Titel
America as a Military Power. From the American Revolution to the Civil War


Autor(en)
Black, Jeremy
Reihe
Studies in military history and international affairs
Erschienen
Westport 2002: Praeger Publishers
Anzahl Seiten
248 S.
Preis
$26.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Wollschläger, Abt. Informationstechnik, Die Deutsche Bibliothek, Frankfurt am Main

In seinen zahlreichen Arbeiten zur Geschichte der Frühen Neuzeit, insbesondere zur Militärgeschichte, hat es Jeremy Black (University of Exeter) immer wieder verstanden, gern gepflegte generalisierende Konzepte zu militärisch-gesellschaftlichen Entwicklungen erfolgreich herauszufordern. Dabei liegt sein Schwerpunkt in der Regel nicht unbedingt darauf, ein umfassendes Gegenkonzept zu erstellen, sondern Fragen und Ideen zu liefern, die eine Neubewertung der historischen Konzepte ermöglichen. Dies ist auch in dem hier vorliegenden Werk Blacks Ansatz, mit dem er beabsichtigt, den so genannten „American military exceptionalism“ im Zeitraum von 1775 bis 1865 aus neuen Perspektiven kritisch zu bewerten. Die Wahl des Betrachtungszeitraums trägt beträchtlich zum Reiz des Werkes bei, da Black deutlich macht, dass er die auf 1865 folgende imperiale Rolle der USA als eine Folge der Entwicklung im untersuchten Zeitraum ansieht. Gleichzeitig unterstreicht der Autor, dass der amerikanische Weg eher eine Seite eines facettenreichen westeuropäischen Militär- und Kriegswesen darstellte, als dass er einen generellen Kontrast dazu bildeten (S. 3).

Black gliedert seine Betrachtung zu etwa gleichen Teilen in die fünf Abschnitte Unabhängigkeitskrieg, Krieg von 1812 (gegen Großbritannien), Amerikanische Kriege gegen die Ureinwohner, Mexikanisch-Amerikanische Kriege und Bürgerkrieg; dazu kommt – neben der Einleitung und den Schlussfolgerungen – ein Abschnitt zum politischen und sozialen Kontext der militärischen Entwicklungen. Die Beschreibungen der Konflikte sind im Rahmen der Zielsetzung des Buches durchweg umfassend, so dass auch Leser, die mit den Ereignissen an sich nicht völlig vertraut sind, einen guten Einblick in die wesentlichen Momente erhalten. Gleichzeitig bezieht der Autor stets Ereignisse bzw. Entwicklungen ein, die nicht nur den „Mainstream“ wiedergeben, sondern auch unerwartete Perspektiven eröffnen. Dazu seien im Folgenden einige Beispiele genannt.

Im Kapitel zum Unabhängigkeitskrieg gegen Großbritannien etwa beleuchtet Black auch die eher als Nebenschauplatz geltenden Versuche der amerikanischen Truppen, Teile des britischen Kanada zu erobern. Ebenso wird der „innere Bürgerkrieg“ zwischen Loyalisten und Patrioten innerhalb der amerikanischen Einwohner berücksichtigt. In seiner Bewertung des Krieges betont Black zum einen die speziellen Gegebenheiten in Amerika; zu nennen wäre hier etwa der Sieg der Rebellen bei Saratoga 1777, der einerseits britischen Fehlern, andererseits aber einer neuen, den Erfordernissen von Gelände und Ausbildung bzw. Stärke der Truppe angepassten Kampfesweise geschuldet war (gleichzeitig notiere man hier einen Merkpunkt, nämlich „that a field army could rapidly coalesce around a Continental core if the militia were sufficiently aroused“ (S. 16), was nun doch ein spezielles Feature auch der späteren Entwicklungen in größerem Maßstab bildete). Zum anderen zeigt der Autor, dass es beispielsweise keinen Kontrast zu europäischen Verhältnissen bildete, wenn die amerikanische Hauptstadt (damals Philadelphia) in die Hand des Gegners fiel, ohne dass der Krieg dadurch entscheidend beeinflusst wurde. Black verweist hier treffend auf die Beispiele von Wien 1741, Madrid 1706/1710 und 1808-13, Berlin 1760 und Moskau 1812.

