Botengänge: Zur Geschlechtergeschichte von informellem Wissensaustausch (1500-1900)/ Passing the Word. Gender and Informal Circulation of News and Knowledge, c. 1500-1900

Botengänge: Zur Geschlechtergeschichte von informellem Wissensaustausch (1500-1900)/ Passing the Word. Gender and Informal Circulation of News and Knowledge, c. 1500-1900

Veranstalter
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte/ Geschlechtergeschichte, Historisches Institut, Ruhruniversität
Veranstaltungsort
Ort
Bochum
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.07.2011 - 02.07.2011
Deadline
03.01.2011
Website
Von
Dr. Xenia von Tippelskirch, Ruhruniversität Bochum - Dr. Pernille Arenfeldt, American University of Sharjah

Die Zirkulation von Informationen ist – u.a. im Rahmen von Überlegungen zu den Bedingungen und Auswirkungen heutiger Kommunikationsmittel und Massenmedien – aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen in ihrer jeweiligen historischen Verankerung analysiert worden. Untersuchungen zur Kommunikation haben sich dabei in der Regel auf formal bestimmbare Informationskanäle (z. B. Post) bzw. institutionalisierte Medien (z. B. Pressewesen) konzentriert, nur selten ist Kommunikation aus einer dezidiert geschlechtergeschichtlichen Perspektive betrachtet worden.
Das Ziel des geplanten Workshops Passing the Word – Botengänge ist es, die informelle Nachrichten- und Wissenszirkulation von der Frühen Neuzeit bis ins ausgehende 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Differenzen zu untersuchen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewirkten der massive Anstieg der Verfügbarkeit von Printmedien, die Expansion und Konsolidierung des Postwesens ebenso wie die Erfindung von Telegraph und Telefon weitreichende Veränderungen der Kommunikation. Der Workshop soll die Zeit bis zu diesen Veränderungen eingehend beleuchten. Den Überbringern von Briefen wurden bis ins späte 19. Jahrhundert zusätzlich zu den zu überbringenden Schriftstücken mündliche Instruktionen anvertraut, und sie konnten so dazu beitragen, familiäre/ private Kontrollmechanismen ebenso wie öffentliche Zensurvorschriften zu umgehen. Klatsch und Gerede bildeten den Boden für kollektives Handeln in semiprivaten und öffentlichen Räumen.
Der Workshop Passing the Word – Botengänge möchte die Aufmerksamkeit auf Bedeutung, Rolle und Geschlecht von Vermittlern oder “Go-betweens” (wie etwa BotInnen, SekretärInnen, VorleserInnen und informellen Netzwerken) lenken und Zeichen geschlechtlicher Determinierung informeller Kommunikationsprozesse sowie die konkreten Auswirkungen von geschriebenem und mündlichem Austausch behandeln. Dazu können Überlegungen gehören, ob und wie die Vermittler sich entlang etablierter Geschlechtergrenzen bewegten, bzw. sich darüber hinwegsetzten. Außerdem soll herausgearbeitet werden, wie Nachrichten, Wissen und Gerüchte zirkulierten, durch Boten mit Hilfe unterschiedlicher informeller Medien übermittelt und zuweilen grundlegend verändert wurden. Dieser Ansatz impliziert, dass im Fokus des Workshops in erster Linie die Mikroebene des zwischenmenschlichen Austausches stehen wird. Es ist daher zu erwarten, dass eine Reihe von Beiträgen die Bedeutung von Gerede und die Rolle von BotInnen in kulturhistorischen Fallstudien untersuchen wird. Tagungsbeiträge, die die Zirkulation von Nachrichten, Wissen und Klatsch theoretisch hinterfragen, sind ebenfalls sehr willkommen.
