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Titel
Achaemenid history XIII: A Persian perspective. Essays in memory of Heleen Sancisi-Weerdenburg


Herausgeber
Henkelman, Wouter; Kuhrt, Amélie
Anzahl Seiten
XXI, 361 S.
Preis
€ 130,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Irene Huber, Institut für Alte Geschichte, Universität Innsbruck

Viel zu früh erlag vor mittlerweile fast vier Jahren die herausragende niederländische Forscherin Heleen Sancisi-Weerdenburg einem Krebsleiden. Sie galt als eine der Pionierinnen in der „Neu-Erforschung“ der Geschichte des antiken Persien. Durch die Zusammenschau altpersischer Quellen mit klassisch griechischen Autoren wie Herodot oder den Dramatikern konnte sie westliche Traditionen über das Achämenidenreich der historischen Realität entgegenstellen. Sie entlarvte nicht nur die angebliche Dekadenz des persischen Königshauses als Konstruktion griechischer Autoren,1 sondern zeigte unter anderem auch, dass die viel beschworenen Haremsintrigen als Möglichkeit sozialer Mobilität von Frauen zu sehen sind.2 Mit ihrem interdisziplinären Ansatz löste sie eine Bewegung innerhalb der Archäologie und Altertumskunde aus, sich mit Themen des antiken Persien und dessen Interaktion mit dem Westen neu zu befassen. Auf ihre Initiative hin fanden daher zwischen 1981 und 1990 zehn Achaemenid History Workshops mit internationalem wissenschaftlichem Austausch statt, deren Ergebnisse in zahlreichen wertvollen Publikationen fruchteten.

Im Frühsommer 2003 erschien nun die längst fällige letzte Ehrung seitens ihrer Kollegen, Schüler und Freunde in Form einer Gedenkschrift in der Reihe der von ihr begründeten Achaemenid History. Auf eine recht persönlich gehaltene Einleitung der beiden Herausgeber (S. XVII-XXI) folgt eine Bibliografie der Geehrten (S. 1-7). Neben ihrem bewundernswerten Fleiß wird besonders Sancisi-Weerdenburgs weit gestreutes Forschungsinteresse deutlich. So finden sich nicht nur Arbeiten, die sich im engeren oder weiteren Sinne mit der Geschichte Persiens beziehungsweise deren Rezeption in der griechischen Literatur befassen, sondern auch Betrachtungen zu Themen wie Frauengeschichte, antiker Kochkunst oder Sport.3 Der Hauptteil des Bandes vereinigt schließlich 14 Aufsätze anerkannter Experten in iranischer Archäologie, Philologie und Geschichte (S. 9-361).

Die ausgewiesene Kennerin persischer Reliefkunst Margaret Cool Root behandelt in ihrem Beitrag „The Lioness of Elam: Politics and Dynastic Fecundity at Persepolis“ (S. 9-32) ein aufgrund der Quellenlage schwieriges Thema: die Rolle von Frauen in der achämenidischen Kunst. Ausgangspunkt bildet die einzige eindeutig weibliche Figur am Apadana in Persepolis, eine Löwin, die sich zu ihren beiden Jungen wendet und als Geschenk der elamischen Gesandtschaft fungiert. Die Autorin stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Aktivität der Tiere – in Form der Kommunikation mit ihrer Mutter – im Gegensatz zur Statik der anderen Gesandtschaftsszenen beizumessen ist. Die elamische Gesandtschaft unterscheidet sich zudem in der Art der Kopfbedeckung und den mitgebrachten Waffen – beides Elemente, die in der achämenidischen Kultur Resonanz fanden. Besonders der Bogen als Symbol elamischer Königswürde wurde von den siegreichen Assyrern propagandistisch ausgenutzt, wie Reliefs aus Ninive belegen. Dort lässt sich auch ein Zusammenhang zur Löwenjagd herstellen, die man als Allegorie politisch-militärischer Dominanz Assyriens verstehen darf. Die Jagd auf Paare von Löwen und deren Haltung in Tierparks deutet Cool Root als symbolische Gefangennahme der königlichen Familie. Die Darstellungen am Apadana stehen im Gegensatz dazu in friedlichem Kontext: Hier wird kein Sieg präsentiert, Bogen und Waffen werden freiwillig als Geschenke gebracht, selbst die Löwin kommt mit intakter königlicher Würde und führt ihre Jungen an. Aus diesem Grund bieten sich für die Autorin zwei mögliche Deutungen der Szene an: In der Darstellung hat man entweder eine Erinnerung an die nicht länger existierende elamische Königsfamilie zu sehen, deren Nachkommen zu lebenslänglicher Gefangenschaft im Palast des Königs verdammt sind, oder - im Gegenteil - die friedliche Eingliederung des Hauses Elam in das neue Reich.

