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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2009

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Geschichte der Frühen Neuzeit

Essay von Stefan Gorißen für H-Soz-Kult

1. Rang

Stollberg-Rilinger, Barbara: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches. München 2008.

"Des Kaisers alte Kleider" ist zweifelsohne eine der wichtigsten Neuerscheinungen zur Geschichte des Alten Reiches in den letzten Jahren. Barbara Stollberg-Rilinger positioniert sich hier nicht zum ersten Mal auf einem der vornehmsten Arbeitsfelder der deutschen Frühneuzeitforschung seit dem Zweiten Weltkrieg. Wesentlich akzentuierter und zugleich umfassender, als es ihr in ihrer kleinen Überblicksdarstellung bzw. diversen Aufsätzen möglich war, kann sie das in diesem monographischen Rahmen tun. Ohne die Ergebnisse der 'neuen' Reichsverfassungsgeschichte gering zu schätzen, die vielmehr selbstverständlich Eingang in ihre Darstellung gefunden haben, wendet sie sich dabei entschieden gegen Tendenzen zu einer Glorifizierung des Alten Reiches in gegenwartslegitimierender Absicht.
Matthias Schnettger (sehepunkte)
http://www.sehepunkte.de/2008/12/14617.html

Das Buch der Münsteraner Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger hat einen erstaunlich lockeren Titel, der es aber nicht hindern wird, schnell zu einem Standardwerk der modernen Verfassungsgeschichte zu werden […] Stollberg-Rilinger bietet der Verfassungsgeschichte nicht nur Perspektiven, sondern hat die Arena für weitere Kontroversen geöffnet.
Miloš Vec (FAZ vom 12.12.2008, Nr. 291 / Seite 37)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html

Dem Wort verpflichtet, übersahen die modernen „Schriftgelehrten”, dass Zeichen und Substanz, Form und Sache in der alten Welt voneinander nicht zu trennen waren. Als Rationalisten fürchteten sie in den Bildern die Übermacht des Irrationalen. […] Barbara Stollberg-Rilinger vergegenwärtigt die Symbolsprache des Alten Reiches und mit ihr eine anschauliche Vernunft und deren dem Leben zugewandte Leistungskraft in ihrem Buch über „Des Kaisers alte Kleider”.
Eberhard Straub (SZ vom 09.04.2009)


2. Rang

Bretschneider, Falk: Gefangene Gesellschaft. Eine Geschichte der Einsperrung in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert. Konstanz 2008.

Setzen manche Historiker nach wie vor sehr stark auf die Überlegungen von Michel Foucault […] sind andere eher traditionellen Zugängen verhaftet. Genau in diesem Punkt setzt die Studie von Falk Bretschneider neue Maßstäbe. Mit Sachsen macht er einen in der Strafvollzugsgeschichte eher unbeachteten deutschen Staat zum Gegenstand seiner Studie. Und mit einer besonderen Kombination makro- und mikrohistorischer Instrumentarien betritt er Neuland. […] Bretschneiders Studie und ihre Ergebnisse dürften für die Erforschung der Geschichte der Einsperrung hierzulande Modellcharakter haben. An ihr wird bei der Beschäftigung mit dem Thema niemand mehr vorbeikommen. Innovativ wie fundiert vermag es der Verfasser, ein doch grundlegend anderes Bild von der Einsperrung im 18. und 19. Jahrhundert als das bisher vorherrschende zu zeichnen. […] Insgesamt sind nicht nur seine Ergebnisse neu, sondern auch sein methodisch-theoretisches Instrumentarium kann zur Nachahmung empfohlen werden, etwa auch für die Betrachtung jüngerer Vollzugssysteme. Die Kombination aus Struktur- und Diskursanalyse sowie Untersuchung von sozialer Praxis wird stringent durchgehalten und ist durchweg überzeugend. […] Dem Leser werden die Untersuchungsergebnisse zudem in einem Schreibstil und mit einer sprachlichen Ausdruckskraft offeriert, die an keiner Stelle Langeweile aufkommen oder gar die nötige Präzision vermissen lassen. Marcus Sonntag für H-Soz-Kult


3. Rang

Sabean, David Warren (Hg.): Kinship in Europe. Approaches to long-term development (1300 - 1900). New York [u.a.] 2007.

Familie, Haushalt, Verwandtschaft: Cambridge School, Schmid-Duby-These, Goody-Debatte – die Markierungen einer sozial- und kulturhistorischen Konjunkturzone gehen leichter von der Zunge, als sich synthesefähige Erkenntnisfortschritte benennen lassen. Das liegt zum Teil an grundverschiedenen Bezuggrößen nationaler Forschungskulturen, zum Teil an modernisierungstheoretischen Scheinselbstverständlichkeiten. Der vorliegende Sammelband konfrontiert beide Probleme und weist darin weit über das Erwartbare hinaus. […] Die Diskussion ist noch lange nicht beendet[…]; dieser Band wird sie mit seinen starken Leitthesen und empirischen „Updates“ wesentlich mitprägen. Andreas Litschel für H-Soz-Kult


4. Rang

MacCulloch, Diarmaid: Die Reformation. 1490 - 1700. München 2008.

