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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2003

Alte Geschichte
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Geschichte der Frühen Neuzeit
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Außereuropäische Geschichte
Offene Kategorie
Religion und Gesellschaft
World history
Thematischer Schwerpunkt 2005
Publikumspreis

Geschichte der Frühen Neuzeit

1. Rang (20 Punkte, 5 Voten)

Blickle, Peter: Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten. Eine Geschichte der Freiheit in Deutschland. München 2003.

Lieblingsthemen haben viele deutsche Historiker. Nur noch wenige aber haben - man muß es im Siebziger-Jahre-Deutsch sagen: Anliegen. Vielleicht ist Peter Blickle sogar der letzte von ihnen. Unablässig, mit bohrendem Nachdruck hat er seit dem Bauernkriegsjubiläum 1975 dieselbe Frage verfolgt: Wo war Freiheit? In seinen vielbenutzten Büchern über die "Revolution von 1525", über "Deutsche Untertanen" (1981), "Gemeindereformation" (1985), "Unruhen in der ständischen Gesellschaft" (1988) und "Kommunalismus" (2000) hat er nach ihr geforscht und sie gefunden. Nicht im demokratischen Staat, nicht in der Aufklärung, nicht bei den Intellektuellen, sondern dort, wo kaum ein Kollege sie noch zu finden wagt: auf dem Land, in den Dörfern, beim "deutschen Bauernstand", beim "gemeinen Mann".
Gerrit Walther in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.09.2003, Nr. 216 / Seite 36

Peter Blickle, der wahrscheinlich beste Kenner des Bauernkriegs, wie aber auch der unzähligen kleineren Revolten und Aufstände der Frühen Neuzeit, unternimmt in dieser Studie nämlich den Versuch, die Geburt der Menschenrechte aus der "leibhaftigen Freiheit" zu begründen: Er versteht die Geschichte der Freiheit, die er im Mittelalter beginnen lässt, als eine Geschichte der Leibeigenschaftsfreiheit.
An dieser Geschichte hatten nicht nur die Rousseaus und Lockes dieser Welt Anteil, nicht nur die von der Steins und Hardenbergs Preußens, sondern unzählige Bauern und Bäuerinnen, die während der Frühen Neuzeit das System der Leibeigenschaft immer wieder veränderten. Unter anderem aus diesem Kampf gegen die Leibeigenschaft entwickelten sich das Recht auf Eigentum und schließlich auch die Bürgerrechte. Kurzum: Die wesentlichen Bestandteile der Menschenrechtserklärungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts, Freiheit des Menschen und das Recht auf Eigentum, wurden in der Amerikanischen und Französischen Revolution vielleicht erstmals in der Form festgeschrieben, doch durchgesetzt wurden sie in einem Prozess, der weder im 18. Jahrhundert begann, noch dort zu einem Ende kam.
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/das...


 

2. Rang (19 Punkte, 4 Voten)

Eibach, Joachim: Frankfurter Verhöre. Städtische Lebenswelten und Kriminalität im 18. Jahrhundert. Paderborn 2003.

Die historische Kriminalitätsforschung konzentrierte sich in Deutschland zunächst auf die spätmittelalterliche Stadt, und erst in den letzten Jahren entstanden Untersuchungen zu einzelnen Territorien des frühneuzeitlichen Alten Reiches. Mit der Arbeit von Joachim Eibach liegt nun auch eine Fallstudie zur Kriminalität in einer Reichsstadt des 18. Jahrhunderts – Frankfurt am Main – vor. Karl Härter für H-Soz-Kult

Gleichzeitig bekräftigt Eibachs methodologisch vorbildliche Auswertung der komplexen Quellenüberlieferung Erkenntnisse der neueren Kriminalitätsforschung, die in Deutschland vor allem mit den Arbeiten Gerd Schwerhoffs verbunden ist. Auch im Falle Frankfurts läßt sich der Trend zum Vordringen obrigkeitlicher Angebote zur Konfliktlösung (Juridifizierung) beobachten. Dadurch wurde rituellen Praktiken (etwa Rügebräuche) allmählich der Boden entzogen.
Robert Jütte in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.06.2003, Nr. 146 / Seite 37


 

3. Rang (18 Punkte, 4 Voten)

Davis, Natalie Zemon: Die schenkende Gesellschaft. Zur Kultur der französischen Renaissance. München 2002.

