Cover
Titel
Machineries of Persuasion. European Soft Power and Public Diplomacy during the Cold War


Herausgeber
García, Óscar J. Martín; Magnúsdóttir, Rósa
Reihe
Rethinking the Cold War
Erschienen
Berlin 2019: de Gruyter
Anzahl Seiten
VI, 215 S., 3 SW-Abb.
Preis
€ 79,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Victoria Harms, Department of History, Johns Hopkins University, Baltimore

Mit diesem Buch legen Óscar J. Martín García (Madrid) und Rósa Magnúsdóttir (Åarhus) eine spannende, konzeptionell kohärente und inhaltlich überzeugende Sammlung von Fallstudien zum Austausch zwischen Ost und West während des Kalten Krieges vor. Der Band, der auf eine Graduiertenkonferenz von 2017 zurückgeht, leistet einen wichtigen Beitrag zum wachsenden Feld innerhalb der „Cold War Studies“, das sich mit Transfers, Austauschprozessen und eben der Durchlässigkeit des Eisernen Vorhangs auseinandersetzt. Er vertieft die paradigmatischen Arbeiten von Jessica Gienow-Hecht oder György Péteri und einschlägigen Sammelbänden wie „Divided Dreamworlds?“ oder „Beyond the Divide“.1

Die Herausgeber definieren „Public Diplomacy“ als Kontakte und niedrigschwellige Beziehungen im kulturellen Bereich zwischen ansonsten ideologisch verfeindeten Regimen (S. 4). Sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure suchten in der Zeit der Blockkonfrontation einen derartigen Umgang mit Bürger/innen anderer Länder. „Public Diplomacy“ war ein wichtiges Instrument zur internationalen Positionierung und Einflussnahme (S. 6). Entsprechend verweisen García und Magnúsdóttir auf Joseph S. Nyes Konzepte der „Soft Power“ und Gienow-Hechts Ausführungen zur Funktion der Kultur im Kalten Krieg.2 Der geographische Schwerpunkt des Bandes liegt, abgesehen von der Supermacht Sowjetunion, auf Europas Peripherie: Neben Spanien und Polen steht Skandinavien, vor allem Dänemark, im Vordergrund der transnationalen Arbeiten. Als bereichernd stellen sich die polyglotten Sprachkompetenzen der Autor/innen und die teils ungewöhnliche Auswahl der Quellen dar.

Einen gelungenen Auftakt macht Verity Clarkson mit einem Text zur Ausstellung „1,000 Years of Art in Poland“ in der Royal Academy in London 1970. Sie schildert, wie symbolisch und praktisch ein so facettenreiches Bild von Polen entworfen wurde, dass es verschiedenen Publika als Projektionsfläche dienen konnte. Spannend ist, wie viel Entscheidungsmacht die britischen Partner den polnischen Kuratoren überließen. Letztere bemühten sich, Polens wichtige Beiträge zur gesamteuropäischen Kunstgeschichte zu betonen (jüdisch-polnische Beispiele wurden generell ignoriert). Somit wirkte man aktiv gegen naive britische Annahmen, das typisch Polnische sei in der Folklore und in „primitiven“ Holzarbeiten zu finden. Obwohl einige zeitgenössische Kritiker bemängelten, dass der Versuch, möglichst europäisch aufzutreten, fast jedwedes Spezifische verwischt habe, beschreibt Clarkson die Ausstellung als einen ungewöhnlichen Erfolg des bilateralen Austauschs im Kalten Krieg.

Carlos Días und José M. M. Tamaral analysieren den Nutzen, den sich das spanische Regime unter General Franco von der Förderung der 1954 gegründeten „Festivals de España“ im In- und Ausland erhoffte. Anfang der 1950er-Jahre baute man zunächst die entsprechenden staatlichen Institutionen auf, um einerseits bildungsfernen Schichten kulturelle Ereignisse bieten zu können und andererseits westliche Touristen mit bekannten Kulturgütern wie dem Flamenco und der Copla-Musik anzulocken. Später investierte das Regime Millionen, um spanische Kulturgüter auch ins Ausland zu exportieren, beispielsweise in Form des Dokumentarfilms „El Camino Real“ von Samuel Bronston (1963) oder auf Tourneen durch die Bundesrepublik Deutschland, Argentinien und die USA. Somit beförderte das Regime Spaniens Rückkehr in die westliche internationale Gemeinschaft. Gegenbesuche aus dem Westen verliefen allerdings nicht immer erfolgreich. Den binären Vorstellungen vom Kalten Krieg zum Trotz lud das Regime Kultureinrichtungen aus dem Ostblock, unter anderem aus Rumänien, der Tschechoslowakei und sogar der „feindlichen“ Sowjetunion, zu Gastauftritten in Spanien ein. Mit der Demokratisierung ab 1975 wurde diese Förderung von Kultur und „Public Diplomacy“ zurückgefahren, der institutionelle Rahmen abgebaut; die „Festivals de España“ wurden 1985 gänzlich beendet.

Tea Sindbæk Andersen präsentiert eine spannende Analyse zu westlichen Jungbrigadiers, die zwischen 1946 und 1948 den Wiederaufbau Jugoslawiens unterstützten. Die Autorin nutzt Quellen der dänischen Kommunistischen Partei und frühe veröffentlichte Berichte Teilnehmender, unter anderem vom britischen Intellektuellen E. P. Thompson. Diese ergänzt sie mit drei aufschlussreichen Interviews, in denen sie ehemalige westliche Jungbrigadiers bittet, ihre Erfahrungen in Jugoslawien, ihr Verhältnis zu dem Land damals und seither darzulegen und in ihre Biographien einzuordnen. Deutlich wird, wie stark der eigentlich kurze Aufenthalt, die Begegnungen mit „gewöhnlichen“ Jugoslawen und der empfundene Sinn des Arbeitseinsatzes diese Lebensgeschichten prägten.