Dabei werden unterschiedliche Sitten in der elamischen und in der achämenidischen visuellen Tradition deutlich: Erstere stellt weibliche Figuren seit dem zweiten Jahrtausend bildlich dar, wogegen achämenidische Frauendarstellungen bis auf wenige Ausnahmen fehlen. In der öffentlichen Kunst zeigten die Achämeniden Frauen nur indirekt, wie am Apadana, durch ein weibliches Tier. Dass dieser Befund einen Widerspruch zur schriftlichen Evidenz darstellt, steht außer Zweifel. Bemerkenswerter ist in diesem Fall wohl die Bedeutung des elamischen Erbes für das neu entstehende dynastische Projekt. Für die Autorin ist die Löwin nicht nur Symbol des Bestrebens nach dynastischer Fortpflanzung, sondern sollte im größeren Kontext der Repräsentation des Apadana und des Palastes des Dareios gesehen werden, wo junge Löwen im Rahmen der Rituale der Königsinvestitur erscheinen. Zugleich ist das Tier ein Element, das die Akkulturation der Achämeniden in der Fars bezeugt. Der Beitrag reißt einige spannende Themen an, die verdeutlichen, dass in der Bildsymbolik trotz ihrer oft semantischen Polyvalenz sozialgeschichtlicher Erkenntniswert liegt.

Pierre Briant beleuchtet in seinem Aufsatz „À propos du roi-jardiner: Remarques sur l’histoire d’un dossier documentaire“ (S. 33-49) die Gefahren, die sich in der vermeintlich sicheren Identifikation eines ikonografischen Motivs aufgrund der Verbindung mit einem literarischen Text verbergen können. Ausgangspunkt ist eine Passage in Xenophons Oikonomikos (4,4ff.) über Aktivitäten des achämenidischen Königs als Gärtner. Diese wurde schon seit längerem mit dem im Vorderen Orient weit verbreiteten Topos vom König als Garanten von Fruchtbarkeit und Blüte des Landes verbunden. Als nun achämenidische Siegelabrollungen und kleinasiatische Münzbilder bekannt wurden, die einen iranisch gekleideten Mann hinter pflügenden Rindern zeigten, wurde ein kohärentes Bild hergestellt, wie es durch Sancisi-Weerdenburg im Jahr 1990 geschah.4 Es ergab sich daraus die Frage nach der Bedeutung des Zentrums für die ideologische Verbreitung bildlicher Motive an die Peripherie des Reiches. Briant wendet dagegen zu Recht ein, dass der pflügende „König“ nicht mit Sicherheit als solcher zu identifizieren sei. Überdies handle es sich um kein spezifisch achämenidisches Motiv, sondern um ein wesentlich älteres, in Mesopotamien und Iran bekanntes Sujet. Das Motiv sei vielmehr in persischer Zeit re-interpretiert worden, indem man lokale Elemente und iranische Gewandsitten einfließen ließ. Somit zeigt sich an den Siegeln und Münzen weniger Einfluss des Zentrums denn interkulturelle Nähe.

„Joseph Lindon Smith at Persepolis, 1935“ (S. 51-66) lautet der Titel von Ann C. Gunthers Betrachtungen über sechs in Persepolis entstandene Bilder des amerikanischen Künstlers J. L. Smith, die sich heute im Oriental Institute in Chicago befinden. Smith war in Archäologenkreisen besonders durch Kopien ägyptischer Reliefs und Malereien hervorgetreten, bevor er vom Leiter des Oriental Institute den Auftrag zur Reise nach Persien bekam. Über die Bilder hinaus existieren persönliche Aufzeichnungen des Künstlers über diesen Aufenthalt, die aufschlussreiche Beobachtungen eines Außenstehenden über interne Probleme der Persien-Expedition des Oriental Institute enthalten. Besonders das Vakuum in der Nachfolge Ernst Herzfelds und die Beziehungen der Expedition zur persischen Regierung scheinen für Konfliktstoff gesorgt zu haben.