Folgende Aspekte können dabei in den Mittelpunkt gestellt werden:
− Wie wurden Botschaften, Wissen und Gerüchte übermittelt?
− Wann und wie wird verbale Kommunikation im Text sichtbar? Welche Quellen geben uns über ephemeren, aber häufig bedeutsamen Austausch von Nachrichten, Wissen und Klatsch Auskunft?
− Wie wurden mündlich überlieferte Nachrichten in unterschiedlichen historischen Kontexten bewertet – im Vergleich zur schriftlichen Kommunikation? In welchen historischen und sozialen Kontexten besitzen mündlich überlieferte Nachrichten größere Autorität als Geschriebenes?
− Wann und wie wurden Frauen zu Botinnen/”Go-betweens”? Haben Überbringer von Nachrichten besondere, geschlechtsspezifische Verhaltensweisen an den Tag gelegt?
− Lässt sich geschlechtsspezifisches Wissen nachweisen, dass entweder einen männlichen oder weiblichen Boten erforderte? Wie wurden z. B. Liebesbeteuerungen und andere Äußerungen, die zur Verortung innerhalb eines Beziehungsnetzes beitrugen, übermittelt? Musste der Übermittler ein spezifisches Geschlecht haben?
− In der Frühen Neuzeit konnte sich nur eine zahlenmäßig begrenzte Elite ein ständig verfügbares und weitreichendes Netz von Boten leisten. Weist das auf Kommunikationspraktiken und -formen hin, zu denen nur ausgewählte soziopolitische/ sozioökonomische Gruppen Zugang hatten? Wenn dem so ist, wie lassen sich diese voneinander unterscheiden und wie überschnitten sie sich?
− Wann sind Boten Diener und wann werden Diener zu Boten? Wie beeinflusst der ungleiche Status und Rang von Sendern, “Go-betweens” und Empfängern den Kommunikationsprozess? Wodurch erweckt ein Diener das Vertrauen, das für die Rolle eines “Go-betweens” in vertraulichen Angelegenheiten nötig ist? Was geschieht, wenn das Vertrauen gebrochen wird?
− Was ist Klatsch? Wann wird Gerede zu Wissen? Auf welche Weise können die spezifischen Kommunikationswege von Gerede dieses zu Wissen/Nachrichten verwandeln?
− Was bewirkte Gerede oder Klatsch? Wie konnte es in institutionell festgelegten Kontexten wirken, Regeln durchbrechen? Wann wird Gerede im Text sichtbar?
− Welche Rolle spielt die zeitliche Dimension der Übermittlung in Bezug auf die Wahl eines Kommunikationsmediums, wie beeinflusst Zeit/ Pünktlichkeit den Status und die soziale Wirkung von Nachrichten, Wissen und Gerede?
− Gerede ist in der Regel ein Produkt von Interaktionen: Auch wenn Aussprüche individuell performiert werden, kann der Inhalt zumeist auf kollektives Handeln zurückgeführt werden. Wie lässt sich daher bei einer Beschäftigung mit mündlich überbrachten Nachrichten unterscheiden zwischen individueller Agency und kollektivem Handeln - etwa im Falle des vorauseilenden Gehorsams, der dazu führen kann, dass Boten ihre Botschaften den Erwartungen der Empfänger anpassen?

