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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2003

Alte Geschichte
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Außereuropäische Geschichte
Offene Kategorie
Religion und Gesellschaft
World history
Thematischer Schwerpunkt 2005
Publikumspreis

Mittelalterliche Geschichte

1. Rang (33 Punkte, 8 Voten)

Kintzinger, Martin: Wissen wird Macht. Bildung im Mittelalter. Ostfildern 2003.

Ein sehr gelungenes Beispiel dafür, wie man wissenschaftliche Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit nahebringen kann. Christine Reinle

Mein persönlicher Favorit unter den historischen Büchern des Jahres 2003 ist der Band von Martin Kintzinger. [..] Die Nachrede trägt den Titel: "Bildung, Wissen und Macht in der Wissensgesellschaft". Wie ohnmächtig die Wissensgesellschaft mitunter gegenüber der Macht ist, zeigt der Umgang mit der Münchener Professur für Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, die Martin Kintzinger zuletzt innehatte. Sie wird mutmaßlich dem Sparwillen der bayerischen Landesregierung zum Opfer fallen. Claudia Zey

Auch heute ist der Wissende von unschätzbarer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Die Wissensgesellschaft begreift Martin Kintzinger dabei als eine Gesellschaft, die Bildung zur Grundlage ihres eigenen Fortbestandes macht und ein Geschichtsbewusstsein hat. Wissen und Macht stehen dabei untrennbar zusammen. Sehr gefährlich ist es, wenn Macht und Unwissenheit sich paaren. Kintzinger versteht es, diesen historischen Prozess der Instrumentalisierung von Wissen anschaulich zu skizzieren. Allerdings, die Vielzahl an Anekdoten erhöht zwar das Lesevergnügen, lässt den Leser jedoch aufgrund des Essay-Charakters manchmal den roten Faden der Argumentation aus dem Blick verlieren. Stephanie Irrgang für H-Soz-Kult


 

2. Rang (26 Punkte, 4 Voten)

Lilie, Ralph-Johannes: Byzanz. Das zweite Rom. Berlin 2003.

Wenn Preußen in Wahrheit eine Armee war, die sich einen Staat hielt, dann war Byzanz eine Stadt, die sich ein Reich leistete.
Ralph-Johannes Lilie hat eine Geschichte dieses Reiches geschrieben. Sein Buch ist nicht weniger als ein Epochenwerk; es ist der erste maßgebliche Versuch eines deutschen Historikers, nach Georg Ostrogorskys noch aus den vierziger Jahren stammender "Geschichte des byzantinischen Staates" eine Gesamtdarstellung zu Byzanz vorzulegen. Dieser Versuch, es sei vorweg gesagt, ist gelungen, auch wenn im einzelnen Abstriche zu machen sind. Aber daß überhaupt in unseren Bibliotheken neben den pseudowissenschaftlichen Ergüssen eines John Julius Norwich und den mal mehr, mal weniger brauchbaren Studien französischer und amerikanischer Provenienz nun eine lesbare deutsche Geschichte Ostroms steht, ist eine Leistung, die man nicht hoch genug einschätzen kann.
Andreas Kilb in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.03.2003, Nr. 65 / Seite L19

Mit dem anzuzeigenden Buch hat der Berliner Byzantinist Ralph-Johannes Lilie bereits seine dritte Gesamtdarstellung der byzantinischen Geschichte vorgelegt, die erneut ausdrücklich für einen breiteren Leserkreis bestimmt ist. Wiederum geht es ihm nicht um eine ausgreifende Analyse überzeitlicher Strukturen, die das "Phänomen Byzanz" und die Mentalität seiner Bewohner bestimmt hätten, sondern um eine an der Ereignisgeschichte orientierte Darstellung mit gleichwohl spezifischem Fokus: War dies in Lilies Studienbuch die Institution des Kaisertums, so liegt der Schwerpunkt nun auf den Beziehungen zwischen byzantinischem Osten und lateinischem Abendland, ausgehend von der Konzeption des Siedler-Verlags, die Querverbindungen zwischen deutscher und byzantinischer Geschichte zu untersuchen. Sebastian Kolditz für H-Soz-Kult


 

3. Rang (24 Punkte, 7 Voten)

Althoff, Gerd: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter. Darmstadt 2003.