Bei der straffen Betrachtung des Krieges gegen England 1812-1815 fällt auf, dass die extrem kleine Continental Army durch den Einsatz von zumeist Freiwilligen-Einheiten bzw. Milizen rechtzeitig ergänzt werden konnte. Dieser Charakter der amerikanischen Truppen verbietet einen direkten Vergleich mit den zeitgleichen napoleonischen Kriegen ebenso wie die deutlichen Unterschiede auf taktischem (z.B. das Fehlen von Massenartillerie) und auf strategischem Level (keine auch nur annährend vergleichbaren weiten, lang andauernden Feldzüge von extrem großen Heeren). Hier wird sichtbar, dass sich der behauptete „amerikanische Exzeptionalismus“ vielleicht eher eine zeitliche Verschiebung zu ähnlichen Entwicklungen in Europa und Amerika darstellen könnte, indem etwa viele Elemente napoleonischer Kriegführung (wie Massenheere, Massenartillerie) erstmals im amerikanischen Bürgerkrieg zu beobachten waren, während gleichzeitig der Bürgerkrieg zu vielen Elementen der europäischen Einigungskriege zwischen 1860 und 1871 vergleichbar war. Interessant dürfte der Befund von Black sein, dass die nach dem Krieg entstandene Monroe-Doktrin zum Zeitpunkt ihres Entstehens eigentlich unangebracht war, da die USA vor dem Bürgerkrieg nicht über die militärischen Mittelverfügten, in externe Konflikte ernsthaft einzugreifen. Die Doktrin war das Produkt eines durch Erfolg gestärkten Selbstvertrauens, da sich die Amerikaner schnell von jedem Fehlschlag erholten und lernten, besser auf ihre Gegner und auf die Erfordernisse ihres militärischen Systems zu reagieren (S. 66, 69).

Ein bemerkenswerter Aspekt der Blackschen Betrachtung betrifft den dezidierten Einschluss der Kriege gegen die Ureinwohner des Kontinents.1 Es mag nicht unbedingt eine neue Erkenntnis sein, dass letztlich das demografische Gewicht der Euro-Amerikaner gegen die Ureinwohner und ihre größere Migrationswilligkeit entscheidend für die Verdrängung bzw. teilweise Ausrottung der Ureinwohner war. Die These dass die Ureinwohnerkriege auf die amerikanische Militärgeschichte entscheidenden Einfuss ausübten, belegt Bläck mit einem Bündel von Argumenten. So verweist er darauf, dass die Ureinwohner erst nach dem Auslaufen ihrer Bündnisse mit anderen europäischen Mächten (Frankreich, England) von den Amerikanern entscheidend zurückgedrängt wurden, dass die amerikanische Armee dezidiert vergrößert wurde, um die Ureinwohner zu bekämpfen, dass der Impact der Ureinwohnerkonflikte wesentlich die Wiedereinführung der Kavallerie in der Armee 1833/36 beeinflusste, aber auch auf die strategische Rolle der Forts im Westen. Selbst nach dem Bürgerkrieg zeigten sich gewisse Schwierigkeiten, offensiv gegen die Ureinwohner vorzugehen, aufgrund der erneut starken Reduzierung der Streitkräfte, wie sie nunmehr nach jedem der betrachteten Kriege zu beobachten war. Wie Black ausführt, zeigten die Indianerkriege bis 1877 die Fähigkeit der amerikanischen Armee, ihre militärischen Methoden anzupassen und eine effektive Aktion-Reaktion-Routine zu entwickeln (S. 104).

