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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2006

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Geschichte der Frühen Neuzeit
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Offene Kategorie
Bildgeschichte - Geschichte der Bilder
Thematischer Schwerpunkt 2007
Publikumspreis

Geschichte der Frühen Neuzeit

Essay von Lars Behrisch für H-Soz-Kult

1. Rang (49 Punkte, 13 Voten)

Schwerhoff, Gerd: Zungen wie Schwerter. Blasphemie in alteuropäischen Gesellschaften 1200 - 1650. Konstanz 2005.

Die Rede von der Blasphemie hat wieder Konjunktur. Im Zeitalter des ‚iconic turn’ ist es wohl kein Zufall, dass im Mittelpunkt der jüngsten Blasphemie-Debatte die Sprache der Bilder stand: Angesichts der umstrittenen Mohammed-Karikaturen und der TV-Aufnahmen von weltweit aufgebrachten Muslimen reagierten die europäischen Medien mit dem gleichsam beschwörenden Verweis auf die prinzipiell unantastbare Meinungs- und Pressefreiheit der westlichen Demokratien. Kann der vermeintlich laxe Umgang mit der Blasphemie im säkularen Westen demnach in seiner historischen Perspektive als Fortschritts- und Modernisierungserzählung präsentiert werden? Ist die Kunst der Blasphemie gar ein "Signum der Moderne"? Nein, meint Gerd Schwerhoff schon auf den ersten Seiten seiner Studie über Blasphemie in den alteuropäischen Gesellschaften, eine simple "Entgegensetzung von ‚frommer’ Vormoderne’ und ‚lästernder Moderne’" sei "verkürzt". Insofern helfen lineare Entwicklungsmodelle nicht weiter, vielmehr ist nach Schwerhoff eine "Neubestimmung der Religionsgeschichte"geboten, welche die Blasphemie in ihre jeweiligen historischen Kontexte einordnet – eine Aufgabe, der sich Schwerhoff in dieser gestrafften Version seiner Bielefelder Habilitationsschrift von 1996 stellt. Christian Jaser für H-Soz-Kult

Schwerhoffs anschauliches Buch behandelt mit der Blasphemie ein Phänomen, das die Historiker einmal als Indiz für schwelenden Atheismus, einmal als Zeichen einer besonderen Glaubensintensität gedeutet haben (…)Diskussionsstoff bietet die material- und ideenreiche Studie nicht zuletzt dank ihrem Zeitrahmen vom Mittelalter bis ins 17. Jahrhundert. Die Reformation des 16. Jahrhunderts markiert für Schwerhoff nicht den grossen Bruch, den man vielleicht hätte erwarten können. Im Kampf gegen die Gotteslästerung zumindest seien sich die Konfessionen einig gewesen: Im 16. und 17. Jahrhundert vermehrten sich überall die Verbote der Gotteslästerung wie auch die Sanktionsinstanzen. Blasphemie sei zu einem "Leitdelikt" der Polizei- und Kirchenordnungen geworden, welche die Herstellung sittlicher Verhältnisse zum Ziel hatten und sich dabei auf die Abwendung göttlicher Kollektivstrafen beriefen.
Caroline Schnyder (Neue Zürcher Zeitung, 8.02.2006)


 

2. Rang (37 Punkte, 10 Voten)

Assmann, Jan: Die Zauberflöte. Oper und Mysterium. München 2005.

Anders als Borchmeyer argumentiert Assmann nicht nur historisch, sondern auch systematisch. Mit den Mitteln avancierter Theoriediskurse vertritt er u.a. unter Berufung auf Aby Warburg eine Theorie des "kulturellen Gedächtnisses" und eine politisch-theologische und religionsphilosophische Gesamtsicht, die die fundamentale Bedeutung Altägyptens für die Formierung Europas ingeniös herausstellt. Nun tritt er noch in die gelehrten Tempel der Musikwissenschaft ein. Seine "dichte Beschreibung" der "Zauberflöte" scheut sich nicht, den Korrespondenzen von Text und Ton musikologisch eingehend nachzugehen. [...] Der erste und wichtigste Ertrag seiner Studie ist aber die lupenreine Entzifferung des Mysterienspiels im dichten Kontext der Wiener Logen. Mozart, und auch Schikaneder, erscheinen als "intellektuelle Avantgarde" des aufgeklärten Absolutismus, als Autoren einer Epochenwende, die ihre Gegenwart so punktgenau erfassten, dass ihre Mythopolitik von den alten und neuen Kräften nicht voll verstanden wurden. Assmann lüftet einen Schleier. Sein Buch wird zu einem Zauberstab oder auch einer Flöte. Es verwandelt den Blick des Publikums. Reinhard Mehring für H-Soz-Kult

