Das Historische Buch 2003
Thomas Angerer | Prof. Dr. Peter FunkeWestfälische Wilhelms-Universität Münster Curriculum Vitae18.3.1950 geboren in Rheine / Westfalen (Deutschland) 1957 - 1961 Besuch der Volksschule in Rheine 1961 - 1969 Besuch des altsprachlichen Gymnasiums Dionysianum in Rheine 1969 - 1974 Studium der Geschichte und Germanistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster 1974 1. Philologische Staatsprüfung in den Fächern Geschichte und Germanistik in Münster 1975 - 1978 Verwalter einer wissenschaftlichen Assistentenstelle an der althistorischen Abteilung des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln; Fortsetzung des Studiums in den Fächern Geschichte, Archäologie und Germanistik 1978 Promotion mit der Arbeit "Homónoia und Arché. Untersuchungen zur attischen Politik vom Ende des Peloponnesischen Krieges bis zum Königsfrieden (404/3 - 387/6 v.Chr.)" in der Philosophischen Fakultät der Universität Köln 1978 - 1985 wissenschaftlicher Assistent am Institut für Altertumskunde - Abt. Alte Geschichte - der Universität zu Köln 1979 - 1981 gleichzeitig Vertretung des Faches Alte Geschichte an der Universität-GHS-Siegen (im Rahmen eines Lehrauftrages) 1985 Habilitation im Fach Alte Geschichte durch die Philosophische Fakultät der Universität zu Köln mit einer Arbeit über die "Geschichte und Struktur des Aitolischen Bundes" 1985 - 1988 C3-Professor für Alte Geschichte an der Universität-GHS-Siegen seit 1988 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Inhaber des Lehrstuhls (C 4) für Alte Geschichte und Direktor des Seminars für Alte Geschichte und des Instituts für Epigraphik sowie Leiter der Forschungsstelle "Historische Landeskunde des antiken Griechenland" und der Arbeitsstelle "Griechenland" im Seminar für Alte Geschichte seit 1988 Mitglied der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts 1989 Wahl zum Ordentlichen Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts 1990 - 1994 Prorektor für Lehre und studentische Angelegenheiten der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1990 - 1992 Fachvertreter für Alte Geschichte im Ausschuss des Verbandes der Historiker Deutschlands 1992 - 2000 2. Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands seit 1992 Vorsitzender der Fachkommission Geschichte der Landesrektorenkonferenz NRW seit 1993 Vertrauensdozent des Cusanus-Werkes 1993 - 1996 Vorsitzender der "Gemeinsamen Studienreformkommission" des Landes Nordrhein-Westfalen 1995 - 1996 Vorsitzender der Arbeitsgruppe "Neue Medien in der Hochschullehre" der Hochschulrektorenkonferenz seit 1995 DFG-Vertrauensdozent der Universität Münster seit 1996 DFG-Fachgutachter (Alte Geschichte) und Fachausschussvorsitzender (Altertumswissenschaften); (bis 1998 stellvertretender Fachgutachter) 1997 Wahl zum Mitglied der Internationalen Akademie der pädagogischen Wissenschaften (Moskau) seit 1997 Mitglied der Kommission für Finanz- und Personalangelegenheiten der Universität Münster 1998 - 2000 Mitglied des Konvents der Westfälischen Wilhelms-Universität 1999 Ablehnung eines Rufes auf den Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilian-Universität München 1999 - 2001 Mitglied der Fachkommission "Geschichte" der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) seit 2000 stellvertr. Vorsitzender des DFG-Fachausschusses 107 "Altertumswissenschaften" seit 2000 Mitglied des Beraterausschusses der Landesregierung NRW für die Verleihung des Titels "Professor(in)". seit 2001 Mitglied des DAAD - Vergabeausschusses für den deutsch-italienischen Wissenschaftleraustausch (Vigoni-Programm) 2001 - 2002 Mitglied der Verfassungskommission der Westfälischen Wilhelms-Universität Forschungsschwerpunkte