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H-Soz-Kult
 

Das Historische Buch 2006

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Bildgeschichte - Geschichte der Bilder
Thematischer Schwerpunkt 2007
Publikumspreis

Außereuropäische Geschichte

Essay von Jochen Meissner für H-Soz-Kult

1. Rang (75 Punkte, 16 Voten)

Barth, Boris; Osterhammel, Jürgen (Hg.): Zivilisierungsmissionen. imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert. Konstanz 2005.

Neben der Überzeugung von der eigenen Überlegenheit rückt der Konstanzer Historiker Jürgen Osterhammel als zweite wichtige Charakteristik die "Erwartung einer gewissen Rezeptivität auf Seiten der zu Zivilisierenden". Dass diese Hoffnung nur allzu häufig trog, ist Gegenstand der meisten Beiträge. Gut gemeint ist halt nur selten auch gut gehandelt. Es ist gerade diese Spannung zwischen Borniertheit und Universalismus, Sendungsbewusstsein und krassem Herrschaftswahn, teleologischer Geschichtsbetrachtung und Entwicklungsnegation, Behauptung kultureller Überlegenheit und realem Unvermögen, Assimilationswahn und Assimilationsangst, die die Thematik so anregend und die Beiträge so lesenswert macht. Offenbar erfüllten diese Missionen verschiedene Funktionen: Sie dienten der Selbstvergewisserung und -verständigung ebenso wie der ideologischen Bindung der Eliten an das imperiale Projekt, der Herrschaftslegitimation gegenüber den Unterworfenen wie der Konstruktion von Alterität. Sie verändern nicht nur die Lebenswelten der "Objekte" dieser Mission, sondern auch die der ausübenden Akteure. Mit dem britischen Empire, Russland, Frankreich, Japan, Deutschland und den USA werden wichtige Imperialmächte der letzten drei Jahrhunderte untersucht. Birthe Kundrus für H-Soz-Kult

Die fast durchweg innovativen und anregenden Einzelstudien, die der Band versammelt, werden von konzeptionellen Überlegungen eingerahmt. Am Anfang steht eine Erörterung von Begriff und Begründung der Zivilisierungsmission aus philosophischer Sicht; Wolfgang M. Schröder wandelt hier allerdings auf den mittlerweile recht ausgetretenen Spuren von Jürgen Habermas. Wesentlich ergiebiger, ja das Glanzstück des gesamten Buches ist der Schlussbeitrag von Osterhammel. Ihm gelingt es meisterlich, die Ergebnisse der Einzelbeiträge in vergleichender Perspektive zusammenzufassen und gleichzeitig zahlreiche Aspekte zu entwickeln, die in eine mögliche Systematik zu diesem Thema einfließen müssten - das alles vor dem Hintergrund souveräner historischer Sachkenntnis in globaler Perspektive. Aber nicht nur diesem furiosen Finale ist es zu verdanken, dass dem Buch bescheinigt werden kann, zu einem bedeutsamen historischen Konzept viele wichtige Aufschlüsse vermittelt zu haben. Frank Becker für H-Soz-Kult


 

2. Rang (37 Punkte, 9 Voten)

Conrad, Sebastian; Osterhammel, Jürgen (Hg.): Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871 - 1914. Göttingen 2004.

Es ist das Verdienst des Sammelbandes, die verschiedenen Ansätze transnationaler Geschichte - von den stärker kulturwissenschaftlich geprägten "postcolonial studies" über den historischen Vergleich bis hin zur sozialwissenschaftlichen Globalisierungsforschung - zusammen zu führen und auf eine zentrale Epoche der deutschen Geschichte anzuwenden. Erst dadurch wird das enorme Deutungspotential transnationaler Geschichtsschreibung sichtbar. Der Band setzt damit nicht nur ein wichtiges Signal für die weitere Forschung, sondern dürfte sich auch als Reader für die universitäre Lehre bewähren. Alexander Nützenadel für H-Soz-Kult

"Transnational" war nicht immer und überall in, es lohnt aber, verschiedene Handlungsfelder nach dieser Eigenschaft abzufragen. Dazu leitet der vorliegende Sammelband, dem zahlreiche aufmerksame LeserInnen zu wünschen sind, an. Johannes Paulmann für H-Soz-Kult

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Band gelungen ist, denn er wird seinem Anspruch gerecht, mit Blick auf das Kaiserreich neue Perspektiven zu eröffnen. Das gilt nicht nur für die eingangs genannten drei Forschungsfelder, aus denen sich transnationale Geschichte speist, sondern auch für den Blick nach innen, denn eine transnationale Geschichtsschreibung schärft zugleich das Bewusstsein für Grenzen, die innerhalb von Gesellschaften verlaufen und zugleich über sie hinausweisen. Da eine Reihe von Beiträgen auf jüngeren Monografien der Verfasserin und Verfasser aufbauen, dokumentiert der Band darüber hinaus, dass die sogenannte transnationale Geschichte für all jene Historiker besonders attraktiv und anschlussfähig ist, die sich der Dominanz nationalgeschichtlicher Erzählungen entziehen wollen, ohne gleich eine Globalgeschichte schreiben zu müssen.
Nils Freytag (Archiv für Sozialgeschichte online)
http://library.fes.de/fulltext/afs/htmrez/80702.htm


 

3. Rang (33 Punkte, 8 Voten)

Krämer, Gudrun: Geschichte des Islam. München 2005.