Ursula Seidl stellt in ihrem Beitrag „Wie waren die achämenidischen Doppelprotomen-Kapitelle ausgerichtet?“ (S. 67-77) eine unveröffentlichte These Ernst Heinrichs vor, der einen neuen Rekonstruktionsvorschlag achämenidischer Säulenhallen darlegte. Anders als viele Archäologen denkt er an eine Längsstellung der Doppelkapitelle, die den Architrav trugen. Die Tiere blickten so dem Herantretenden vom Gebäude aus entgegen. Aus dem iranischen Kernland gibt es aus achämenidischer Zeit für diese Art der Säulenbekrönung keine Bestätigung in situ, wenngleich Heinrichs Vorschlag sowohl technisch als auch stilistisch plausibel erscheint. Um so bedeutsamer sind Ausstrahlung und Nachleben dieser Kapitelle im hellenistischen Orient beziehungsweise Kleinasien, was Heinrichs These unterstreichen würde. Vorläufer sieht Seidl wohl zu Recht in den in Elam und Mesopotamien weit verbreiteten Wächterfiguren an Toren oder in Wandpflöcken, die mit Mischwesenprotomen geschmückt waren.

Den Wert archäologischer Nachuntersuchungen verdeutlicht Rémy Boucharlats „Le Zendan de Parsagades: De la tour 'solitaire' à un ensemble architectural données archéologiques récentes“ (S. 79-99). Neuere geophysikalische Untersuchungen in Pasargadai belegten, dass der Turm nicht – wie bisher angenommen – alleine stand, sondern Teil eines größeren Architekturensembles in einem abgeschlossenen Areal war. Eine ehemals unterirdische Konstruktion aus kleinen Zellen, die als Stützen für Säulen gedient haben könnte, ist für den Autor Indiz eines hohen Gebäudes vor dem Turm. Reste zugehöriger Bauten kann Boucharlat auch für die relativ schlecht dokumentierte Ka’bah von Naqš-i Rustam wahrscheinlich machen. Somit vermag er die umstrittene Frage nach der Funktion der beiden Türme wenigstens zum Teil zu beantworten. Da der Turm an beiden Orten jeweils inmitten anderer Gebäude stand, ist eine Funktion als Grabmonument auszuschließen. Boucharlat findet eher die vorsichtige Bestätigung einer These Sancisi-Weerdenburgs,5 dass es sich bei dem Ort um die Krönungsstätte der achämenidischen Herrscher gehandelt habe – Pasargadai für Kyros, Naqš-i Rustam für Dareios. Auch wenn man für diese Zeremonien nur über spärliche schriftliche Informationen verfügt, darf man annehmen, dass eine relativ große Zahl an Beamten, Priestern, Dienern u.ä. anwesend waren. Der Raum im Inneren des Turmes wäre dafür wohl zu klein gewesen, weshalb Boucharlat wegen der Grundrisse der Bauten vor dem Turm und der Gesamtgröße der ummauerten Fläche eine offizielle, repräsentative Funktion des Ortes annimmt. Dass die mit der Krönung von Königen verbundenen Rituale gut in einen solchen Kontext passen würden, steht außer Frage; Sicherheit könnten allerdings nur ergänzende Funde von Realia oder Texten liefern, die bislang ausstehen.

Eine Annäherung an die mögliche Bedeutung des elamischen Wortes šumar versucht Sancisi-Weerdenburgs Schüler Wouter Henkelman in seiner Studie „An Elamite Memorial: The Šumar of Cambyses and Hystaspes“ (S. 101-72). Entgegen der früheren Ansicht, das Wort bezeichne einen Schafstall, kann Henkelman überzeugend darlegen, dass es sich eher um eine Art Grabmonument oder Hügel für hohe persische Adelige oder verstorbene Könige gehandelt haben dürfte. Als Argumentationsbasis dienen ihm vier so genannte letter-orders aus dem Persepolis-Archiv, die regelmäßige Lieferungen von Getreide, Mehl und Kleinvieh an die Hüter des šumar bestätigen und die er in den Kontext altpersischer, babylonischer und griechischer Überlieferung stellt. Neben einem šumar für Kambyses ist ein weiteres für dessen Gattin Upanduš (die volksetymologisch umgedeutete Phaidyme bei Herodot) sowie für Hystaspes, den Vater des Dareios, und dessen Töchter bezeugt. Henkelmans sehr komplexe Argumentationsführung kann an dieser Stelle nicht in extenso vorgestellt werden; hauptsächlich zweifelt er an der bisherigen Etymologie des Wortes šumar und der Übersetzung mit „Schafstall“, für den in den Archivtexten ein anderer Terminus verwendet wird. Dagegen macht er geltend, dass an der Aufsicht des šumar hohe Funktionäre (Chamberlains) beteiligt waren, eine spezielle Dienerschaft dort arbeitete und die Anweisungen für Opfer und Rationen von höchsten Beamten kamen - insgesamt ein recht großer Aufwand, wenn es sich nur um einen „Schafstall“ handelt. Henkelmans Aufsatz bietet überdies reichhaltige Ansätze für weitere Untersuchungen, die er an anderer Stelle zu leisten verspricht. Genannt seien hier nur seine Vorschläge zu einer neuen Datierung des Todes des Hystaspes, die Identifikation von Mitgliedern des Königshauses, die bislang nur aus persischen Quellen bekannt waren, die Unterscheidung verschiedener Gruppen von Dienern/Pagen, die Klärung der Aufgabenbereiche einiger Hofämter bis hin zu neuen Lesungen elamischer Wörter.

