Umfrage zur politischen Stimmung nach der Debatte um das Hochschulrahmengesetz

Auswertung

Die Umfrage ist beendet, und die Ergebnisse sprechen für sich. 211 Personen haben sich beteiligt, überwiegend aus den historischen Fächern (52%). Die meisten Teilnehmer sind männlich (59%), zwischen 25 und 44 Jahren (82%), auf befristeten Stellen beschäftigt (59%) und haben ihren Wohnsitz in den alten Bundesländern (ohne Berlin, 72%).

Das Herz der Hochschulangehörigen schlägt noch immer mehrheitlich links: 72% bezeichnen sich in der Selbsteinstufung als "links" oder "eher links", nur 8% als "rechts" oder "eher rechts". Entsprechend konnten die Parteien der amtierenden Regierungskoalition bei der Bundestagswahl 1998 breiter Unterstützung aus akademischen Kreisen sicher sein: 84% gaben in der Rückerinnerung an, SPD oder Grüne gewählt zu haben. Die Grünen allein kamen der 50%-Marke nahe (47%). Nach knapp vier Jahren überwiegt Ernüchterung: Die Hälfte der Befragten stuft die Leistungen der Regierung gerade einmal als "mäßig" ein, nur gut 10% als "gut". Freilich geben mit 76% noch wesentlich mehr den Oppositionsparteien ein "schlechtes" oder "sehr schlechtes" Zeugnis. Nachgerade katastrophal ist die Bewertung der Forschungspolitik: 79% glauben, die forschungspolitische Bilanz der Bundesregierung sei "schlecht" oder "sehr schlecht", aber nur 25% sind der Auffassung, eine Regierung Stoiber könnte es besser.

Fraglos am meisten Verstimmung hat die im neuen Hochschulrahmengesetz vorgesehene Abschaffung der Habilitation als Regelvoraussetzung für Berufungen und ihre Ersetzung durch das Modell Juniorprofessur ausgelöst. 79% lehnen die Reform ab, quer durch die Anhängerschaften aller Bundestagsparteien. Entsprechend wird die von Bayern und Baden-Württemberg angekündigte Verfassungsklage gegen das Gesetz von den meisten begrüßt. Sie stößt bei 64% aller Befragten auf Zustimmung, am meisten bei den direkt betroffenen Hochschuldozenten (90%), am wenigsten unter den Studierenden (38%). Indes werden der Klage nur von 23% aller Befragten Chancen auf Erfolg eingeräumt. Eine Mehrheit von 55% gab an, "wahrscheinlich" oder "sicher" durch das neue HRG in der Wahlentscheidung beeinflußt zu werden.

Die schlechte Stimmung findet ihren Niederschlag auch in den Antworten zur Ausstattung von Hochschulen und Instituten sowie zu den Berufschancen für Nachwuchswissenschaftler. 47% beurteilten die finanzielle und personelle Ausstattung der Geisteswissenschaften an ihrer Hochschule/Universität "schlecht" oder "sehr schlecht", 68% meinten, sie habe sich in den vergangenen vier Jahren weiter verschlechtert. Allgemein bewerten 55% die Aussichten für den wissenschaftlichen Nachwuchs als "schlecht" oder "sehr schlecht", fast ebensoviele (51%) blicken skeptisch in die eigene Zukunft. Ein besonders trübes Bild von den Chancen im eigenen Fach zeichnen die Historiker: 82% halten die Aussichten in ihrem Fach für "schlecht" oder gar "sehr schlecht".

Entsprechend deutlich hat sich die politische Stimmung seit 1998 gewandelt: Besonders drastisch ging die SPD in der Sympathie der Befragten zurück (um 26%-Punkte auf jetzt 11%); auch die Grünen verzeichnen Einbußen (um 8%-Punkte auf 39%). Umgekehrt profitieren Union, FDP und PDS vom Stimmungswandel.

Sie können die vollständige Auswertung als pdf-Datei [172 KB] abrufen. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sei an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement gedankt.


