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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2004


Ronald G. Asch
Jan C. Behrends
Tim Blanning
Kai Brodersen
Susanna Burghartz
Sebastian Conrad
Josef Ehmer
Jacques Ehrenfreund
Joachim Eibach
Andreas Fahrmeir
Norbert Finzsch
Etienne François
Mary Fulbrook
Peter Funke
Martin H. Geyer
Dieter Gosewinkel
Abigail Green
Rebekka Habermas
Johannes Helmrath
Manfred Hettling
Hartmut Kaelble
Martina Kaller-Dietrich
Jürgen Kocka
Birthe Kundrus
Karl Christian Lammers
Achim Landwehr
Ursula Lehmkuhl
Chris Lorenz
Mischa Meier
Pierre Monnet
Olaf Mörke
Igor Narskij
Dietmar Neutatz
Wilfried Nippel
Marek Jan Olbrycht
Ilaria Porciani
Stefan Rebenich
Folker Reichert
Frank Rexroth
Adelheid von Saldern
Tanja S. Scheer
Wolfgang Schmale
Hubertus Seibert
Hannes Siegrist
Barbara Stollberg-Rilinger
Claudia Tiersch
István György Tóth
Beate Wagner-Hasel
Dorothee Wierling
Michael Wildt
Michael Zeuske
Claudia Zey

Dr. Julia Angster

Eberhard Karls Universität Tübingen

Lebenslauf

1968: geboren in Biberach/Riß

1987: Abitur in Biberach/Riß

1987-1994: Studium der Neueren und Neuesten Geschichte und Politikwissenschaft in Tübingen und Oxford

1994: Magister Artium Universität Tübingen

1999/2000: Affiliated Graduate am St. John’s College, Oxford

2000: Promotion zur ‚Westernisierung’ von SPD und DGB
Die 2003 im Oldenbourg-Verlag erschienene Studie untersucht die ideelle Westorientierung („Westernisierung“) von SPD und DGB in der frühen Bundesrepublik sowie ihre Vorgeschichte in den Jahren des Exils. Beziehungen zu den Arbeiterbewegungen westlicher Länder, insbesondere zu den amerikanischen Gewerkschaften, führten zwischen 1940 und 1960 zu einer Annäherung der deutschen Sozialdemokratie an westlich-liberale Politikvorstellungen und Gesellschaftsbilder.

seit Oktober 2000: Wissenschaftliche Assistentin am Seminar für Zeitgeschichte

Laufendes Habilitationsprojekt: Die Royal Navy und der Wandel im britischen Weltbild 1805-1914. Das Projekt untersucht am Beispiel der Royal Navy im 19. Jahrhundert den Einfluß gesellschaftlicher Strukturen und Ordnungsvorstellungen auf die britische Außen- und Weltpolitik. Die Fragestellung zielt auf die Grundannahmen ab, welche die Ziele und das Handeln der Navy bestimmten, auf die Strukturen, innerhalb derer sie getroffen wurden und auf die Selbst- und Weltbilder der Protagonisten. Funktion und Aufgabenfelder der Navy, so die These, wandelten sich in Abhängigkeit von Selbstbild und Machtbegriff in der britischen Gesellschaft.

Mitgliedschaften: Historikerverband; Arbeitskreis deutsche Englandforschung

Auszeichnung: Promotionspreis der Eberhard-Karls-Universität 2000 (zusammen mit Dr. Thomas Etzemüller)

Allgemeine Arbeitsschwerpunkte

Britische Gesellschafts- und Politikgeschichte des 19. Jahrhunderts; Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; deutsch-amerikanische Beziehungen nach 1945; deutsche und amerikanische Arbeiterbewegung; Exil- und Remigrationsforschung; Netzwerke und transnationale Beziehungen, politische Ideengeschichte

Veröffentlichungen u.a.

Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB (Ordnungssysteme, Bd. 13) Oldenbourg Verlag, München 2003.

Der neue Stil. Die Amerikanisierung des Wahlkampfs und der Wandel im Politikverständnis bei CDU und SPD in den 1960er Jahren, in: Matthias Frese/Julia Paulus/Karl Teppe, Hrsg.: Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn u.a. 2003, S. 181-204.

„Safe By Democracy“. American Hegemony and the Westernization of West German Labor, in: Bernd W. Kubbig, Hrsg.: Toward a New American Century? The US Hegemon in Motion, in: Amerikastudien/American Studies, 46/2001, S. 557-572.

Wertewandel in den Gewerkschaften. Zur Rolle gewerkschaftlicher Remigranten in der Bundesrepublik der 1950er Jahre, in: Claus-Dieter Krohn/Patrik von zur Mühlen, Hrsg.: Rückkehr und Aufbau nach 1945. Deutsche Remigranten im öffentlichen Leben Nachkriegsdeutschlands, Marburg 1997, S. 111-138.

Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten

2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen?

Anfangs war es die Faszination für Geschichten und Vergangenheit, die Neugierde auf das Fremde. Die Geschichtswissenschaft mit ihrer Kombination aus Forschung und Lehre entspricht meiner Vorstellung von einer idealen Berufstätigkeit: Sie verbindet stilles, kontemplatives Studieren in Archiv und Bibliothek mit dem wimmelnden und lauten Leben, dem Werben für Ideen bei Studenten und Kollegen und dem Streiten um Interpretationen.

2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste?

Ganz allgemein die methodische und thematische Pluralisierung unseres Fachs, besonders aber die Erweiterung der Perspektive über den nationalstaatlichen Horizont hinaus, sei es durch die wachsende Bedeutung der transnationalen Geschichtsschreibung, das neue Interesse an außereuropäischen Themen oder durch die Hereinnahme gänzlich neuer Kategorien, die quer zu nationalkulturellen Einheiten liegen (wie etwa beim ‚spatial turn’). An Stelle sich gegenseitig ausschließender Betrachtungsweisen (Politik- oder Sozialgeschichte) sind mittlerweile zum Glück integrierende Zugriffe selbstverständlich geworden.

2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte?

Im Bereich der transnationalen Geschichte, der histoire croiseé, sowie bei der Verbindung von Politik-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte ist sicher noch einiges zu tun.

2. d) Mit der im Juni 1999 in Bologna verabschiedeten "Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister" wurde ein Reformprozess initiiert, der die Hochschulreformdebatten und -planungen nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten europäischen Ländern bestimmt. Im Rahmen von "Bologna" werden seither Harmonisierungs- und Koordinierungsstrategien vor allem hinsichtlich eines koordinierten Systems vergleichbarer und transparenter Abschlüsse, der Qualitätssicherung bzgl. der Studienabschlüsse und -organisation, aber auch eine Förderung der "europäischen Dimension" in inhaltlicher Hinsicht (Hochschulcurricula und Forschungskooperationen) verfolgt. Sechs Jahre nach "Bologna" entfalten die Reformen an den Universitäten und in den Studiengängen ihre eigene Dynamik und Wirkungsmächtigkeit. Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen diesen Reformprozess und welche Folgen erwarten Sie für die historische Ausbildung an Ihrer Universität?

Im Grunde ist die Idee einer europäischen Angleichung der Studienbedingungen sehr sinnvoll. Meine Sorge ist jedoch, daß nun unter dem Rubrum des Bologna-Prozesses neben wichtigen Reformschritten auch Neuerungen durchgesetzt werden, die die durchaus vorhandenen Stärken des deutschen Universitätssystems beseitigen und neue Schwächen zementieren. Chronisch unterfinanzierte und in ihrer thematischen und forscherlichen Handlungsfreiheit eingeschränkte Geisteswissenschaften dienen wohl kaum der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Universitäten.

3. Stellen Sie bitte Ihren persönlichen Favoriten unter den historischen Büchern des Jahres 2004 kurz vor und erläutern Sie Ihre Wahl. (15-20 Zeilen.)

Christopher A. Bayly: The Birth of the Modern World 1780-1914. Global Connections and Comparisons, Oxford u.a. 2004.

Christopher Baylys Buch ist eine umfassende Weltgeschichte des ‘langen 19. Jahrhunderts’. Bayly demonstriert die wechselseitige Bedingtheit des gesellschaftlichen wie kulturellen Wandels in der europäischen und der außereuropäischen Welt. Die Geschichte der kolonialen ‚Metropolen’ ist nicht zu trennen von jener der Kolonien und außereuropäischen Zentren, denn erst im gegenseitigen Wechselspiel bildete sich in den Bereichen Staat, Religion, politischer Kultur und Wirtschaft allmählich die Dichotomie aus globaler Annäherung und lokaler Differenz heraus, die die Moderne des 19. Jahrhunderts prägte. Bayly untersucht dieses Wechselspiel dabei aus einer in zweifacher Hinsicht faszinierenden Perspektive. Zum einen stellt er unterschiedlichste Ebenen nebeneinander, etwa Körperpraktiken und staatliche Politik; und zum andern ist sein Zugriff wirklich global: Europa und die außereuropäische Welt werden gleichauf behandelt, die Kapiteleinteilung erfolgt nicht etwa nach regionalen Kriterien, sondern verflicht die Kontinente und Kulturen thematisch miteinander. Vergleich und Beziehungsgeschichte haben hier beide ihren Platz; Unterschiede und Gemeinsamkeiten, Annäherung und wachsende Komplexität werden behandelt. Baylys Buch bietet eine beeindruckende Weltgeschichte im eigentlichen Sinn – und ist zudem souverän geschrieben.