In bewährt überzeugender Manier setzt sich Josef Wiesehöfer in „Tarkumuwa und das Farnah“ (S. 173-87) für eine Zuweisung von kleinasiatischen Münzen mit der Legende Tarkumuwa (für den Autor der „Tarhu(nt)-Sachwalter“, S.180) an den aus klassischen Autoren bekannten persischen Rebellen Datames ein. Ausgehend vom numismatischen Befund stellt er die ansprechende These auf, dass die sich auf dem Revers einiger Münzen befindliche Flügelscheibe im Gegensatz zum so genannten Flügelmann, der das Farnah (griechisch daimon) des Großkönigs verkörpere, den persönlichen Daimon des Abgefallenen darstelle und zur Legitimation desselben diente. Wiesehöfer gelingt es, die unterschiedlichen Münztypen den verschiedenen Stadien der Karriere des Datames zuzuweisen. Unterstützung findet er dabei in der literarischen Überlieferung eines Diodor, Nepos oder Polyainos, die nach einer Phase der Loyalität des Datames als Satrap Kilikiens um 368 v.Chr. seine Insurrektion bestätigen. Erst durch Ermordung des Datames und Einsetzung eines besonders getreuen Satrapen konnte die Lage in Kilikien beruhigt werden.6

Deniz Kaptan gibt in seinem Aufsatz „A Glance at Northwestern Asia Minor during the Achaemenid Period“ (S. 189-202) einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der archäologischen Forschung für Nordwest-Kleinasien in achämenidischer Zeit. Besonders die Grabmonumente zeigen, dass sich eine bestimmte einheimische Gesellschaftsschicht persische Sitten oder auch Symbole achämenidischer Macht angeeignet hatte. Der Beweisführung dienen vor allem zwei Fundgruppen: Einerseits die Tumuli der Biga-Region mit ihren Sarkophagen, andererseits die Stelen und Relieffragmente der Gegend um Daskyleion. Kaptan kann die stufenweise Persianisierung der Oberklasse der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. zuweisen. Zeigten sich auf Sarkophagen, die der frühesten Phase achämenidischer Herrschaft zuzurechnen sind, noch keine persischen Elemente, erfolgte die Themenwahl knapp hundert Jahre später auf andere Weise: Waren zuvor noch griechisch beeinflusste mythologische Szenen bevorzugt, dominierten dann Jagd- und Kampfszenen in persischer Manier. Beachtenswert ist Kaptans Hinweis auf zeitgleiche Siegelabbildungen aus Daskyleion, auf denen wie am Çan-Sarkophag ein persisch gekleideter Jäger in einer Baumlandschaft dargestellt ist. Offenbar adaptierten die jeweiligen Künstler dasselbe Motiv für ihre verschiedenen Werkstoffe. Der archäologische Befund dieser Region ist somit einer jener seltenen Glücksfälle, der uns erlaubt, die Mechanismen kultureller Rezeption von Fremdelementen besser verstehen zu lernen.

Im geografisch selben Gebiet bleiben wir mit R. Gül Gürtekin-Demirs Aufsatz „Imported Painted Pottery from Asia Minor to Daskyleion in the Achaemenid Period“ (S. 203-26). Ausmaß und Bedeutung kleinasiatischer Keramikimporte nach Daskyleion erlebten im Vergleich zu früheren Perioden in den Anfangsjahren achämenidischer Herrschaft einen starken Rückgang. Es besteht zwar eine gewisse Kontinuität an verwendeten Mustern, im gesamten ist die bemalte Keramik jedoch auf wenige Vasenformen und Stile (Fikellura und Lydia) limitiert. Überdies lässt sich die Ware nur noch zwei Produktionszentren zuordnen: Sardes, unter dessen Herrschaft Daskyleion bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts v.Chr. stand, und Milet, über dessen Kolonie Kyzikos die Importe von Fikellura-Ware gehandelt wurden. Mögliche Ursachen dieses Wandels oder Erklärungen für den Niedergang werden bedauerlicherweise nicht weiter angeführt.