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>, 25.06.2002


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Die Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus. Die Hochschulen spielen im Wahlkampf bis jetzt kaum eine Rolle, obwohl intern die Wellen hochschlagen. Die Debatten über das neue Hochschulrahmengesetz werden bezeichnenderweise in den Feuilletons der großen Tageszeitungen geführt, nicht im Politikteil. Um das Potential der Geisteswissenschaften in der Öffentlichen Meinung angemessen bewerten zu können, soll mit der folgenden Umfrage ein erstes Meinungsbild gewonnen werden. Dahinter steht die Idee, eine Plattform für die Interessen der geisteswissenschaftlichen Disziplinen und ihrer Vertreter zu schaffen, selbstverständlich parteiunabhängig und rein sachbezogen. Vor allem Geisteswissenschaftler/innen sollten sich daher - im wohlverstandenen eigenen Interesse - zahlreich beteiligen.

Erhoben werden im folgenden, selbstverständlich anonym und ohne jede Verpflichtung zur Auskunft, allgemeine personen-, forschungs- und hochschul- sowie politikbezogene Daten. Bitte nehmen Sie sich also ein wenig Zeit und senden Sie die ausgefüllten Fragebögen per Post bis zum 31. Mai 2002 an:

Dr. Michael Sommer
Universität Freiburg
Orientalisches Seminar
D-79085 Freiburg im Breisgau
sommermichael@yahoo.com

Kurz nach Ende der Deadline ist eine erste Veröffentlichung von Ergebnissen auf der Homepage von H-SOZ-U-KULT geplant. Ein Zurückverfolgen der Daten zu bestimmten Personen ist nicht möglich. H-SOZ-U-KULT wird im Rahmen der Mailing List über den Fortgang der Umfrage informieren. Die Datenerhebung dient allein wissenschaftlichen Zwecken, ist nicht parteigebunden und nicht kommerziell.


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>, 05.03.2002


1. Zwischenbilanz

Der Erfolg der Umfrage übertraf, noch vor Ablauf der ersten Woche, alle Erwartungen: Über 100 Fragebögen gingen bisher ein. Soviel kann verraten werden: Die Stimmung an Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstituten ist durchweg schlecht - und die Unzufriedenheit schlägt erwartungsgemäß auf politische Orientierungen und Wahlabsichten durch.

An alle Einsender, die mitgemacht, Zeit (und teilweise auch ein nicht geringes Porto) investiert haben, ergeht hier ein ganz herzlicher Dank. Um die Übermittlung der Fragebögen zu erleichtern und die Unkosten zu vermeiden, biete ich künftig auch an, die Bögen an meine eMail zu senden: sommermichael@yahoo.com - dann sollten Sie allerdings eine eMail-Adresse verwenden, die keine Rückschlüsse auf Ihre Person erlaubt. Bitte markieren Sie bei eMail-Versand Ihre Optionen durch Fettdruck oder Unterstreichungen.

Zahlreich waren die Zuschriften mit Anerkennung, aber auch Anregungen und Kritik. Kritik wurde vielfach, auch im Rahmen der Mailing List von H-SOZ-U-KULT, an der Frage "Besoldung von Professoren nach Leistung" geäußert - mit Recht. Dringend geboten wäre eine Spezifizierung gewesen: Gemeint war "Besoldung nach Leistung im Sinne des neuen Dienstrechts". Da aber viele die Frage in der unspezifischen Form wohl anders verstanden haben, möchte ich jetzt nichts mehr daran ändern und belasse es bei "Besoldung nach Leistung grundsätzlich". Ich werde auf diesen Punkt aber bei der Auswertung zurückkommen.

