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Titel
Postvermerke auf Briefen 15.-18. Jahrhundert. Neue Ansichten zur Postgeschichte der frühen Neuzeit und der Stadt Nürnberg


Autor(en)
Helbig, Joachim
Erschienen
München 2010: Herbert Utz Verlag
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
€ 54,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Oswald Bauer, Brixen

Die Postgeschichte ist erst von der jüngeren historischen Forschung wieder aufgegriffen und bearbeitet worden. Dieses Buch lenkt nun die Aufmerksamkeit auf einen weiteren vernachlässigten Teil der Quellengattung Brief, nämlich die Postvermerke, und präsentiert in einem ausführlichen Katalogteil 450 dieser Postvermerke aus verschiedenen Sammlungen.

Einleitend gibt der Autor einen sehr gerafften und selektiven Überblick über die Postgeschichte und stellt verschiedene Varianten der Postvermerke vor. Eine Kontextualisierung und Systematisierung im Lichte bereits vorliegender Forschungsarbeit fehlt allerdings weitgehend. Richtig ist allerdings Helbigs Hinweis darauf, dass die Post gerade im 16. Jahrhundert nicht nur eine Einrichtung der Taxis-Familie war. Er spricht sich für einen sinnvoll erweiterten Postbegriff aus: „Dann stellt sich jede Institution als ‚Post’ dar, die neben ihrer Zugänglichkeit für jedermann Kriterien wie Regelmäßigkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Schnelligkeit und Entlohnung erfüllt“ (S. 10). Demnach seien neben der Taxis’schen Post sowohl städtische als auch fürstliche Botenanstalten als gleichwertig anzusehen. Bisher ist allerdings nur die Taxis’sche Post eingehend untersucht und erforscht worden – nicht aber weitere Botendienste. Demnach fehlen immer noch Forschungen zur Beförderungspraxis insbesondere der Botenanstalten im europäischen oder besser herrschaftsübergreifenden Kontext.

Helbig lenkt die Aufmerksamkeit in der Folge auf die postalischen Flächen der Briefe, die eine interessante Quelle für die Erforschung der Beförderungspraxis darstellen: „Diesen Zeichen nachzuspüren ist eines der Vorhaben dieser Arbeit, wenn auch kaum mehr als Anregungen gegeben werden können“ (S. 8). Postvermerke sind alle Vermerke, Zahlen und Zeichen, „die […] Bezug oder gar Einfluss auf die Beförderung hatten.“ Dabei handelt es sich also um eine Art von Metakommunikation, welche die am Geschäft der Post Beteiligten über dessen Modalitäten und Bedingungen informierte (S. 10). „Postvermerke sind demnach Ausdruck der unterschiedlichen Interessen der am Kommunikationsgeschäft beteiligten Personen und Institutionen. Sie versuchen, dadurch ihre Interessen durchzusetzen und zu sichern“ (S. 51). Demnach geht es nicht um die Adressierung, sondern vor allem um Bearbeitungszeichen durch die postbefördernden Institutionen wie etwa Francostriche, Rötelkreise, Andreaskreuze – um Zeichen also, die den Beförderern Auskunft über die Verrechnung und Bezahlung der Sendung gaben.

Tatsächlich konzentriert sich Helbig ausschließlich auf die postalischen Flächen der Briefe. Hierfür hat er die Briefe der so genannten „Trew-Sammlung“ sowie solche der „Corsini-Korrespondenz“ herangezogen. Die Trew-Sammlung wurde vom Nürnberger Arzt Christoph Jakob Trew (1696–1769) angelegt. Trew korrespondierte mit Medizinern in ganz Europa und sammelte Briefe weiterer Gelehrter aus früherer Zeit. Die Trew-Sammlung umfasst daher 19.000 Briefe von rund 2.200 Autoren aus dem Bereich der Medizin und benachbarter Wissenschaften. Sie wird in der Handschriftenabteilung der Universität Erlangen aufbewahrt.

Laut Helbig konzentrierten sich die Arbeiten zur Kommunikation des Spätmittelalters auf die Briefinhalte und ignorierten die Hinweise auf die Beförderungspraxis, da die Post keinen Platz im historischen Kommunikationsbegriff hat. Dies kann nach wie vor mit einer gewissen Berechtigung gesagt werden, doch hat der Autor sich nicht mit den in den vergangenen Jahren erschienenen Arbeiten zur Postgeschichte vertraut gemacht. Dementsprechend fehlt ein wichtiges Element, das es erlaubt hätte, Helbigs Fragestellung im Lichte des Forschungsstands zu kontextualisieren. Leider fehlt auch dem Katalogteil eine einleitende Bemerkung, welche die Kriterien der Auswahl der präsentierten Quellen erklären würde, so dass man etwas ratlos vor dem präsentierten Quellenmaterial steht.

Fazit: Der Autor stellt einen Aspekt der Quellengattung Brief vor, der bisher wenig Beachtung gefunden hat, und zeigt eine große Anzahl von Beispielen dazu. Was allerdings kaum geleistet wird, ist eine Kontextualisierung der Quellenaspekte, zumal aktuelle Forschungsergebnisse zur Postgeschichte nicht eingeflossen sind. Die vom Autor angedachte Analyse von Postvermerken und Postverträgen unter Einbeziehung der Hinweise aus den Brieftexten selbst, die etwas über die Beförderung aussagen könnten, hätte durchaus einen Ansatz geboten, von dem neue Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären. Präzise werden im Textteil Präsentationsformen und Bedeutung der Postvermerke geschildert. Dennoch arbeitet Helbig auch hier nur ansatzweise übergreifende Muster heraus. Was also bleibt, ist unter dem Strich eine umfangreiche Präsentation von Briefvermerken, deren Systematik und Auswahl sich dem Leser leider nur bedingt erschließt. Für ein wissenschaftliches Buch bietet diese Abhandlung wenig Substanz. Trotzdem gibt der Band Anregungen dazu, wie Postvermerke zu lesen sind und welche Informationen sie enthalten.

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