Da bieten sich zusammenfassende Darstellungen an, die einen gediegenen, gründlichen und vollständigen Überblick über den Stoff geben, ohne sich in esoterischen Details zu verlieren, die den Blick auf eine Gesamtschau verstellen. Dazu leistet die bekannte, auch international renommierte deutsche Islamkundlerin Gudrun Krämer, die im gleichen Verlag schon durch eine umfassende Darstellung der "Geschichte Palästinas" hervorgetreten ist, mit ihrer jüngsten "Geschichte des Islam" einen hervorragenden Beitrag. Auf etwa dreihundert kompakt gefüllten Seiten gelingt es ihr, ausgehend von jener monotheistischen Universalvision des Propheten Muhammad (Mohammed), Entstehen, Werden und Vergehen der zahlreichen islamischen Reiche und Dynastien so darzustellen, daß ihre wichtigsten Herrscher sowie der Charakter der jeweiligen Herrschaft deutlich werden.
Wolfgang Günter Lerch (FAZ, 29.10.2005)
http://www.buecher.de/w1100485faz340653516X

Dieses Buch ist wunderschön gestaltet, die bunten Abbildungen, die der Leser erfreut betrachtet, machen das Buch dennoch nicht zu einem Bilderbuch - es ist eine ungemein ernsthaft und dicht geschriebene wissenschaftliche Abhandlung. Das Buch ist auch kein Nachschlagewerk, sondern will als Ganzes gelesen werden - und dennoch ist es ein Nachschlagewerk, denn es ist so gut gegliedert, daß man durchaus an einem Punkt in der Mitte des Buches ein oder zwei Abschnitte lesen kann, die in sich zusammenhängen. (...) Das Buch erzählt die Geschichte des Islam, dennoch ist es keine Geschichte der Muslime, sondern der Gesamtkomplex Islam mit seinen religiösen und säkularisierten Seiten, seiner Machtpolitik und seinem Umgang mit denjenigen, die nicht zum Islam gehören, wird detailliert beschrieben. (...)Diese Geschichte des Islam ist ein in jeder Beziehung gelungenes Buch.
Friedrich Niewöhner (FAZ, 19.10.2005)
http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html


 

4. Rang (32 Punkte, 11 Voten)

Laak, Dirk: Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert. München 2005.

Das Bild des Kaleidoskops drängt sich geradezu auf, wenn 185 Seiten ohne Anhang in 48 Unterkapitel und einen "Rückblick" unterteilt sind. Trotz des ernsten Themas haftet den Buch so auch etwas Spielerisches an, man kann es "schütteln" und sieht immer wieder ein anderes Bild. Damit empfiehlt es sich als Lesebuch, das theoretische und empirische Studien zu Imperialismus und Kolonialismus weder ersetzen kann noch will. Gesine Krüger für H-Soz-Kult

Hieran schließt sich die wichtige Frage vom Anfang und Ende der Kolonialidee. Dirk van Laak beantwortet sie überzeugend, indem er seine Studie nach vorne wie hinten hin offener gestaltet, als das bisher analog der Kategorien von Kolonisation und Dekolonisation zumeist üblich gewesen ist. So ist im Ergebnis ein perspektivenreiches und innovatives Buch entstanden, das die Erwartungen an eine Gesamtdarstellung des deutschen Imperialismus weit übertrifft. (...) Dass für dieses moderne Verständnis der Begriff der kolonialen Realgeschichte nicht ausreicht und Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert weit mehr als nur eine nachholende Kolonialmacht war, liegt auf der Hand. Es war auf seine spezifische Weise an der Raumerschließung der Welt beteiligt. Diesen Vorgang hat bisher keine Studie so eindrucksvoll und instruktiv erfasst wie die von Dirk van Laak.
Benedikt Stuchtey (Süddeutsche Zeitung, 13.03.2006)
http://www.buecher.de/w1100485sz3406528244