Konferenzsprachen: Deutsch und Englisch
Der Workshop wird am 1.-2. Juli 2011 an der Ruhr-Universität Bochum stattfinden.
Die Kosten für Anreise und Übernachtung der Vortragenden werden vorbehaltlich der Finanzierbarkeit übernommen.

Einsendung der Abstracts (max. 500 Wörter) bis zum 3. Januar 2011 an folgende email-Adressen:
Xenia von Tippelskirch: xenia.vontippelskirch@rub.de oder
Pernille Arenfeldt: parenfeldt@aus.edu

Passing the Word. Gender and Informal Circulation of News and Knowledge, c. 1500-1900

Bochum, 1-2 July 2011
As a reflection of contemporary questions about mass media and communication, scholars from a range of different disciplines have presented both empirical and theoretical work on the circulation of information in the past and present. However, the existing literature is characterized by an emphasis on communication through formally defined networks (e.g. postal services) or institutionalized media (e.g. the press), and it is rare to encounter an explicit gender perspective in the existing analyses of communication.
The aim of the workshop Passing the Word is to examine informal and gendered circulation of news, knowledge, and gossip in early modern and modern societies; for the purpose of the workshop, the time period is defined as sixteenth to nineteenth century. The second half of the nineteenth century marks significant changes with regards to communication: the increased prevalence of printed media, the expansion and further institutionalization of postal services as well as the invention of the telegraph/telephone all contributed to far-reaching changes in communication modes. Until the late nineteenth century, messengers carried both written messages and verbally entrusted news and, as a result, they could play crucial roles in the circumventions of familial/private control mechanisms and publicly enforced censorship. Similarly, gossip and speech could pave the way for collective actions in the semi-public and public spheres.
Passing the Word seeks to bring attention to the range, roles, and gender of mediators or “go-betweens” (e.g. secretaries, messengers, informal networks, and readers), to the ways in which informal processes of communication were gendered, and to the consequences of both written and spoken exchanges. This may include reflections on the ways in which mediators navigated within and/or transgressed the boundaries defined by gender; and on the ways in which news, knowledge, and gossip have circulated, travelled, been “transported” and transformed by mediators as a result of the reliance on different informal media. These questions imply that the workshop is likely focus primarily on the micro-level of inter-personal exchanges and, as a result, it is to be expected that some papers will take a case study-based approach. However, the workshop also invites contributions that address the gendered circulation of news, knowledge, and gossip from a theoretical perspective.
Some of the questions that may be considered include:
- How have news, knowledge, and gossip been communicated?
- How and when does speech and/or verbal communication become visible in texts? Which sources can provide impressions of the more ephemeral, but often very important, verbal exchanges of news, knowledge, and gossip?
- How are verbally communicated news and gossip assessed in comparison to written communication in different historical contexts? In which historical and social contexts do verbally transmitted messages claim greater authority than written communications?
- When and how have women served as messengers/”go-betweens”? Do women and men manage the role as mediator in gender-specific ways?
- Can one identify gendered knowledge that requires the messenger to be either male or female? For examples, how have declarations/expressions of love been communicated? Do they require messengers to be of a specific gender?
- In early modern Europe, only the elites could afford to maintain a regular and more far-reaching network of messengers; does this imply that one can identify communication practices/modes that are specific to different socio-political/socio-economic groups? If so, how were they distinguishable and how did they intersect?
- When are messengers servants and when do servants become messengers? How does uneven status/rank of senders, “go-betweens”, and addresses impact communication processes? How does a servant develop the trust that is required for the role as “go-between” in confidential matters? What happens when this trust is broken?
- What is gossip? When does gossip become knowledge and/or news? In which ways can the dissemination and the methods of communication of gossip transform this into knowledge and news?
- What is the social impact of gossip? When and how does this become visible in the sources?
- What role does the temporal dimension of the dissemination play in the choice of media and how does time/timeliness influence the status and social impact of news, knowledge, and gossip?
- In the informal and verbal exchanges of news and gossip, how does one distinguish between individual agency and collective knowledge? Speech is in general a product of interaction and, although utterances are individually performed, the content cannot easily be ascribed to a single individual. Hence, when addressing questions of verbally mediated news, how does one distinguish between individual and collective agency in cases where a mediator had to/decided to adjust the message to the expectations of the recipient?
The workshop will take place on 1-2 July 2011 at the Ruhr-Universität Bochum. If funds can be secured, we will provide paper presenters with accommodation and meals. If the budget permits, travel costs may also be covered.
Conference languages: English and German
Please submit abstracts by 3 January 2011 (max. 500 words) to:
Xenia von Tippelskirch: xenia.vontippelskirch@rub.de
or Pernille Arenfeldt: parenfeldt@aus.edu

Programm

Kontakt

Dr. Xenia von Tippelskirch
GA 4/132
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte / Geschlechtergeschichte
Ruhr- Universität Bochum
44780 Bochum
Tel. +49/234/32/28542
xenia.vontippelskirch@rub.de


Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung