Anwort von Rudolf Ungvary Schmitz auf die Gegendarstellung von Thomas Schmitz vom 26.01.2000

Sehr geehrter Herr Schmitz,

nach Erhalt Ihres Briefes zaehlte ich alles nochmals zusammen. Sie haben recht: Es sind insgesamt 806 Abbildungen einschl. der Plakate, Buchtitel, Passbilder etc. Ich habe mich geirrt. Durch diesen Irrtum verschiebt sich der Anteil der Wehrmachtstaeter von 10 auf 12 %. Allerdings verschiebt sich der Prozentsatz der Sachfehler auch von 8 auf 10 %, nun auf Basis des geringeren Gesamtvolumens berechnet. Leider habe ich in der Zwischenzeit noch weitere falsche Bildzuordnungen entdeckt, so dass die Prozentwerte eigentlich fast bei den alten bleiben, wenn ich diese Befunde mit einbeziehe. Trotzdem ist es mir sehr peinlich, dass ich mich dermassen geirrt habe und deshalb bitte ich Sie und alle, die meine Texte gelesen haben, um Entschuldigung. Wahrscheinlich habe ich die Zahl aus der Presse ungeprueft uebernommen und davon dann alle feststellbar fehlerhaften Zuordnungen etc. abgezogen.

Allerdings veraendert dieser Irrtum nichts an der Tatsache, dass die Fehlerquote der Ausstellung viel zu hoch ist. Auch meine zweite Tabelle wird von diesem Fehler nicht beruehrt. Die ueberwiegende Mehrheit der Bilder ist nicht genau zuzuordnen und unter denen, die zuordbar sind, finden Sie 80, die eindeutig Wehrmachtssoldaten anzulasten sind, aber fast ebenso viele (71+ Musials Befunde) zeigen keine einfachen Wehrmachtssoldaten. Das ist fuer mich der Stein des Anstosses. Dazu kommen noch die zahlreichen Fehler, die Verzerrungen in den Begleittexten, die ich separat publizieren wollte.

Alle soziologische Untersuchungen, die ich kenne, zeigen, dass es (von extremen Ausnahmen abgesehen) einen sehr grossen Unterschied gab zwischen dem Alltag und der Mentalitaet der Wehrmachtssoldaten und Angehoerigen der SD-Polizei-SS. Auch im internationalen Vergleich schneidet die Wehrmacht als eine der diszipliniertesten Truppen ab. Es ist richtig, wenn darauf hingewiesen wird, dass im Osten eine andere Art von Krieg gefuehrt wurde wie auf den anderen Kriegsschauplatzen, aber die vorher genannten Faktoren gaenzlich auszuklammern ist m. E. unzulaessig. Selbst interne sowjetische Berichte stellten die ueberdurchschnittlichen Disziplin der Wehrmachtsoldaten fest und beklagen das zu gute Verhaeltnis zwischen Soldaten und Einheimischen. Beispiele hierfuer aus den Bereich der 6. Armee hat Epifanow gerade in seinem letzten Buch publiziert. Ausserdem sollte man am Rande doch zumindest erwaehnen, dass sich der Kriegsgegner im Osten nicht normal verhielt. Die deutsche Fuehrung pflegte Unmengen von Vorurteilen gegenueber der Sowjetunion, die sich fatalerweise nach den 22.6.1941 zu grossen Teilen bestaetigten.

Dank der Kooperationsbereitschaft des Hamburger Instituts fuer Sozialforschung werde ich nunmehr Gelegenheit haben, meine Einwande und Verbesserungsvorschlage persoenlich vorzutragen. Das hatte ich schon im Fruehjahr 1999 vor. Waere ich von Hannes Heer nicht unter unwuerdigen Umstaenden von seiner Konferenz ausgeladen worden und waere man statt dessen von Anfang an offen und konstruktiv gewesen, dann haette es wahrscheinlich keine so vernichtende Pressekampagne gegen die Ausstellung gegeben (und nicht nur die konservative/nationalistische Presse hat sich hieran beteiligt: die Medien, die ich kenne, waren - ausser die der linken Szene - fast alle dabei). Wenn Sie im Buch von Christian Gerlach ueber die deutsche Besatzung in Weissrussland, das vom Hamburger Instituts fuer Sozialforschung verlegt wurde, nachlesen (Kalkulierte Morde), dann werden Sie feststellen, dass die unrichtigen Behauptungen der Ausstellung in 18 verschiedenen Fussnoten sanft aber klar zurueckgewiesen werden. Gerne nenne ich Ihnen die Seitenzahlen. Wenn es um irdische Dinge geht, muss Kritik legitim sein. Deutschland hat im internationalen Vergleich weitaus das meiste getan, um seine Vergangenheit aufzuarbeiten. In keinem anderen Land wurden so viele Prozesse gefuehrt, so viele Buecher ueber das eigene Verbrechen verlegt, wie hier. Die Ausstellung vermittelt den Eindruck, dass bisher kaum was geschehen ist. Es ist richtig zu betonen, dass viele Taeter unbestraft davonkamen. Aber man soll nicht ausblenden, dass in Deutschland im Vergleich immer noch das meiste getan worden ist.

Mit freundlichen Gruessen

Krisztian Ungvary


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Ungvary Rudolf" <zungvary@mail.datanet.hu>
Subject: Re: Gegendarstellung: Ungvary - Wehrmachtsausstellung/Schmitz
Date: 27.01.2000


   

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