Das Historische Buch 2004
Julia Angster | Prof. Dr. Frank RexrothGeorg-August-Universität Göttingen AusbildungGeboren 1960 in Kork/Baden Abitur 1980 Kehl am Rhein Ab 1980 Studium Geschichte und Deutsch im Lehramtsstudiengang an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau 1986 Erstes Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien 1986 Magister Artium 1988 Promotion Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln: die Intentionen des Stifters und die Wege und Chancen ihrer Verwirklichung im spätmittelalterlichen deutschen Territorialstaat 1989-1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut London 1991-1992 Postdoc-Stipendiat am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen 1992-1998 Hochschulassistent am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin 1998 Habilitation Das Milieu der Nacht. Obrigkeit und Randgruppen im spätmittelalterlichen London 1999 Professor (C3) für Geschichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit an der Universität Bielefeld 2000 Professor (C4) für Mittlere und Neuere Geschichte an der Georg-August- Universität Göttingen ForschungsschwerpunkteSozialgeschichte europäischer Gesellschaften in komparatistischer Perspektive, Erforschung interkultureller Transferprozesse im hohen und späten Mittelalter, Rituale und Ritualismus, Mittelalterliche Stadtgeschichte als Gruppengeschichte, Freundschaft und Verwandtschaft als historische Beziehungssysteme, deutsche Geschichte, Geschichte Englands Monographien
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Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen? Ich wollte eigentlich Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte werden, wobei meine Vorliebe zu dem Zeitpunkt, zu dem ich mein Studium begann, eindeutig der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft galt. Dies hat sich innerhalb von zwei Semestern und unter dem Eindruck der akademischen Lehre geändert: Proseminare bei Michael Borgolte, bei Heinz-Dietrich Löwe und Gottfried Schramm haben mich davon überzeugt, daß ich für die Denk- und Arbeitsweise des Historikers besser geeignet bin. Geblieben ist eine Vorliebe für sprachliche Artefakte. 2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste? Der Umbruch von der Dominanz der Geschichtswissenschaft als einer Historischen Sozialwissenschaft hin zu ihrer kulturwissenschaftlichen Verortung, der in der deutschen Geschichtswissenschaft etwa seit den 1980er Jahren vollzogen wurde, ist von epochaler Bedeutung gewesen. Er ist mittlerweile so oft dargestellt worden, daß man heute seinen Leser langweilt, wenn man ihn beschreibt. 2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Ich würde weniger bestimmte Forschungsfelder nennen, sondern eher die Erfordernis zu verstärkter methodischer Sensibilität betonen, wie sie in manchen Bereichen der Profession einmal Standard gewesen ist: Klar definierte Begriffe, theoretischer Eklektizismus nur in gewissen Grenzen, wie operationalisiert man, was sind Idealtypen, was ist eine Arbeitshypothese... 2. d) Mit der im Juni 1999 in Bologna verabschiedeten "Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister" wurde ein Reformprozess initiiert, der die Hochschulreformdebatten und -planungen nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten europäischen Ländern bestimmt. Im Rahmen von "Bologna" werden seither Harmonisierungs- und Koordinierungsstrategien vor allem hinsichtlich eines koordinierten Systems vergleichbarer und transparenter Abschlüsse, der Qualitätssicherung bzgl. der Studienabschlüsse und -organisation, aber auch eine Förderung der "europäischen Dimension" in inhaltlicher Hinsicht (Hochschulcurricula und Forschungskooperationen) verfolgt. Sechs Jahre nach "Bologna" entfalten die Reformen an den Universitäten und in den Studiengängen ihre eigene Dynamik und Wirkungsmächtigkeit. Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen diesen Reformprozess und welche Folgen erwarten Sie für die historische Ausbildung an Ihrer Universität? Im wesentlichen beurteile ich sie negativ, doch sollte man über allen berechtigten Klagen über den Modularisierungsprozeß nicht vergessen, daß es um die Studien- und Prüfungsordnungen der Vergangenheit nicht zum besten bestellt war und daß man in unserem Fach lange Zeit über die traurige Relation von Immatrikulations- und Absolventenzahlen einfach hinweggesehen hat. Meine Prognose für die Zukunft ist, daß hochmotivierte und begabte Studierende mit der verschulten, auf Quantitäten setzenden „modularisierten“ Ordnung nicht glücklich werden. Andererseits wird es aber für wenig motivierte und wenig interessierte Studierende nicht mehr so leicht sein wie bisher, ein gerade noch vorzeigbares Examen zu machen und anschließend gar eine Stelle als als Gymnasiallehrer anzutreten. Die modularisierten Studien- und Prüfungsordnungen werden sich nivellierend auswirken. Der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, über die man an der Uni ständig reden muß, hat man damit freilich einen Bärendienst erwiesen. |