und ForschungsprojekteGeschichte der griechischen Staatenwelt von der mykenischen bis zur römischen ZeitIm Zentrum dieser Forschungen steht derzeit die Arbeit am Band 2 "Die klassische Zeit" des "Handbuchs der Altertumswissenschaften" (Reihe III: Griechische Geschichte). Darüber hinaus arbeite ich seit 1995 in der internationalen Forschergruppe des "Copenhagen Polis Centre" zur Erforschung der Geschichte der griechischen Poleis in archaischer und klassischer Zeit. Antike VerfassungsgeschichteEinen besonderen Schwerpunkt bildet hier die Erforschung bundesstaatlicher und staatenbündischer Phänomene in der griechischen Staatenwelt der klassischen und hellenistischen Zeit. Antike ReligionsgeschichteIm Zentrum steht hier die Beschäftigung mit dem Verhältnis von Religion und Herrschaft. In diesem Zusammenhang leite ich im Rahmen des SFB 493 "Funktionen von Religion in antiken Gesellschaften des Vorderen Orient" das Teilprojekt C1 "Politische und wirtschaftliche Funktionen überregionaler Heiligtümer in der griechisch-römischen Staatenwelt". Historische Geographie und Landeskunde der antiken WeltDen Schwerpunkt dieses Forschungsbereiches bildet die historisch-topographische und archäologische Erforschung der nordwestgriechischen Landschaft Akarnanien. Hier leite ich seit 1992 gemeinsam mit Fachkollegen der Uni Freiburg, der HU Berlin, des deutschen Archäologischen Instituts und der griechischen Altertümerverwaltung in Patras (GR) umfangreiche Feldforschungsarbeiten. Darüber hinaus werden z. Zt. die bisher unpublizierten Inschriften dieser Region für die Publikation vorbereitet. Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen? Das Interesse an der Geschichte und insbesondere an der Alten Geschichte (unter Einschluss der anderen altertumswissenschaftlichen Teildisziplinen und hier vor allem der Archäologie) wurde bereits in der Schule geweckt und während des Studiums glücklicherweise auch nicht wieder erstickt, sondern durch einen universitären Unterricht gefördert, der er es mir ermöglichte, noch ungehindert durch allzu starre Studien- und Prüfungsordnungen schon sehr früh auch an Forschungsunternehmungen teilzuhaben. Dass ich dann die Geschichte zu meinem Beruf machen konnte, und zwar an der Universität und nicht - wie zunächst vorgesehen - an einem Gymnasium (als Lehrer), habe ich vornehmlich (für mich) glücklichen Umständen zu verdanken, da mir zur rechten Zeit (unmittelbar nach dem Staatsexamen) eine Assistentenstelle angeboten wurde. Eine solche Stelle war während meiner Studienzeit im Bereich der Alten Geschichte, in dem es damals noch keine Drittmittelstellen in nennenswertem Umfang gab, die einzige Chance, zwar befristet, aber doch längerfristiger an der Universität zu verbleiben. 2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste? Die Dominanz sozioökonomischer Fragestellungen hatte in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einer insgesamt wenig zuträglichen Polarisierung von "politischer Geschichte" und "Sozial- und Wirtschaftsgeschichte" geführt. Dass dieser Gegensatz zugunsten einer mehr ganzheitlichen, die kausalen Verknüpfungen zwischen den einzelnen Teilaspekten wieder stärker betonenden Sicht überwunden wurde, ist für mich die wohl folgenreichste Neuorientierung der vergangenen beiden Jahrzehnte, auch wenn die Debatte zum Teil Gefahr läuft, unter dem Deckmantel eines kulturgeschichtlichen oder auch kulturwissenschaftlichen Diskurses ins Grenzlosen - sprich: Konturenlose - abzugleiten. 2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Zumindest im Bereich der Alten Geschichte - aber wohl auch in den übrigen epochalen Teildisziplinen - erscheint mir u. a. eine stärkere Berücksichtigung juristischer und rechtshistorischer Perspektiven wünschenswert. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftspolitischer Debatten ist eine intensivere Beschäftigung mit dem Spannungsgefüge zwischen Gesellschaften und ihrer (im weitesten Sinne) "Verfassung" und der Ausbildung und Wahrung von Recht / Rechtsnormen notwendig. 2. d) In den Medien werden seit längerem unterschiedliche Zukunftsdiskurse geführt, die Lösungen und Wege zur Bewältigung der gegenwärtigen Krisen- und Umbruchserfahrungen (Umbau des Sozial- und Leistungsstaates, Krise der europäischen Verfassungsentwicklung, Terrorismus und Terrorismusbekämpfung, Auflösung überkommener Lebensformen und Werte u.a.m.) aufzeigen sollen.Historiker sind an diesen Debatten kaum beteiligt. Lassen sich aus historischen Krisen- und Umbruchsphasen keine Lehren ziehen, Erfahrungen und Einsichten vermitteln? Müssen wir Historiker die öffentliche Diskussion Juristen und Verwaltungsexperten, Wirtschaftswissenschaftlern und Militärs überlassen? Ich teile die Ansicht nicht, dass in der bisherigen Diskussion die Historiker(innen) keine Rolle gespielt haben. Gerade etwa in den Debatten über den Terrorismus oder die Ausgestaltung der europäischen Verfassung findet sich immer wieder der Rekurs auf die historischen Dimensionen. Allerdings könnten sich die Historiker(innen) vielfach noch stärker in die Diskussionen einbringen, ohne jedoch die Debatte zu einer Politikberatung im Stile eines Talkshow verkommen zu lassen. 2. e) Elite oder Eliten? Das Vertrauen in die Rolle und Prämierungsmodelle der Eliten moderner Gesellschaften scheint zu schwinden. Ist die Aufspaltung unsere Gesellschaft in funktional spezialisierte, oft aber unverbundene Hochleistungsbereiche (Wirtschaft, Politik-Verwaltung, Technik-Medizin-Wissenschaft) unvermeidlich? Oder bieten die gegenwärtigen Umbruchsszenarien die Chance zu einer Neudefinition auch dessen, was Bildung sein soll und wie Elitenrekrutierung und Bildung zusammenkommen? Die Auseinandersetzung um das, was Elite(n) ausmacht, ist derzeit zu einer sehr vordergründigen Debatte verkommen, die nicht zuletzt - vor allem mit Blick auf die Bildung - von einem bloßen Nützlichkeitsdenken geprägt ist. Ich bin gleichwohl optimistisch, dass es längerfristig in der Tat zu einer neuen Positionierung - nicht unbedingt einer Neudefinition - der Bildung kommen wird, die nicht mehr allein von quantitativen Faktoren und kurzfristigen Input-Outout-Überlegungen bestimmt sein wird. 2. f) Deutschland begibt sich auf die Suche nach Spitzen-Universitäten. Verträgt sich Geschichtswissenschaft über die bloße fachliche Professionalität hinaus überhaupt mit dem Elitegedanken? Die Diskussion um die so genannten "Elite-Universitäten" hat mittlerweile so abstruse Züge angenommen, dass ich mich dazu hier nicht mit einigen wenigen Worten äußern möchte. Die Frage nach dem Verhältnis der Geschichtswissenschaft zum Elitegedanken berührt dann noch ein ganz anderes Problemfeld, dass sich ebenfalls nicht dazu eignet, hier in einer knappen Skizze erörtert zu werden. 3. Stellen Sie bitte Ihren persönlichen Favoriten unter den historischen Büchern des Jahres 2003 kurz vor und erläutern Sie Ihre Wahl. (15-20 Zeilen.) Ich habe lange geschwankt, ob ich A. Winterlings "Caligula" oder St. Radt Neuedition (mit deutscher Übersetzung) der "Geographika" Strabons zu meinem Favoriten machen sollte. Ich habe mich dann doch für Radts Strabon-Edition entschieden, da sie fraglos zu den wichtigsten Neueditionen eines antiken Textes in den vergangenen Jahrzehnten zu zählen ist. Mit dieser Strabon-Ausgabe, die das Lebenswerk Radts darstellt, wird eine völlig neue Grundlage für die Beschäftigung mit diesem zentralen Werk der Antike geschaffen. |