Wer ausführlich ins Detail gehen möchte, der ist augenblicklich mit der so reichen wie sprachlich verfeinerten Deutung von Mozarts populärster Oper durch den Ägyptologen Jan Assmann bestens bedient. [...] Das liest sich stellenweise so spannend wie ein Dan-Brown-Thriller
Manuel Burg (Die Welt, 21.01.2006)
http://www.welt.de/data/2006/01/21/833965.html

Wohl aber gelingt Assmann eine Darstellung, die historiographische Analyse und ästhetische Verlebendigung, weit über die Rechtfertigung hinaus, frappierend vereint. Zudem ist das Buch glänzend, im besten Sinne antiakademisch geschrieben; farbig, pointenreich, voll überraschender Einfälle. Da spricht kein Gelehrter mit überreichem Wissen, sondern ein vom Kunstwerk enthusiastisch Affizierter, der nicht nur die Ägypten-Rezeption genauestens kennt, sondern auch in musikalischen Detailfragen bewandert ist. Ideengeschichtliche Souveränität und intime Vertrautheit mit der Partitur ergänzen sich. [...] Für die wissenschaftliche Publizistik ist dies kein geringer Gewinn.
Gerhard R. Koch (FAZ, 19.10.2005)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html


 

3. Rang (34 Punkte, 7 Voten)

Jussen, Bernhard (Hg.): Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit. München 2005.

Historiker klären in vorbildhaften Fallstudien, was es mit der Macht des Königs in Europa auf sich hatte (...) Bernhard Jussen hat seinem Königsbuch ein rigides herausgeberisches Konzept verpaßt. Keiner der 26 Aufsätze ist länger als zwanzig Seiten, und jeder beginnt mit einem Quellenzitat, so daß man den beteiligten Historikern bei der Arbeit am Text zusehen kann. Alle Beiträge besitzen ein hohes sprachliches Niveau. Jussen selbst gibt mit der Interpretation einer Schlüsselstelle aus den "Zehn Büchern Geschichte" des Gregor von Tours ein Musterbeispiel der Verschmelzung quellenkritischer, struktur- und mentalitätshistorischer Ansätze.
Andreas Kilb (FAZ, 13.02.2006)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html


 

4. Rang (31 Punkte, 9 Voten)

Opitz, Claudia (Hg.): Höfische Gesellschaft und Zivilisationsprozess. Norbert Elias' Werk in kulturwissenschaftlicher Perspektive. Köln 2005.

Elf Autorinnen und Autoren aus den Bereichen der Soziologie, der Geschichtswissenschaft, der Romanistik und der Kunstgeschichte haben den Dialog aufgenommen und zeigen, dass ein Nachdenken über Elias immer noch lohnt und seine methodisch-theoretischen Angebote wie die Figurationsanalyse oder die Untersuchung von Interdependenzen nach wie vor von Belang (nicht nur) für die Hofforschung sein können. [...] Ein Abschied von Elias ist also mitnichten in Sicht, wie dieser Band zeigt, auch wenn zentrale Aussagen seines Werkes inzwischen als überholt gelten müssen. Sein methodisch-theoretisches Vorgehen [...] bleibt anregend [...]. Jan Hirschbiegel für H-Soz-Kult

Ist das Hauptwerk von Norbert Elias, also "Die höfische Gesellschaft" und der "Prozeß der Zivilisation", heute nur noch von wissenschaftshistorischem Interesse? Oder kommen Fachrichtungen, die sich unter dem Begriff Kulturwissenschaft gemeinsamen Fragestellungen verpflichtet fühlen, auch heute nicht darum herum, sich mit Elias' Arbeiten auseinanderzusetzen? Im von Claudia Opitz herausgegebenen Sammelband beziehen elf Autorinnen und Autoren verschiedener Fachrichtungen, darunter Geschichte, Kunstgeschichte, Romanistik und Soziologie, zu dieser Frage Stellung. Dabei steht Elias' Untersuchung über "Die höfische Gesellschaft" im Mittelpunkt.
Andreas Pečar (sehepunkte 5 (2005), Nr. 6)


 

5. Rang (24 Punkte, 5 Voten)

Brakensiek, Stefan; Wunder, Heide (Hg.): Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Köln 2005.