Nur kurz seien noch zwei Gedanken aus der Analyse des Bürgerkrieges angeführt. Black lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die Konflikte im Osten Europas und gibt Beispiele, dass Länge und räumliche Dimensionen dieser Konflikte teilweise eher an amerikanische Verhältnisse heranreichen als an westeuropäische (S. 210). Er macht auch deutlich, dass man genauso wenig etwa nur die Deutschen Einigungskriege 1864-1871 betrachten darf, um europäische Kriegführung zu charakterisieren, wie man den amerikanischen Bürgerkrieg hauptsächlich mit diesen Einigungskriegen vergleichen sollte, nur weil sich beide Kriege zeitnah ereigneten. Momente „moderner“ amerikanischer Kriegführung fänden sich seit den Konflikten mit der britischen Krone und den Ureinwohnern, und selbst aus heutiger Sicht ließen sich entsprechend Entwicklungslinien aufzeigen.

Die bisherigen Beispiele mögen genügen, um die Vorgehensweise Blacks zu illustrieren. Es ist auf jeden Fall empfehlenswert, alle Abschnitte entsprechend aufmerksam durchzuarbeiten, um die breit gestreuten Hinweise auf Blacks Perspektiven aufnehmen zu können. Dieser Punkt betrifft vielleicht die einzige wirkliche Schwäche, die man der vorliegenden Untersuchung anlasten kann. In seinen „Schlussfolgerungen“ führt der Autor nicht alle wichtigen Erkenntnisse zusammen, wie man das erwarten sollte. Vielmehr finden sich hier in einer Reihe von Unterabschnitten weitere, oft neue Details und Aspekte.

Die Referenzen auf eingängige Studien zu den einzelnen Aspekten der Untersuchung sind umfassend; Details und Hinweise auf zeitgenössische Quellen bzw. Zitate faszinieren ein ums andere Mal, tragen jedoch eher zur Verwirrung bei als das Ergebnis zu unterstreichen.

Nichtsdestoweniger ist der inhaltliche Ansatz von Blacks Betrachtung durchweg gelungen. Es wird deutlich, dass keine amerikanische Ausnahmeentwicklung stattgefunden hat, sondern in vielerlei Hinsicht mehr Gemeinsamkeiten und Verbindungen zur westlichen Militärgeschichte mit z.T. deutlich verschobener Zeitachse festzustellen sind. West(europäische) Vorbilder beeinflussten im Übrigen nicht nur die USA, sondern etwa auch Mexiko (hier besonders das spanische und französische Militärwesen), eine deutlich schwächere militärische und wirtschaftliche Macht, die zudem von beträchtlichen politischen Unruhen und teilweisen Zerrüttungen geprägt war.

Einen Aspekt, der sicherlich spezifischer für amerikanische Verhältnisse war, bildete die trotz langer kanadischer und mexikanischer Grenze nach 1815 abnehmende militärische Spannung, die zudem nicht mehr die verwundbaren Zentren der USA bedrohten. Die nationale Grenze der USA war mit der imperialen stets identisch, demografische Expansionen erfolgten, nachdem die Souveränität über bestimmte Gebiete erlangt worden war. Auch musste nach Kriegen mit den Ureinwohnern nicht, wie etwa in Algerien durch Frankreich oder in Zentralasien durch Russland, der Widerstand großer Volksgruppen dauerhaft unterdrückt werden. Der Befund einer vergleichsweise kleinen Kernarmee, die durch Freiwilligenverbände rasch verstärkt werden konnte, bildet das deutlichste Markenzeichen des amerikanischen Militärsystems. Die Freiwilligenstruktur legte viele Aspekte zivilen Lebens über die militärischen Strukturen und Werte, was unter anderem dazu beitrug, dass amerikanische Truppen nie gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden konnten. Der Bürgerkrieg bildete in seinem Entstehen eher eine Ausnahme für amerikanische Verhältnisse, wobei hier eine politische Rebellion zu militärischem Separatismus führte, nicht umgekehrt (S. 213, 221). Im Ergebnis bietet Blacks Untersuchung eine interessante Sichtweise der Grundzüge militärgeschichtlicher Entwicklungen der Vereinigten Staaten, die durchaus helfen kann, das heutige Selbstverständnis amerikanischer Militärmacht historisch zu verorten.

Anmerkung:
1 Black vermeidet soweit wie möglich den Ausdruck „Indianer” und verwendet dafür, soweit irgend angebracht, den Ausdruck „Ureinwohner“ (Natives).

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