Das Historische Buch 2004
Julia Angster | Prof. Dr. Andreas FahrmeirUniversität zu Köln Kurzer Lebenslauf mit den wichtigsten akademischen StationenAufgewachsen in Oberursel/Ts., Schulabschluß 1988 an der Kaiserin Friedrich Schule, Bad Homburg Nach einem Semester Studium der Chemie ab Sommersemester 1989 Studium der Mittleren und Neueren Geschichte, Anglistik und Geschichte der Naturwissenschaften an der JW Goethe Universität, Frankfurt/Main. Visiting student (mit denselben Fächern) 1991/92 an der McGill University, Montréal; M. A. 1994 Promotion 1995-1997 in Geschichte am Sidney Sussex College, Cambridge (Citizens and Aliens: Foreigners and the Law in Britain and the German States, 1789-1870, publiziert New York/Oxford 2000) 1997 bis 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut London Dezember 2001 Habilitation an der J. W. Goethe-Universität Frankfurt (Das Stadtbürgertum einer Finanzmetropole: Untersuchungen zur Corporation of the City of London und ihres Court of Aldermen, 1688-1900) 2002 Berater bei McKinsey & Company, Inc. Heisenberg-Stipendiat am Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Seit Oktober 2004 Professor für europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Universität zu Köln Wichtige Veröffentlichungen: Mitgliedschaften und Auszeichnungen: Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen? Durch das Interesse an den Rätseln und Geschichten der Vergangenheit. Für das Geschichtsstudium waren die späten 80er Jahre m. E. eine besonders spannende Zeit. Der Kontrast zwischen dem Unterricht in der Schule, der älteren Literatur, die ich bis dahin gelesen hatte, und der quasi-naturwissenschaftlichen Methodik der Annales-Schule, der historischen Sozialwissenschaft, der "Cambridge School" und den Ergebnissen der "Großforschungsprojekte" zum 19. Jahrhundert war beeindruckend. Zumal in Frankfurt herrschte damals eine besondere Aufbruchstimmung. Es schien auf vielfache Art möglich, mit Mythen aufzuräumen und gängige Erklärungsmuster grundlegend zu revidieren. Das war auch der Grund, warum ich die ‚Wissenschaft' immer weiter anregend fand. Aber Berufe hat man - zumal in den Geisteswissenschaften - in der Regel nur noch auf Zeit. 2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste? Obwohl es langweilig, altmodisch und überholt klingt: Immer noch die historische Sozialwissenschaft, insofern sie auf eine methodisch reflektierte und rationale Überprüfung von historischen Thesen anhand einer ausreichenden Quellengrundlage zielte. Das Potential (wie auch die besondere Schwierigkeit) der Kulturgeschichte liegt eben darin, daß sie auf dieser Grundlage aufbauen kann (indem sie Lücken thematisiert), aber auch aufbauen muß. 2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Eher nicht, weil die historische Forschung – zum Glück – sehr breit aufgestellt und methodisch wie inhaltlich breit orientiert ist. Wichtig ist, diese Vielfalt zu erhalten, und zu verhindern, daß sie durch kurzfristig orientierte Anreize zur mehr „Drittmittelforschung“ in bestimmte Richtungen beschnitten wird. 2. d) Mit der im Juni 1999 in Bologna verabschiedeten "Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister" wurde ein Reformprozess initiiert, der die Hochschulreformdebatten und -planungen nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten europäischen Ländern bestimmt. Im Rahmen von "Bologna" werden seither Harmonisierungs- und Koordinierungsstrategien vor allem hinsichtlich eines koordinierten Systems vergleichbarer und transparenter Abschlüsse, der Qualitätssicherung bzgl. der Studienabschlüsse und -organisation, aber auch eine Förderung der "europäischen Dimension" in inhaltlicher Hinsicht (Hochschulcurricula und Forschungskooperationen) verfolgt. Sechs Jahre nach "Bologna" entfalten die Reformen an den Universitäten und in den Studiengängen ihre eigene Dynamik und Wirkungsmächtigkeit. Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen diesen Reformprozess und welche Folgen erwarten Sie für die historische Ausbildung an Ihrer Universität? Der Reformprozeß - der sicher notwendig ist - erweist sich in Deutschland als verpaßte Chance. Das liegt vor allem daran, daß unter dem Deckmantel von "Bologna" ein spezifisch und ausschließlich deutscher Bürokratisierungsschub erfolgt, der sich u. a. aus der Vorstellung ergibt, daß statt einzelner "Kurse" (wie international üblich) komplex gestrickte Module studiert werden sollen. Dazu kommt, daß die ungewisse Dauer des Studiums in Deutschland es unmöglich macht, einen Übergangszeitpunkt festzulegen; statt dessen müssen mit insgesamt unzureichenden Mitteln immer gleichzeitig mehrere Studiengänge bedient werden, was es schwer macht, grundsätzlich neue Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, zumal völlig unklar ist, in wie weit etwa ein BA Abschluß für den Arbeitsmarkt des öffentlichen Dienstes qualifizieren könnte. Dazu kommt ein merkwürdiges Lavieren der Politik zwischen einem Vertrauen auf Marktmechanismen einerseits, einer fortdauernden Planwirtschaft (die z. B. den Universitäten vorschreibt, ob sie auf das Staatsexamen vorbereiten dürfen, oder nicht) andererseits. Das ist aber hinreichend bekannt und diskutiert.
3. Stellen Sie bitte Ihren persönlichen Favoriten unter den historischen Büchern des Jahres 2004 kurz vor und erläutern Sie Ihre Wahl. (15-20 Zeilen.) Nikolaus Wachsmann, Hitler's Prisons: Legal Terror in Nazi Germany, New Haven: Yale UP 2004
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