Welche Gründe Philipp II. dazu bewogen, das Rache-Motiv als Vorwand für seine eigenen Kriegspläne gegen das Achämenidenreich zu nutzen, erläutert Maria Brosius in „Why Persia became the Enemy of Macedon“ (S. 227-38). Um seine eigenen politischen Ziele in Griechenland verfolgen zu können, entwarf der Makedonenkönig eine ewig bestehende Feindschaft zwischen Persern und Griechen, die der historischen Realität Mitte des vierten vorchristlichen Jahrhunderts allerdings nicht entsprach.7 Stand doch das Athen jener Zeit dem Perserreich nicht mehr feindlich gegenüber, sondern neigte vielmehr zu einer Kooperation mit Persien, um eine Hegemonie Philipps über Griechenland zu verhindern, wie die Unterstützung Athens seitens der kleinasiatischen Satrapen im Jahr 340 bestätigt. Aufgrund der persischen Einmischung in griechische Angelegenheiten forcierte Philipp die so genannte „Befreiung“ der kleinasiatischen Griechenstädte und die angebliche Rache für Xerxes’ Invasion von 480. Dabei deckt gerade die Analyse der Beziehungen Makedoniens zu Persien im 5. Jahrhundert v.Chr. die Widersprüchlichkeit des Konstruktes auf: Makedonien war damals bekanntlich dem Großkönig loyal, leistete Tributzahlungen und stellte auch Truppen. Der eigene Medismos wurde daher im vierten Jahrhundert tunlichst aus der historischen Erinnerung gestrichen, da er mit der Vorstellung eines „Rächers für Athen“ inkompatibel erscheinen musste. Laut Brosius war diese Art der Propaganda nötig, weil Philipp erkannte, dass eine Allianz mit Athen und anderen griechischen Städten nicht auf friedlichem Wege herzustellen sein würde. Daher zwang er nach der Schlacht von Chaironeia die Griechen schnell in den gemeinsamen Kampf, der trotz andauernder griechischer Widerstände besonders unter Alexander seine Fortsetzung fand. Leider gibt die Autorin für ihre Annahme von einer zunehmenden Verbreitung dieser Geschichtsfälschung nach Chaironeia keine antiken Quellen an, die uns zeigen würden, wie man sich diesen Prozess konkret vorzustellen hat.

Bruno Jacobs geht in seinen Beobachtungen über „Mechanismen zur Konfliktbewältigung in der Verwaltungsorganisation Kleinasiens zur Achämenidenzeit“ (S. 239-63) der Frage nach, wie man interne als auch externe Konflikte innerhalb einer Satrapie, zwischen Satrapie und autonomen Gebieten oder auch zwischen Satrapie und Königshaus beizulegen suchte. Die Bewältigung lief auf allen Ebenen der Hierarchie gleich ab, indem die Provinzgrenzen den jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Instanz definierten, die einen Konflikt regeln sollte. So war beispielsweise beim Aufstand eines Stadtfürsten der Kleinsatrap zuständig, bei einer Rebellion eines Hauptsatrapen wie im Falle des Datames der Großsatrap (hier von Lydien). Erst wenn eine Ebene mit dem Problem überfordert war, schaltete man die nächst höhere ein, bei Datames in Form des vom Großkönig gesandten Chiliarchen. Bei aller Sympathie, die dieser Kompetenzverteilung entgegenzubringen ist, sollte das dahinter stehende Modell der Administration noch hinterfragt werden. Jacobs bezieht sich in seinen Ausführungen vorwiegend auf ein von ihm selbst aufgestelltes Verwaltungsmodell des Achämenidenstaates aus dem Jahre 1994.8 Dieses ist trotz seines hohen wissenschaftlichen Gehaltes nicht unumstritten, da ein modernes Verwaltungsverständnis zugrunde gelegt wird, das sich nur bedingt auf die Antike anwenden lässt. Überdies postuliert Jacobs eine konstante Gliederung der Satrapien seit Beginn achämenidischer Herrschaft, die Entwicklungstendenzen innerhalb des Verwaltungssystems oder die Bildung neuer Satrapien ausschließt. Demgegenüber spricht sich Hilmar Klinkott in seiner leider noch unveröffentlichten Dissertation 9 zu Recht für einen dynamischen Wandel aus, der auch Elemente der Verwaltungsordnung beeinflussen kann. Indes dürfte eine Kombination der Thesen beider Autoren – Kompetenzaufteilung innerhalb einer administrativen Struktur, die sich bis zu einem gewissen Grad entwickeln kann – der Realität wohl näher kommen.

