Das Historische Buch 2003
Thomas Angerer | Christoff Frederik Gijsbert LorenzFree University Amsterdam CVDegreesB.A. Sociology of western and non-western societies, University of Amsterdam, The Netherlands, 1973; M.A. Sociology of western and non-western societies, University of Amsterdam, 1976 (cum laude); Ph.D. Philosophy, University of Amsterdam, 1987. Positions heldteaching assistant, Department of Philosophy, University of Amsterdam, 1975-1976; junior lecturer, Department of Sociology, University of Leiden, 1976-1978; lecturer and associate professor, Department of History, Free University Amsterdam, 1978 - present; professor, Department of History, University of Leiden, Leiden, Holland, 1989-present; visiting fellow of the Netherlands Institute for Advanced Studies in the Social Sciences and Humanities, Wassenaar, 1989-1990; visiting fellow of the Centre for Interdisciplinary Studies (Zentrum für interdisziplinäre Forschung), University of Bielefeld, September 1996 - January 1997; visiting fellow of the Institute for Comparative Societal History (Arbeitsstelle für Vergleichende Gesellschaftsgeschichte), Free University of Berlin, February - May 1997. Recent international academic distinctionsCanadian Studies Faculty Research Award 1995; Von Humboldt Research Award for Foreign Scholars in the Social Sciences and the Humanities, 1996 (DM 55.000, awarded by the Alexander von Humboldt Stiftung, Germany); visiting professor at the Karl Franzens University of Graz, Austria, summersemester of 1999; visiting professor at the Max Weber Center for Cultural and Social Studies of the University of Erfurt, Germany, summersemester 2000; visiting professor at the Stellenbosch Institute for Advanced Studies, South Africa, autumn 2003. Major fields of interestPhilosophy of history; History of 19th. and 20th. century historiography; theory and method of comparative historiography; relationship of history and the social sciences; modern educational policy. Recent publications (selection)
Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen? Ich bin über Umwege zur Geschichtswissenschaft gekommen, d. h. über das Studium der Soziologie, Anthropologie (M.A.) und Philosophie (Ph.D). Geschichte war zwar das erste Interesse seit meiner Jugend, aber ich wollte ursprünglich nicht unterrichten und deshalb kein Geschichtslehrer werden. Deshalb entbehrt es nicht der Ironie, dass ich doch an der Uni gelandet bin. Was mich seitdem motiviert hat, in diesem Bereich beruflich tätig zu bleiben, sind meine historischen und philosophischen Interessen am Phänomen geschichtlichen Wandels. Dahinter steckt vielleicht auch, dass die koloniale Erfahrung und der Zweite Weltkrieg meine Familiengeschichte und später meine persönliche Geschichte geprägt haben. Die Präsenz der Geschichte war damals für mich beinahe fühlbar, das hat bei mir eine gewisse Faszination für Historie geweckt. Aber diese Erfahrung haben wahrscheinlich manche meiner Altersgenossen in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern auch gemacht. In dieser Hinsicht ist vermutlich nicht jede Epoche gleich nah zu Gott...
2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste? Das ist ja eine ziemlich breit angelegte Frage! Ich selber bin ein Produkt des ‚societal turn‘ in der Geschichtswissenschaft gewesen, der gleichzeitig ein ‚theoretical turn‘ war. Diese Konstellation hat andere und mich befähigt, Geschichte und Theorie mehr zu verknüpfen als dies vorher üblich war. Damals fand ich den gesellschaftsgeschichtlichen Frageansatz brennend interessant, aber dessen Leerstellen und Schwächen sind inzwischen sichtbar geworden. Immerhin sind der ‚cultural turn‘ und ‚linguistic turn‘, die später in der Geschichtswissenschaft gefolgt sind, großenteils als Reaktionen auf den ‚societal turn‘ zu verstehen. Beide Gegenbewegungen haben auch interessante Vertreter gefunden, aber ich halte es nicht für besonders sinnvoll, in einigen Zeilen 30 Jahre Historiographiegeschichte zu bilanzieren. Nun erleben wir angeblich den ‚spatial turn’ und ‚visual turn‘, sodass ich annehmen muss, dass nach so vielen ‚turns‘, die Geschichtswissenschaft wieder ins pluralistisches Fahrwasser geraten ist. Damit bin ich sehr einverstanden, da Monokultur das Ende jeder Wissenschaft ist. 2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Ein bisschen mehr Interesse für transnationale und komparative Geschichte wäre nicht schlecht. Ein bisschen mehr Interesse für Theorie der Geschichte ebenso, da die ‚Theoriebedürftigkeit’ der Geschichte an sich nicht kleiner geworden ist als vor 30 Jahren. Aber die alten Abwehrreaktionen und Allergien der ‚Fachhistoriker‘ gegen ‚Theorie‘ sind das letzte Jahrzehnt wieder unverkennbar geworden. |