Nicht überraschen kann, daß die meisten Teilnehmer der Umfrage ihr akademisches Dasein auf befristeten Stellen fristen. Überproportional ist daher der universitäre Mittelbau vertreten. Gefragt ist aber auch die Meinung von Studierenden und Professor/innen. Wir alle in der Forschung sind, mittelbar und unmittelbar, von der Reform betroffen - wir alle sollten daher auch unsere Stimme erheben. Am stärksten vertreten sind, auch das erwartungsgemäß, die historischen Wissenschaften. Die Verzeichnung soll künftig durch die Verbreitung des Links auch über andere Netzwerke und die Presse ausgeglichen werden. Sie alle können etwas zur Steigerung der Publizität beitragen: Informieren Sie bitte Kollegen, Freunde und Bekannte von der Aktion, reichen Sie den Link per eMail weiter. Je größer die Resonanz, desto größer auch die Repräsentativität - und damit das politische Gewicht - der Umfrage.


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>, 19.03.2002


2. Zwischenbilanz

Sehr geehrte Listenteilnehmerinnen und Listenteilnehmer,

die Umfrage zur politischen Stimmung nach dem Hochschulrahmengesetz geht in die sechste Woche, und noch immer treffen täglich neue Fragebögen ein: bis heute über 170. Zeit, abermals eine Zwischenbilanz zu ziehen und mit ersten Schritten der Auswertung an die Listenöffentlichkeit zu treten.

Regional ist, kaum überraschend, das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen in der Umfrage am stärksten repräsentiert (bisher 35 Rückläufer). Es folgen Berlin (30), Baden-Württemberg (25) und Bayern (16). Bisher ist einzig das Saarland durch keinen Rückläufer vertreten. Nicht wenige Zuschriften trafen aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland ein.

Von den Teilnehmer/innen der Umfrage waren deutlich mehr männlichen (58 %) als weiblichen (42 %) Geschlechts. Demgegenüber nahmen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern jeweils mehr Frauen als Männer an der Umfrage teil.

Das Gros der Teilnehmenden ist dem Sektor der befristet Beschäftigten zuzurechnen: 42 % sind Wissenschaftliche Angestellte auf befristeten Stellen, 15 % Wissenschaftliche Assistenten, 5 % Hochschuldozenten, 2 % Lehrbeauftragte. 6 % sind fest beamtete Professor/innen, 18 % Doktorand/innen und Student/innen.

Insgesamt eine deutliche Mehrheit wird sich bei der im September anstehenden Bundestagswahl von der Reform des Hochschulrahmengesetzes und der einschlägigen Debatte beeinflussen lassen: 41 % geben an, daß die Reform "sicher" ihre Wahlentscheidung beeinflussen wird, für 15 % ist dies "wahrscheinlich". Ebenfalls 15 % werden "vielleicht" ihr Stimmverhalten an der Debatte orientieren. Für nur 6 % wird das HRG dagegen "sicher" keine Rolle spielen, 23 % lassen sich "wohl nicht" davon beeinflussen.

Ein deutliches Warnsignal an die politisch Verantwortlichen, denn insgesamt 77 % halten die im neuen Dienstrecht vorgesehene Ersetzung der Habilitation durch das Modell "Juniorprofessur" für "problematisch". Nur 18 % sehen darin eine "sinnvolle" Maßnahme, und 5 % können oder wollen sich in dieser Frage nicht äußern.

Diese Informationen basieren lediglich auf einer ersten Auswertung der Fragebögen. Selbstverständlich wird über den Server von H-SOZ-U-KULT weiter über den Fortgang der Umfrage informiert. Auch die Leser von "Forschung und Lehre" werden, nach Abschluß der Umfrage am 31. Mai, gründlich über die Ergebnisse informiert. Diagramme sind über die Website der Umfrage unter folgendem Link abrufbar:

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/BEITRAG/DISKUSIO/umfrage.html

Bitte informieren Sie auch weiterhin Kollegen, Freunde und Bekannte von der Umfrage. Mehr Teilnehmer/innen - verläßlichere Zahlen - größere Aussagekraft!

Mit den besten Grüßen aus Freiburg
Michael Sommer

Teilnehmer/innen nach Bundesländern (rot: weiblich, blau: männlich)

Teilnehmer/innen nach Bundesländern

Teilnehmer/innen nach Status

Beeinflußt durch das HRG

Beurteilung der Ersetzung der Habilitation durch Juniorprofessuren


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>, 18.04. 2002