Zwei Beiträge setzen sich mit unabhängigen Friedensinitiativen in oder gemeinsam mit der Sowjetunion auseinander. Irina Gordeeva stellt die 1982 gegründete „Trust Group“ vor, die sich für Frieden und friedliche Direktkontakte zu Bürger/innen im Westen engagierte. Das Regime beharrte auf dem Monopol des offiziellen Sowjetischen Friedensrates als einzigem legitimem „Volksvertreter“ und drangsalierte die Aktivist/innen entsprechend. Letztere gewannen Bewunderer im Westen, unter anderem bei den gleichgesinnten Frauen im Greenham Commons Peace Camp. Doch ihre Ideen fanden zu Hause erst Verbreitung und Akzeptanz, als sie im Rahmen von Michail Gorbachevs Perestroika Teil der politischen Neuausrichtung der Sowjetunion wurden – dann aber ohne weiteren Bezug auf die „Trust Group“.

Ergänzend hierzu berichtet Kim Frederichsen von der dänischen (und schwedischen) Initiative „Next Stop Soviet“. Aufbauend auf Erfahrungen mit einer Tour ins amerikanische Atomwaffentestgebiet („Next Stop Nevada“) versuchten dänische Jungkommunisten Ende der 1980er-Jahre breite Unterstützung für Reisen und Festivals in der Sowjetunion zu gewinnen. Obwohl die Aufbauphase einer breiten Bewegung mit zahlreichen für eine derartige Bewegung nicht untypischen Herausforderungen verbunden war, gelang es, Gelder und Reisefreudige aufzutreiben. Unmöglich war es hingegen, trotz zahlreicher Koordinierungstreffen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, nicht-offizielle sowjetische Partner zu finden. Die Bilanz der Aktivitäten im Herbst 1989 ist somit durchwachsen: Eine Segelregatta von Helsinki nach Leningrad, ein Theater-Karavanzug oder eine CD mit sowjetischen und dänischen Rocksongs scheinen erfolgreich gewesen zu sein. Das Abschlussevent, ein Konzert in Moskau, sabotierten jedoch sowjetische Behörden.

Neben diesen Beispielen liefert Lisanne Wilken eine Analyse zum Eurovision Song Contest, speziell zu dessen Bezugnahme auf und Verbreitung in Osteuropa vor 1992. Julie Andersen studiert die Vermarktung der Bundesrepublik und der deutsch-deutschen Grenze als Attraktion für dänische Touristen in den 1950er- und 1960er-Jahren. Torben Gülstorff diskutiert den diplomatischen Wettbewerb zwischen der DDR und der Bundesrepublik auf dem afrikanischen Kontinent. Dabei argumentiert er, „Public Diplomacy“ der beiden deutschen Staaten sei eine „stumpfe Waffe“ gewesen (S. 85): Es sei nicht darum gegangen, die andere Seite negativ zu porträtieren, sondern die eigene zu bewerben. Simon Young präsentiert eine detaillierte, eindrückliche Studie des großangelegten Prestige- und Modernisierungsprojekts der Olympischen Sommerspiele in Moskau 1980.

Kurios erscheint, dass das Herausgeberduo den Titel „Machineries of Persuasion“ nirgendwo erklärt; auch die Einzelaufsätze bieten dazu keinen Aufschluss. Einige Beiträge lassen Fragen offen: Zum Beispiel irritiert, dass Young so gut wie gar nicht auf den Boykott der Moskauer Spiele eingeht oder Gülstorffs Hauptthese nicht eindeutig mit den ansonsten aufschlussreichen Belegen und Anekdoten, die er anführt, übereinstimmt. Gleichwohl ist der Sammelband inhaltlich wie konzeptionell schlüssig. Die Beiträge sind kurzweilig zu lesen und gut recherchiert. Allen, die Interesse an transnationalen Beziehungen trotz oder gerade wegen des Eisernen Vorhangs haben, bietet der Band eine informative und sehr empfehlenswerte Lektüre. Zudem eignen sich die Fallbeispiele als ausgezeichnete Vorlage für diejenigen, die den Kalten Krieg nicht nur als Konfrontation oder Wettkampf der „Big Players“ studieren wollen.

Anmerkungen:
1 Siehe u. a. Jessica Gienow-Hecht, Culture and the Cold War in Europe, in: Odd Arne Westad / Melvyn P. Leffler (Hrsg.), The Cambridge History of the Cold War, Cambridge 2010, S. 398–419; György Péteri, Nylon Curtain. Transnational and Transsystemic Tendencies in the Cultural Life of State-Socialist Russia and East-Central Europe, in: Slavonica 10 (2004), S. 113–123, https://doi.org/10.1179/sla.2004.10.2.113 (24.01.2020); Peter Romijn / Giles Scott-Segal / Joes Segal (Hrsg.), Divided Dreamworlds? The Cultural Cold War in East and West, Amsterdam 2012; Simo Mikkonen / Pia Koivunen (Hrsg.), Beyond the Divide. Entangled Histories of Cold War Europe, Oxford 2015.
2 Joseph S. Nye, Bound to Lead. The Changing Nature of American Power, New York 1990; ders., Soft Power. The Means to Success in World Politics, New York 2004; Jessica Gienow-Hecht / Mark C. Donfried (Hrsg.), Searching for a Cultural Diplomacy, New York 2010.

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