Die Folge der Reformation oder der Reformationen ist, wie Diarmaid MacCulloch unaufgeregt in ihrem ersten Stadium beobachtet, dass es keinen katholischen, also verbindlichen Begriff von Gottes Wort und dem Jesus als Christus gibt. […] Darin sieht Diarmaid MacCulloch keinen Nachteil. Er setzt darauf, dass in allen Annäherungen an das Wort Gottes, das Mensch geworden ist, sich ein Teil der unendlichen und unbegreiflichen Wahrheit offenbart. Er fügt sich in das christliche Pluriversum, wie es sich seit dem 16. Jahrhundert entwickelte. Überall weht für ihn der Heilige Geist, wo drei sich in seinem Namen versammeln. Als Historiker weiß er allerdings, dass die Mächte der Geschichte mächtiger als die Kräfte des Heiligen Geistes sein können.
Eberhard Straub (FAZ vom 15.10.2008, Nr. 241 / Seite L30)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html

MacCulloch hat ein ungeheuer reiches Buch geschrieben, reich an Material und an Gedanken. Da kommt die europäische Welt von Grönland bis Malta, von den Kanarischen Inseln bis Estland auf die Bühne, ja in ihren Wirkungen bis Amerika, Fernost und Afrika. Könige und Reformatoren, Päpste und Pfarrfrauen, Mönche und Schamanen treten auf. Von Bekenntnissen ist ebenso die Rede wie vom Glockengeläut, vom Ablass wie von der Freimaurerei, von der Syphilis wie von Empfängnisverhütung. Vor diese Fülle aber hat der Autor ein Vorzeichen gesetzt, das die Darstellung regieren soll: „Entscheidend waren die Ideen”! […] Was MacCulloch interessiert, sind der reformierte Protestantismus und der Katholizismus der Gegenreformation. Dort, wo er die Geschichte der reformierten Kirchen von Schottland bis zum Balkan mit Abstecher nach Nordamerika schildert und die den römischen Katholizismus von Polen bis Lateinamerika in seinem Auf und Ab beschreibt, hat das Buch seine großen Stärken.
Dorothea Wendebourg (SZ vom 13.10.2008 )


5. Rang

Duchhardt, Heinz: Stein. Eine Biographie. Münster 2007.

Eine zeitgemäße, auf umfangreiche neu erschlossene Quellen gestützte und dabei zugleich die vielen Einzelstudien der letzten Jahre reflektierende Biografie des Freiherrn vom Stein war […] überfällig. Befreit vom zeittypisch nationalen Tenor um den "Heros Stein" liegt nun eine neue, erfreulich sachliche, im Ton fast nüchterne Darstellung des Mainzer Historikers Heinz Duchhardt vor. […] In die Biografie mündet Duchhardts mehrjährige Beschäftigung mit dem Gegenstand. […] Den zeitgemäßen Anspruch, sich ideologiekritisch mit Steins Bild in der öffentlichen Meinung und der Erinnerungskultur zu befassen, verfolgt Duchhardt auch in seinem neuen Buch. Er wird hier den Erwartungen gerecht, die er als ausgewiesener Spezialist, vor allem mit seiner Rezeptionsgeschichte zum Westfälischen Frieden, weckt. […] Aufschluss über die Motivation für seine Biografie gibt […] der Hinweis auf die Aktualität von Steins "Grenzerfahrung", die – so Duchhardt – viele Menschen des 20. Jahrhunderts, die in verschiedenen Systemen lebten, in ähnlicher Weise hätten machen müssen. […] So gelingt ein facettenreiches Porträt Steins mit all seinen Widersprüchen. […] Dass es ihm gelungen ist, trotz neuer Quellen das Leben Steins nicht mehrbändig auszubreiten, zeugt von der Qualität der in sich geschlossenen, ungemein dichten und dabei gut geschriebenen Darstellung des Lebens- und Karrierewegs eines Mannes, den Duchhardt zu Recht "zu den markanten Figuren der neueren deutschen Geschichte" zählt. Hilmar Sack für H-Soz-Kult

Kein Zweifel: Heinz Duchhardt hat ein eminent zeitgemäßes Buch geschrieben. Denn auf seine ruhige, gewissenhafte Art macht er Ernst mit der Lieblingsidee der Dekonstruktivisten, dass letztlich alles zufällig, kontingent, sinnlos sei. Dass ihm eine so markante politische Symbolfigur wie der Freiherr vom Stein in tausend Mosaiksteinchen zersplittert, die kein gerundetes Bild mehr ergeben […] ist das Ergebnis hoher kritischer Wahrhaftigkeit - aber auch der authentische Ausdruck einer akademischen Geschichtskultur, die vor theoretischen Skrupeln und politischer Korrektheit auf dem besten Wege ist, sich selber abzuschaffen.
Gerrit Walther (FAZ vom 09.07.2008, Nr. 158 / Seite 32)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html