossa zerbrach. Erneut beweist der Autor, dass er die seltene Gabe besitzt, mit seinen Büchern Fachwissenschaft und breite Leserkreise gleichermaßen bereichernd zu erreichen.
Olaf B. Rader (Die Zeit 20.07.2006)
http://www.zeit.de/2006/30/P-Canossa


3. Rang (27 Punkte, 5 Voten)

Borgolte, Michael: Christen, Juden, Muselmanen: Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes 300 bis 1400 n. Chr.[Siedler-Geschichte Europas, Bd. 2]. München: Siedler Verlag 2006.

Die ,Siedler Geschichte Europas‘ will die europäische Geschichte anhand übergreifender Leitfragen behandeln. Michael Borgolte hat diesen Anspruch in seinem Band zum europäischen Mittelalter konsequent umgesetzt. Das Buch ist deshalb kein Handbuch der Geschichte Europas im klassischen Sinne, sondern eher ein großer, elegant formulierter Essay, geleitet von jener Idee, die auch dem DFG-Schwerpunktprogramm 1173 ("Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter") zugrunde liegt: Borgolte zufolge zeichnete sich die Geschichte Europas im Mittelalter dadurch aus, dass drei monotheistische Religionen in Konkurrenz zueinander standen, von denen die eine – das Christentum – sich sogar noch in zwei Observanzen aufspaltete. Steffen Patzold für H-Soz-Kult

Das Verdienst der voluminösen Monographie Borgoltes liegt in dem Bemühen, gegenüber dem allzu simplen Bild eines monolithisch christlichen Mittelalters die Vielfalt dieses Zeitalters zur Geltung zu bringen, das vom Nebeneinander der Kulturen, ihrer gegenseitigen Anziehung, Abstoßung und Durchdringung geprägt war. In der Dialektik von Integration und Desintegration sieht Borgolte die auf die Gegenwart vorausweisende Eigenart des Mittelalters. Das Zeitalter Karls IV. (?1378) schließt er ab mit der Bemerkung, dass dessen keineswegs auf einen Nationalstaat angelegtes, sondern viele Kulturen integrierendes Reich die Konstellationen und Anforderungen vorwegnehme, denen sich auch die Gestalter des noch viel größeren Europa von heute stellen müssen.
Claudia Märtl (SZ 06.06.2006)

Borgolte [...] ist seit langem erpicht, das Mittelalter im gesamteuropäischen Rahmen zu überschauen. Daß ihn besonders die Kirchen- und Religionsgeschichte interessiert, zeigt sich darin, daß er ihr diesmal über die Hälfte seines neuen Buches widmet. Borgolte reiht sich ein in die imponierende Initiative des dynamischen Verlegers Wolf Jobst Siedler sen., Vergangenheit für einen breiteren Kreis von Gebildeten verstehbar zu machen. [...] Borgoltes Band geht es um die Grundlegung des modernen Europas, wobei er die lange Strecke von 300 bis 1400 verfolgt, ohne die Wahl des Endpunktes zu begründen. Weniger als die früher erschienenen beiden Bände der Mittelalterreihe wird hier die Gesamtdarstellung eines Zeitraums angestrebt. Das eigentliche Ziel ist ein Schneisenschlag mit ganz bestimmter, origineller Ausrichtung.
Gottfried Schramm (FAZ 28.08.2006)
http://www.buecher.de/w1100485faz3886804399


3. Rang (27 Punkte, 4 Voten)

Kéry, Lotte: Gottesfurcht und irdische Strafe. Der Beitrag des mittelalterlichen Kirchenrechts zur Entstehung des öffentlichen Strafrechts. Köln [u.a.]: Böhlau Verlag 2006.

Die vorliegende Untersuchung von Lotte Kéry, die 2003 als Habilitationsschrift angenommen worden ist, trägt sowohl der Komplexität des Themas als auch den umrissenen methodischen Problemen in hohem Maße Rechnung. Kéry wählt einen historisch-generischen Ansatz, der es [...] erlaubt, das breite Spektrum strafrechtlicher Argumentationen auf der Grundlage klassischer kanonistischer Texte exemplarisch zu analysieren. Fast gleichberechtigt werden die maßgeblichen zeitgenössischen Glossen und Traktate zu diesen Hauptwerken berücksichtigt. Kéry geht den Argumentationen der Rechtsgelehrten mit intimer Quellenkenntnis und faszinierender Intensität nach und präsentiert dem Leser in präzise gesetzten und verständlichen Worten eine Vielzahl von differenzierten Einzelergebnissen, die hier nicht rekapituliert werden können. Christina Deutsch für H-Soz-Kult


5. Rang (22 Punkte, 5 Voten)

Schmitt, Jean-Claude: Die Bekehrung Hermanns des Juden. Autobiographie, Geschichte und Fiktion. Stuttgart: Reclam 2006.

Der Titel des Buches führt in die Irre. Denn nicht um die Bekehrung Herrmanns des Juden geht es in Jean Claude Schmitts Buch, sondern um Produktionsbedingungen und Funktion eines Textes. Dieser Text stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, ist auf Latein verfasst und berichtet in der Form einer Autobiografie von der Bekehrung eines Juden namens Juda, der nach seiner Taufe den Namen Herrmann annimmt und in das Prämonstratenserstift Cappenberg eintritt.
Benjamin Scheller (sehepunkte 2007, Nr. 1)
http://www.sehepunkte.de/2007/01/10800.html

Ohne sich zum Verfechter des ‚linguistic turn’ zu machen, entwickelt er [Schmitt] aus dieser Kritik heraus einen Zugang zum ‚Opusculum’, der fruchtbar und wegweisend scheint. Zunächst löst er den Gegensatz zwischen Wahrheit und Fiktion auf und schlägt einen dritten Weg vor, der die Geschichtsschreibung konsequent in ihrem historischen Kontext sieht und ihr in ihrer Eigenschaft als "Literatur" ein gewisses Maß an Konstruktion und Komposition zuschreibt. Sie ist demnach weder ein Abbild der Wirklichkeit noch ein Roman oder eine vergleichbare Fiktion. Diese Positionierung erlaubt ihm einen frischen Blick auf den Bekehrungsbericht, den er konsequent in seinem originären Quellenwert für die übergeordneten Fragestellungen zur mittelalterlichen Autobiographie, der Traumkultur von Juden und Christen, der Bekehrung/Konversion sowie der Spiritualität der neuen Orden im 12. Jahrhundert nutzt und ihn dabei gleichzeitig vor diesem breiten Hintergrund einordnet und entsprechend bewertet.
Holger Th. Gräf (WLA, 26.09.2006)
http://www.buch-magazine.de/wla/artikel-detail.php?arti...