Mathew W. Stolper widmet sich in seinem Beitrag „'No-one has exact information except for you'. Communication between Babylon and Uruk in the first Achaemenid Reigns“ (S. 265-87) einem besonderen Aspekt der achämenidischen Verwaltungsgeschichte, nämlich der Kommunikation zwischen dem Sitz des persischen Statthalters Gubaru/Gobryas und anderen babylonischen Städten in Bezug auf benötigte Arbeitskräfte. Gobryas fungierte dabei als oberste Autorität, die Inspektionen anordnen und Manipulationen in den Arbeiterlisten sanktionieren konnte. Tatsächlich wurden die Transaktionen zwischen Tempel und Herrschaft von einheimischen Mittelsmännern durchgeführt, die zumeist schon in neubabylonischer Zeit im Amt waren. Dass diese zuweilen auch für ihren eigenen Vorteil arbeiteten, machen die vorgestellten Texte deutlich. So nutzten sie beispielsweise das leicht fälschbare Material der Wachstafeln mit den Arbeiterlisten zu ihren Gunsten oder gaben nur einen Teil der Informationen an Gobryas weiter. Dies heißt jedoch nicht, dass diese Beamten nicht loyal gegenüber den neuen Herrschern gewesen wären. Das Gegenteil zeigt das Beispiel des Innin-ahhe-iddin, eines Tempelsklaven aus Uruk. Er stellte sich in der kritischen Phase zwischen dem Ende der Regierung des Kambyses, den Thronfolgewirren um Dareios und der Ernennung von Gobryas’ Nachfolger durch namentliche Bezugnahme auf Gobryas deutlich auf die Seite der Perser und nicht auf die Nebukadnezars IV. Stolper vermutet auf Grund verschiedener Indizien in den Briefen des Innin-ahhe-iddin, dass dieser eventuell selbst in die Ereignisse verwickelt war, indem er Truppen zur Begleitung des Dareios stellte. Sozialgeschichtlich interessant sind die Klagen der Tempelfunktionäre, dass ihre Kontingente von oftmals über hundert Mann zu gering seien, um die Aufträge des Satrapen erfüllen zu können. Überdies ist mehrmals von Hungertod, Flucht, Handel und ähnlichen Missständen die Rede, was eindrucksvoll den Arbeitskräftemangel in neubabylonischer und achämenidischer Zeit belegt.

Robartus J. van der Spek will in „Darius III., Alexander the Great and Babylonian Scholarship“ (S. 289-346) die babylonische Haltung gegenüber dem Perserkönig und Alexander untersuchen. Dabei kann er sich naturgemäß nur auf schriftliche Quellen einer Elite beziehen, da direkte Aussagen des gewöhnlichen Babyloniers nicht existieren. Umgekehrt will er aus den Reaktionen Alexanders auf Anordnungen der „Chaldäer“ dessen Meinung über die babylonische Wissenschaft aufzeigen. Aus Eklipsen und Sternomina der Zeit vor 331 geht hervor, dass die Astronomen das Ende von Dareios’ Regierung durch einen Invasor aus dem Westen sahen, der acht Jahre regieren und dem Land Reichtum bringen würde. Eine Verbindung zu Alexander bietet sich aus heutiger Sicht an, durch ihre konkreten Vorhersagen dürften sich aber bereits die babylonischen Astronomen bestätigt gefühlt haben. Bald mussten sie jedoch auch dem neuen König Unheil in Form einer Eklipse ankündigen, als er nach dem Indienfeldzug wieder nach Babylon wollte. Um den bevorstehenden Tod des Königs abwenden zu können, war es nötig, einen Ersatzkönig einzusetzen, der statt des Regenten dessen Schicksal zu erleiden hatte. Alexander fügte sich als „guter“ babylonischer König diesem Ritual und ebenso der Bitte der Astronomen, Soldaten für die Renovierung des Tempelturmes zur Verfügung zu stellen. Nicht nur hier zeigt sich, dass Alexander bewährte Traditionen in der Manier eines legitimen Nachfolgers der neubabylonischen Könige fortsetzte. Keilschrifttexte, die sich mit der Schlacht von Gaugamela, Alexanders Eintritt in Babylon, seinem beabsichtigten Bauprogramm oder der Vorbereitung eines Arabienfeldzugs befassen, belegen, dass Alexander die alten Kulte respektierte und von der Bevölkerung (auf Anordnung?) warm empfangen wurde. Aus anderen Quellen wissen wir aber, dass sich die anfangs positive Stimmung wegen der Ausbeutung durch den neuen Statthalter Harpalos, hoher Getreidepreise usw. wandelte, weshalb die Hoffnungen in der Rückkehr Alexanders aus Indien lagen. Diese wurden jedoch enttäuscht, da er viele hungrige Soldaten mitbrachte, Umbauten in der Stadt durchführte und sich insgesamt als Autokrator gerierte. Seine private Haltung gegenüber der babylonischen Wissenschaft ist aus den Texten nicht zu eruieren, da er aber die Ratschläge der Kundigen befolgte, ist es für van der Spek wahrscheinlich, dass Alexander tatsächlich von der babylonischen Zivilisation beeindruckt war.

Eine leicht modifizierte Version ihrer Inaugural-Vorlesung am University College von London 1998 bietet Amélie Kuhrts „Making History: Sargon of Agade and Cyrus the Great of Persia“ (S. 347-361). Neben der Darstellung der Ähnlichkeiten in den Erzählungen über Geburt und Machtergreifung der beiden Könige, will Kuhrt vor allem zeigen, wie diese Art von Geschichten „funktionierten“, das heißt, welchen Zweck man mit den Texten verfolgte. Sargon, Weltherrscher des zweiten Jahrtausends par excellence, bot sich als Vorbild für spätere Generationen regelrecht an. Bald nach seinem Tod entstanden fiktive Königsinschriften und zahlreiche Mythen, die seinen wunderbaren Aufstieg vom ausgesetzten Kind einer Hohepriesterin zum rechtmäßigen König verherrlichten. Neben der so genannten „Geburtslegende“ bot die sumerische Königsliste eine andere Version, in der Sargon nicht von königlichem Blut, sondern Usurpator von obskurer Abstammung war, der als Mundschenk des Königs die Macht an sich riss. Im ersten Jahrtausend zirkulierten beide Versionen in Mesopotamien, besonders die Geburtslegende wurde jedoch spezifisch politischen Zielen untergeordnet und konnte je nach Zweck manipuliert werden. So nutzte sie Sargon II., um die Irregularitäten seiner Thronbesteigung zu verbergen und zugleich sein politisches Programm darzulegen. Der Zweck der Geschichten lag also in einer Stärkung der Legitimität als Herrscher und Darlegung eines Modells für die eigenen politischen Ambitionen. Das führte zur Transferierung des Sargon-Motivs auf Kyros, dem im Gegensatz zu Sargon II. oder Nabonid die Weltherrschaft gelang. Die Verbindung des Achämeniden mit dem alten Heros Mesopotamiens, seine Opfer für Sargon, der Wiederaufbau von Akkad u.ä. zeigen die Bedeutung der Geburtslegende bei der Übernahme des babylonischen Thrones. In der Emphase auf Tugend, Ehre und Legitimität von Herrschaft sieht Kuhrt zu Recht Elemente eines öffentlichen Diskurses in Babylonien über das Recht zu herrschen. Dass neben der offiziell verbreiteten Geburtslegende, die uns auch bei Herodot begegnet, die Version von der unrühmlichen Herkunft des Königs (vermutlich mündlich) weiter tradiert wurde, zeigt Ktesias. Diese Erzählung vom Aufstieg eines no-name ließ in einer Gesellschaft mit geringer sozialer Mobilität extremen persönlichen Erfolg möglich erscheinen, selbst wenn er in der Realität nicht umzusetzen war. Jede der beiden Versionen arbeitete also auf einer anderen Ebene, war an ein anderes Publikum gerichtet. In den Erzählungen jedoch historische Fakten erkennen zu wollen, verbietet sich Kuhrt. Vielmehr sei die Fiktion institutionalisiert worden und hätte eine eigene Wahrheit bekommen.

Dass der Sammelband mehr als die Summe seiner Einzelbeiträge darstellt, ist nicht zuletzt der umsichtigen Redaktion der Texte durch die beiden Herausgeber zu verdanken. Einige Grammatik- und Druckfehler vermögen den positiven Gesamteindruck des Buches nicht zu vermindern. Allerdings bleibt der Rezensentin die Logik der Anordnung der Aufsätze verborgen. Es wäre sicher sinnvoll gewesen, die Beiträge, wenn schon nicht chronologisch, so doch wenigstens nach Regionen zu ordnen. Des weiteren hätte man sich eine deutlichere Vernetzung der Artikel gewünscht. So fehlt eine direkte Bezugnahme auf die Ergebnisse anderer Autoren des Bandes, selbst wenn es sich um ähnliche Themen handelt, wie im Falle der Rebellion des Datames, die von Wiesehöfer und Jacobs angesprochen wird. Auch mag es eher als störend empfunden werden, dass dem Band kein Index beigefügt wurde. Aber das sind Kleinigkeiten, die den Wert des Buches nicht beeinträchtigen können. Der Band bildet den würdigen Schlusspunkt eines reichen (Forscher-)Lebens und vermittelt zugleich Ausblick auf künftige Forschungsfelder. Somit darf der Hoffnung Ausdruck verliehen werden, dass das von Sancisi-Weerdenburg Begonnene in ihrem Sinne vollendet werden wird – indem die Forschung die „persische Perspektive“ weiter verfolgt.

Anmerkungen:
1 Sancisi-Weerdenburg, Heleen, Decadence in the Empire or Decadence in the Sources: Ctesias from Source to Synthesis, in: Dies. (Hg.), Achaemenid History 1: Sources, Structures, Synthesis, Leiden 1987, S. 33-45.
2 Sancisi-Weerdenburg, Heleen, Exit Atossa: Images of Women in Greek Historiography on Persia, in: Cameron, A.; Kuhrt, A. (Hgg.), Images of Women in Antiquity, London 1983, S. 20-33.
3 Vgl. an neueren Arbeiten z.B. Sancisi-Weerdenburg, Heleen, Over koken en kookboeken in de Oudheid 1-3, Hermeneus 67 (1995), S. 23-27; S. 151-156; S. 217-222; Sancisi-Weerdenburg, Heleen; van Maaren, Th. (Hgg.), The Magic of Olympic Fame. Flashbacks to the History of the Games, Utrecht 1996; Dies., De oorsprong van een haute cuisine, Phoenix 43 (1997), S. 93-102; dies., Vrouwen in de Oudheid, Hermeneus 69 (1997), S. 62-68.
4 Sancisi-Weerdenburg, Heleen, The Quest for an elusive Empire, in: Sancisi-Weerdenburg, Heleen; Kuhrt, Amélie (Hgg.), Achaemenid History IV: Centre and Periphery, Leiden 1990, S. 263-274 (in der Bibliografie Briants auf S. 49 fälschlicherweise als Band II bezeichnet).
5 Sancisi-Weerdenburg, Heleen, The Zendan and the Ka’bah, in: Koch, H.; McKenzie, D. N. (Hgg.), Kunst und Kultur der Achämenidenzeit und ihr Fortleben (AMI Erg.-Bd. 10), Berlin 1983, S. 145-151.
6 Im Zusammenhang mit dem Fortbestand der kilikischen Dynastie des Syennesis hat sich auf S. 184 ein Tippfehler eingeschlichen: Statt der im Text genannten „460er Jahre“, die jene Dynastie andauerte, muss es „360er Jahre“ heißen.
7 Ihre Aussage, Philipp und Alexander hätten bewusst historische Fakten zum Nachteil der Griechen verdreht (vgl. S. 230: “[...] deliberately manipulated and indeed perverted historical facts“), ist sicher richtig, allerdings setzten die Makedonenkönige lediglich bereits bestehende Klischees fort. Das Bild eines feindlichen Persien wurde (neben dem Bild eines Idealstaates) bekanntermaßen über das gesamte vierte Jahrhundert hindurch in der griechischen Literatur benutzt, um innergriechische Probleme zu thematisieren.
8 Jacobs, Bruno, Die Satrapienverwaltung im Perserreich zur Zeit Darius' III. (=Tübinger Atlas zum Vorderen Orient, Bh. B87), Wiesbaden 1994.
9 Vgl. Klinkott, Hilmar, Die Achaimenidischen Satrapen mit ihren Aufgaben und Kompetenzen. Eine Amtsdefinition, unveröffentlichte Diss., Tübingen 2001; zum Verwaltungsaufbau des Achämenidenreiches unter besonderer Berücksichtigung Kariens siehe Ders., Zur politischen Akkulturation Kleinasiens unter den Achaimendien: der Testfall Karien, in: Blum, Hartmut; Faist, Bettina; Wittke, Anne-Maria (Hgg.), Brückenland Anatolien? Ursachen, Extensität und Modi des Kulturaustausches zwischen Anatolien und seinen Nachbarn, Tübingen 2002, S. 173-204.

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