"Ritualen wohnte Macht inne", lautet das abschließende Urteil Althoffs, "denn sie forderten von den Menschen ein bestimmtes Verhalten, wenn diese an Aktivitäten ihrer Gruppe oder ihres Verbandes teilnehmen wollten". Hiermit wird die spezifische Leistung des Kommunikationsverfahrens "Ritual" angesprochen. Es "zwang die Teilnehmer zur Kommunikation mit den anderen und zu einer Reihe von 'Aussagen', die ihr Verhältnis zu den anderen offen legten" - und dadurch Verbindlichkeit erzeugten. Eben dies ist die "Macht der Rituale". Stefan Thäle für H-Soz-Kult

Schon seit einem Jahrzehnt treibt ihn [Althoff] immer wieder die Frage um: "Wie funktioniert Herrschaft ohne schriftlich fixierte Normen?" (so der Untertitel des Aufsatzes "Ungeschriebene Gesetze" in der oben angesprochenen Aufsatzsammlung von 1997). Auf diese für die Verfassungsgeschichte so wichtige, aber bislang kaum gestellte Frage gibt Althoff nun überzeugende Antworten. http://www.sehepunkte.historicum.net/2003/12/4072.html


 

4. Rang (22 Punkte, 5 Voten)

Mitterauer, Michael: Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs. München 2003.

Wer immer den Titel dieses Buches ersonnen hat, dem ist ein Treffer geglückt. Europa, die Sonderwegdebatte und sogar das Mittelalter als (Umfragen zufolge) populärste Geschichtsepoche überhaupt: All das, so verheißt C.H. Beck, findet man in dem neuen Buch des soeben emeritierten Wiener Sozialhistorikers Michael Mitterauer. Dies sei mit allem Respekt gesagt, denn „Warum Europa?“ ist gewiss unter den wichtigsten Fragen, die zu beantworten in die Kompetenz von Historikern fällt. Und Berufshistoriker, die wichtige Fragen stellen, sind nicht eben zahlreich in einer Zeit besorgter Verschanzung in den Forts des Spezialistentums, wartend auf die Barbaren. Jan Rüdiger für H-Soz-Kult

Welcher Historiker hätte schon Europas grandiosen Aufstieg und seine technischen Revolutionen an "Roggen und Hafer", die Grundnahrungsmittel für Mensch und Pferd seit dem früheren Mittelalter, rückgekoppelt? Welcher Chinas seit derselben Epoche einsetzende Rückschrittlichkeit an seinen so erfolgreichen Reisanbau? Reis statt Roggen bedeutete eine kulturelle Weichenstellung, deren Folgen heute weltweit und auf vielen Ebenen, nicht zuletzt in der Politik, zu greifen sind. Mitterauer lehrt selbst den erfahrenen Historiker sehen. "Warum Europa?" wird auf diese Weise ein Buch, das weit über Europa hinaus Grundprobleme der Globalisierung erörtert; und manch ein Politiker von heute wäre klug beraten, dieses Buch zur Hand zu nehmen und es gründlich zu studieren.
Johannes Fried in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.06.2003, Nr. 148 / Seite 39


 

5. Rang (19 Punkte, 5 Voten)

Groebner, Valentin: Ungestalten. Die visuelle Kultur der Gewalt im Mittelalter. München, Wien 2003.

Die Lektüre des Buches bereitet, paradoxerweise, Vergnügen. Wenn man nicht immer den Faden erkennt, der von den realen und ikonischen Fakten, die in den verschiedenen Kapiteln ausgebreitet werden, zu einer „visuellen Kultur“ führt, dann liegt das wohl an einer Geschichtsschreibung, „die gerade dabei ist, sich als Kulturwissenschaft neu zu erfinden“, und das heißt offenbar: zu wissen, dass geschichtliche Phänomene vielschichtig sind und von vielen Seiten besichtigt sein wollen. http://www.zeit.de/2003/40/SM-Groebner

Groebners Vorschlag einer Reform der Kulturwissenschaften läuft nicht darauf hinaus, sie sollten uns zeigen, daß es den Terror früher "auch schon" gab. Vielmehr sollen sie das Wechselspiel von Bildern und Realität, von Vergangenheit und Gegenwart unter wechselnden historischen Konstellationen als variabel und kontingent analysieren. Die Darstellungen der älteren Kunst bilden nicht einfach ab, sondern erzeugen Realität. Das Vergangene verändert sich mit den laufenden Ereignissen. Auf diese "Dialektik" weist Groebners Essay den Betrachter mittelalterlicher Bilder auf informative Weise hin.
Kurt Flasch in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.12.2003, Nr. 280 / Seite L12