HT 2008: Wie gut sind unsere Fachzeitschriften? Qualitätssicherung in der Geschichtswissenschaft

HT 2008: Wie gut sind unsere Fachzeitschriften? Qualitätssicherung in der Geschichtswissenschaft

Organisatoren
Ulrike Gleixner, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel; Dietlind Hüchtker, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Christine von Oertzen, Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin; Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD)
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.09.2008 - 03.10.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Ulrike Gleixner; Dietlind Hüchtker; Christine von Oertzen

Verunsicherung macht sich breit angesichts der Behauptung, das double blind peer review sei das allein qualitätssichernde Verfahren für Fachzeitschriften. Da die deutschsprachigen historischen Fachzeitschriften, gemäß ihrer Tradition und Kultur, verschiedene Redaktionsverfahren zur Qualitätssicherung praktizieren, stellt sich die Frage, ob unsere Verfahren der Qualitätssicherung ausreichend sind oder ob wir uns in einer Qualitätskrise befinden. Die Politik der Förderinstitutionen ist eng mit dieser Diskussion verknüpft, und auch deshalb besteht die Notwendigkeit der Positionierung durch das Fach selbst. WerkstattGeschichte hat daher Sachverständige zu einem von Ulrike Gleixner, Dietlind Hüchtker und Christine von Oertzen konzipierten Expertengespräch eingeladen, in dem verschiedene Fragen diskutiert wurden: Gibt es eine Qualitätskrise? Lässt sich Qualität messen? Wie sichern unsere Zeitschriften Qualität? Sind diese Verfahren ausreichend, und wenn ja, welchen Handlungsbedarf gibt es, um sich in der gegenwärtigen Debatte zu positionieren?

Die eingeladenen Experten und Expertinnen wurden gebeten, die an sie gerichtete Frage mit den wichtigsten Aspekten des Problems kurz zu beantworten. Daran schloss sich eine Diskussion mit dem Publikum an. Die Experten und Expertinnen gaben am Ende noch ein Schlussstatement ab. Nach einer lebhaften und konzentrierten 90minütigen Präsentation und Diskussion lassen sich folgende acht Punkte als Ergebnis formulieren.

Erstens macht sich die Mehrheit der Diskutierenden deutlich für eine Pluralität von Verfahren der Qualitätssicherung stark. Verschiedene Verfahren sichern Qualität. Umgekehrt lässt sich feststellen: Allein das gewählte Verfahren, wie etwa double blind peer review, kann nicht die Sicherung von Qualität gewährleisten.

Zweiten werden Redaktionsverfahren vehement verteidigt und deren Stärken hervorgehoben, gerade auch, wenn Zeitschriften Themenhefte konzipieren. Die Zeitschriften sehen das Redaktionsverfahren als Kommunikationsform, als intensive und kreative Auseinandersetzung mit den Autoren und Autorinnen zur Qualitätsverbesserung der Beiträge an. Alle Redaktionsverfahren schließen peer reviews (Gutachten) mit ein, setzen aber auf zusätzliche Diskussion der Beiträge innerhalb der Redaktionen bzw. des Herausgeberkreises.

Drittens besteht der Wunsch nach selbstbewussterem Auftreten der Geisteswissenschaften hinsichtlich der praktizierten Kultur der Redaktionsverfahren.

Viertens sind Verfahren der Qualitätssicherung eng mit gewachsenen Wissenschaftskulturen verwoben. Diese müssen berücksichtigt werden.

Fünftens ist die ausdifferenzierte Zeitschriftenlandschaft in Deutschland ein Faktor der Qualitätssicherung. Sie basiert auf unterschiedlichen Redaktionsverfahren und ermöglicht auch, dass junge Autoren und Autorinnen veröffentlichen können.

Sechstens wird eine größere Transparenz der jeweiligen Redaktionsverfahren für Autoren und Autorinnen gewünscht. Es wäre zweckmäßig, das durch die Herausgeber angewandte Verfahren auf der Website der jeweiligen Zeitschriften zu skizzieren.

Siebtens wurde die Rankingliste für Zeitschriften der European Science Foundation mit dem Titel: European Reference Index for the Humanities (ERIH) einhellig abgelehnt. Mehrere Diskutanten und Diskutantinnen berichteten über den in England und Deutschland begonnenen Boykott dieser Beurteilungsliste (etwa durch Past&Present oder Berichte zur Wissenschaftsgeschichte und andere wissenschaftshistorische Zeitschriften), der mit Beifall begrüßt wurde.

Achtens werden die Internetpräsenzen der Zeitschriften neue Kriterien der Qualitätsmessung (Zählung von downloads einzelner Aufsätze, bessere Wahrnehmung kleinerer Zeitschriften) von Zeitschriften hervorbringen. Die Mehrzahl der Zeitschriften bzw. ihrer Verlage stehen einem offenen Zugang zu ihren Online-Versionen derzeit noch reserviert gegenüber. Mehrere Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Diskussion betonten jedoch, dass es im Sinne der Verfügbarkeit wichtig sei, vor allem ältere Jahrgänge kostenlos zum download zur Verfügung zu stellen, ein Verfahren, das einige Verlage (Klartext Verlag, Oldenbourg Verlag) eingeführt haben.

Neuntens sollten sich der Verband und die Herausgebergremien der Zeitschriften des Themas verstärkt annehmen.

Sektionsübersicht:

I. QUALITÄT MESSEN?:
Lässt sich Qualität in den Geisteswissenschaften überhaupt messen?
Welche Instrumentarien der Qualitätssicherung sind sinnvoll im Hinblick auf Zeitschriften?

Sonja Berghoff (Centrum für Hochschulentwicklung, Gütersloh)

Stefan Hornbostel (Berlin)

Cornelius Torp (Halle)

II. PRAXIS DEUTSCHSPRACHIGER FACHZEITSCHRIFTEN
Wie sichern Zeitschriften wie „Geschichte und Gesellschaft“, „Zeitschrift für Historische Forschung“, „WerkstattGeschichte“, „Historische Anthropologie“ und „Zeitschrift für Ideengeschichte“ ihre Qualität? Welche Verfahren werden angewendet? Welche Rolle spielt der Internet-Auftritt?

Rudolf Schlögl (Konstanz)

Barbara Stollberg-Rilinger (Münster)

Christine von Oertzen (Berlin)

Alf Lüdtke (Erfurt/Göttingen)

Helwig Schmidt-Glintzer (HAB Wolfenbüttel)

III. QS HISTORISCHER FACHZEITSCHRIFTEN IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
Wie steht es mit der Qualitätssicherung für historische Fachzeitschriften in den USA/in Osteuropa/Westeuropa? Was sind die dort praktizierten Methoden?

Helmut Puff (Ann Arbor): USA

Martin Schulze Wessel (München): Osteuropa

Christoph Conrad (Genf): Westeuropa