Eine griffig zusammenfassende Darstellung deutscher Imperialbestrebungen für Studenten der Geschichtswissenschaft und historisch Interessierte, die auch noch den Vorzug hat, gut geschrieben zu sein. (...) Immer wieder sind es gelungene Formulierungen und überraschende Wendungen, die die Beschäftigung mit Altbekanntem zu einer abwechslungsreichen Lektüre werden lassen.
Herfried Münkler (FAZ, 19.10.2005)
http://www.buecher.de/w1100485faz3406528244

Der Autor bietet am deutschen Beispiel einen gut lesbaren und dennoch anspruchsvollen Einblick in Vorgeschichte, Hintergründe und Verlauf des modernen Imperialismus. In seine Darstellung schließt er die Zeit nach dem "Verlust" der deutschen Kolonien im Ersten Weltkrieg ausdrücklich mit ein. Besonders aufschlussreich sind die Abschnitte über die Dekaden zwischen 1945 und heute. Van Laak sieht diese Periode durch den Übergang vom "nehmenden" zum "gebenden" Imperialismus charakterisiert. Seine Schlussfolgerung ist durchaus provokant: Deutschland habe sich vom imperialistischen Aufbruch weitgehend verabschiedet, der Trend zu subtileren, weniger evidenten Formen der imperialistischen Einflussnahme halte hingegen weiter an.
Andreas Eckert (Die Zeit, 13.10.2005)


 

5. Rang (31 Punkte, 6 Voten)

Diamond, Jared M.: Collapse. How societies choose to fail or succeed. New York 2005.

Diamonds jüngstes Werk, "Kollaps", ist ein atemberaubendes Buch. Selbstverschuldete Klimakatastrophen, Raubbau an der Natur, Zerstörung von Flora und Fauna durch den Menschen - dies ist sein Gegenstand. Indes, der Autor hieße nicht Diamond, begnügte er sich mit einer Bestandsaufnahme des Ökozids, der Zerstörung der natürlichen Umwelt durch den Menschen oder mit der Bestandsaufnahme der auf solche Zerstörungen folgenden Zusammenbrüche menschlicher Zivilisationen und Industrieunternehmungen. Ihm geht es um Ursache und Wirkung, um Lehren aus der Geschichte. Er fragt vergleichend, warum manche Gesellschaften derartigem Untergang entkommen konnten, andere aber zugrunde gingen. So findet er vier Faktoren, die mit jenen Schäden zusammentreffen: Klimaveränderungen, wie es sie zu allen erdgeschichtlichen Zeiten gab, die aber neuerdings anthropogene Ursachen haben, feindliche Nachbarn, freundliche Handelspartner und die intellektuellen oder organisatorischen Fähigkeit einer Gesellschaft, auf Umweltschäden zu reagieren. [...] Keine der von Diamond beschriebenen ökologischen Todsünden sei bestritten, ebensowenig, dass ihnen begegnet werden muss. Schon gar nicht bezweifle ich die wichtigste Botschaft des Buches, dass nämlich Menschen aus der Geschichte lernen sollten. Historiker der Alten Welt hätten freilich manch anderes Beispiel für Untergänge beizutragen: Altägypten, Altpersien, Athen und Sparta, Rom, Byzanz, das Reich Karls des Großen, das angiovinische Reich, das Königreich Sizilien, die Serenissima Venedig, die "Donaumonarchie", die Sowjetunion . . . Europäische oder asiatische Autoren hätten auch an die seit zwölf- oder achttausend Jahren, seit der Erfindung des Ackerbaus im heute versteppten oberen Euphratgebiet und seit der Ankunft der ersten Ackerbauern in Europa fortschreitende Bodenerosion erinnern können, an das Ende der römischen Kornkammern Afrika und Sizilien in frühbyzantinischer und muslimischer Zeit, an die dauerhafte Entwaldung der Adriaküsten durch Römer und Venezianer.
Johannes Fried (Süddeutsche Zeitung, 15.12.2005)
http://www.buecher.de/w1100485sz3100139046

Jared Diamond führt die soziale Frage über die Ökologie in den politischen Diskurs zurück - und zwar höchst eindrucksvoll, indem er sie mit anderen Kriterien wie der Umweltverschmutzung und der Ressourcenverteilung zu einer Frage auf Leben und Tod erklärt.[...] Damit all das nicht bloß suggestiv, sondern empirisch gedeckt erscheinen möge, hat Jared Diamond beträchtliche Anstrengungen unternommen: In sechzehn Kapiteln versammelt er Fallbeispiele von den Mayas bis zum China unserer Tage, versucht zu klären, warum die Dominikanische Republik und Haiti bei ähnlichen Ausgangsvoraussetzungen eine gegensätzliche Entwicklung genommen haben, und wagt sich bis zum Völkermord in Ruanda. Diamond ist ein detailversessener Panoramamaler, aber unter den vielen Farbschichten öffnet sich ein politischer Katechismus für unsere Zeit. Michael Jeismann (FAZ, 19.10.2005) http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F46...html