Die Autorin überwältigt den Leser geradezu mit der Vielzahl und der Anschaulichkeit ihrer Beispiele, die sie aus einem schier unerschöpflichen Fundus zeitgenössischer Berichte hervorzuholen scheint. Man hat dadurch das Gefühl, den Menschen des 16. Jahrhunderts (zumindest denen mit schriftlicher Hinterlassenschaft) ganz nahe zu kommen, ihren Alltag zu erleben, ohne das dazwischengeschobene historische Argumentations- und Strukturbollwerk von Daten, Kriegen, Staatsaktionen, das traditionelle historische Darstellungen für den Nicht-Historiker so oft zu einer trockenen und schwer verdaubaren Geschichte macht. Klaus Deinet für H-Soz-Kult

Verpflichtende Gaben gelten heute als mafios. Dass sie fesseln, einspannen, befangen oder auch blind machen, den Mund verschließen und Handlungen determinieren, analysierte bereits Michel de Montaigne (1533 bis 1592), als Präsentverächter einer der Protagonisten dieses Buches. Es liest sich über weite Strecken als ein Almanach des Gebens und Nehmens im Frankreich des 16. Jahrhunderts, und zwar vom Objekt und dem Kontext des Austauschs her betrachtet. Unter diesem Gesichtspunkt wird kaum eine Kombination ausgelassen, entfaltet sich ein Reigen des Schenkens, als soziale Kunst verstanden: Könige untereinander und gegenüber ihren Gefolgsleuten, Beklagte und Richter, Bauern und Grundherrn, Braut und Bräutigam. Selbst die Vergabe von kirchlichen Pfründen, die Stiftung von Messen zwecks Befreiung armer Seelen aus dem Fegefeuer, ja sogar die einseitige, vom Menschen durch alle guten Werke nicht erzwingbare Gnadenverleihung als Denkfigur reformierter Theologen geraten der Autorin als Sonder- und Extremformen eines allseitigen und alles beherrschenden do ut des ins Blickfeld. http://www.zeit.de/2002/51/P-Zemon_Davis


 

3. Rang (18 Punkte, 3 Voten)

Gottschalk, Karin: Eigentum, Geschlecht, Gerechtigkeit. Haushalten und Erben im fruehneuzeitlichen Leipzig. Frankfurt/M. 2003.

Wenngleich die Lektüre dieses Buches zuweilen kein reines Vergnügen ist, was im wesentlichen der Komplexität der juristischen Sachverhalte, an einigen Stellen aber auch strukturell bedingten Längen zuzuschreiben ist, bleibt sie uneingeschränkt zu empfehlen: Karin Gottschalk ist eine spannende und keineswegs nur für RechtshistorikerInnen relevante Studie gelungen, die aus ihrer Forschungsperspektive erneut zeigt, welche Auswirkungen die vielfältigen Wandlungsprozesse des 18. Jahrhunderts auf den Status von Frauen hatten, wie diesen ihre Position als verantwortlich und öffentlich agierende ‘Hausmütter’ entzogen wurde. Christine Werkstetter für H-Soz-Kult


 

5. Rang (16 Punkte, 3 Voten)

Rublack, Ulinka: Die Reformation in Europa. Frankfurt am Main 2003.

Weniger die europäische Perspektive, als vielmehr die methodische Herangehensweise ist reizvoll an Ulinka Rublacks Buch "Die Reformation in Europa". Erstmals liegt damit nämlich ein deutschsprachiger Versuch vor, in einer Überblicksdarstellung einer prominenten Reihe - die "Europäische Geschichte" im Fischer-Verlag - verschiedene methodische Angebote jenseits etablierter politik-, kirchen- und sozialgeschichtlicher Ansätze für die Reformationsgeschichtsschreibung in Anschlag zu bringen, etwa aus den Bereichen der Wissenssoziologie, der Kultur- und der Geschlechtergeschichte. Behandelt wird in etwa das erste Jahrhundert nach der Reformation, allerdings bleibt die kulturelle Wirkung der Reformation jederzeit bestimmender Fokus der Darstellung. Kai Bremer für H-Soz-Kult

Die Autorin – auch sie ein Tübinger Gewächs, unterdessen im englischen Cambridge lehrend – fügt ihr Bild der Reformationen aus biografischen Elementen, Skizzen der politischen und sozialen Landschaft jener Zeit, aus den Grundlinien des Geflechtes der Geistes- und Kulturgeschichte jener Epoche zu einer Übersicht zusammen, in der kein unschuldiger Leser völlig verloren geht. Sie hält die wissenschaftliche Höhe, doch sie meistert zugleich eine Geschichtserzählung in einer unverkrampften und sensiblen Sprache. Vor allem verzichtet sie darauf, dem Leser provokante Thesen um die Ohren zu hauen, die durch nichts bewiesen werden. http://www.zeit.de/2004/08/P-Luther