F. Brandl: Entstehung des Geldes zur Sicherung der Währung

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Titel
Von der Entstehung des Geldes zur Sicherung der Währung. Die Theorien von Bernhard Laum und Wilhelm Gerloff zur Genese des Geldes


Autor(en)
Brandl, Felix
Erschienen
Wiesbaden 2015: Springer Gabler
Anzahl Seiten
XV, 506 S.
Preis
€ 69,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations, Northeast Normal University Changchun (China)

„Geld regiert die Welt“ – diese zumeist moralisierende wie letztlich auch kapitulierende Aussage zur Macht des Finanziellen (nicht nur) in unserer Gesellschaft könnte kaum treffender die Faszination wie auch die Kritik am Geld zusammenfassen. So ist es ebenfalls kaum verwunderlich, dass bereits seit der Antike – hier prominent von Aristoteles (Pol. 1,9 1257a28–b4; Eth. Nic. 5,8 1133a) – Thesen zur Entstehung und Entwicklung des Geldes aufgestellt wurden und Erklärungsmodelle bis in heutige Zeit blühen und gedeihen.1 Worin könnte also der Sinn liegen, in einer Qualifikationsarbeit zwei ältere Theorien zur Geldentstehung von zwei Frankfurter Professoren aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu untersuchen, wie dies der Volkswirtschaftler Felix Brandl in seiner Dissertation im Rahmen des Graduiertenkollegs „Wert und Äquivalent“ an der Universität Frankfurt getan hat? Sind die Ansätze von Bernhard Laum und Wilhelm Gerloff nicht schon längst obsolet respektive von differenzierteren, innovativeren Ansätzen einer stets fortschreitenden Wissenschaft abgelöst worden? Nein, sind sie nicht! – das ist das zentrale Ergebnis der Studie, die nicht nur die Modelle der beiden Wissenschaftler feinziseliert auseinandernimmt und in den Kontext der Debatte um katallaktische beziehungsweise akatallaktische Geldentstehungstheorien stellt, sondern auch die bisweilen bewusst verzerrende Perzeptions- und Rezeptionsgeschichte der beiden Entwürfe aufzeigt sowie abschließend sogar einleuchtend eine moderne Anwendung zumindest der Theorie Gerloffs zur Kaufmacht des Geld in der aktuellen Finanzkrise bietet.

Zunächst verortet Brandl seine Darstellung im Rahmen einer kurzen Annäherung an die Fragestellung nach der Entstehung und Entwicklung des Geldes einerseits sowie im Umfeld der Frankfurter Universität andererseits (S. 1–29). Die weiteren Kapitel bieten dann eine Einführung in die geldtheoretischen Diskussionen am Anfang des 20. Jahrhunderts (S. 31–68) sowie – darauf aufbauend in zwei Teilen – die Analyse und Interpretation zu den beiden Autoren, wobei für beide in je eigenen (Unter-)Kapiteln die Biographie, die zentralen Thesen, die Rezeptionsgeschichte sowie die Bemerkungen des Autors folgen. Bezüglich dem von Brandl breiter untersuchten Werk von Wilhelm Gerloff schließen sich dann noch Anwendungskapitel zu dessen Begriff der „Kaufmacht“ in einem dritten Teil (S. 335–469) sowie ein prägnantes Schlusswort (S. 471–480) und das Literaturverzeichnis (S. 481–506) an.

In der Frage nach der Entstehung des Geldes wandten sich Laum und Gerloff gegen das damals vorherrschende katallaktische Erklärungsmodell, das – in vielfältiger Ausprägung, am wirkmächtigsten wohl durch den österreichischen Nationalökonomen Carl Menger – von einer Entstehung des Geldes aufgrund des Bedürfnisses im Tauschhandel ausgeht, also letztlich die aristotelische Erklärung aktualisiert. Beide von Brandl besprochenen Forscher werden daher der akatallaktischen Seite zugerechnet, die andere, außerhalb des Marktes und Tausches liegende Faktoren als bestimmend für die Geldentwicklung annimmt. Hier ist bis heute das Modell des Nationalökonomen Georg Friedrich Knapp maßgeblich, der staatlich-rechtliche Institutionalisierung, etwa die Steuerabschöpfung, als die Geldentwicklung forcierendes Element ausfindig macht.

Als eine Sonderform der Theorie Knapps ist nun nach Brandls Analyse Bernhard Laums „Heiliges Geld“ aufzufassen, der als Altertumswissenschaftler sein Wirken in Frankfurt begann, dann allerdings zu den Volkswirtschaften und an andere Universitäten wechselte. Für Laum entsteht Geld in der sakralen Sphäre, indem zunächst das Rind als Wertmesser bei der kultischen Opfermahlverteilung fungiere. Entscheidend hierfür sei die organisierende kultische Institution, welche die Distribution nach bestimmten Kriterien vornehme, das Rind als größtes Nominal also in kleinere Nominale (Anteile) teile. Aus der Unpraktikabilität des Rindes als Wertmesser fänden allmählich Stellvertreterprozesse statt, in denen das Rind durch sich darauf beziehende Opfergaben abgelöst werde, so etwa Bratspieße. Deren Material, Metall, führe später wiederum zum Metallgeld und dann der Münze, die das ursprüngliche Nominal (Rind) dann nur noch symbolisch spiegele. Insoweit ist nach Laum also stets ein rekurrenter Anschluss gewahrt, der dieses Nominalgeld ins Profane zu führen vermag. Brandl gelingt es hier zum einen zu zeigen, wie diese aus den Quellen schöpfende, aber sehr einseitig interpretierende Darstellung Laums aus dem Jahre 1925 sein ambivalentes Verhältnis zum Nationalsozialismus bedingte, das von der Faszination an der geschlossenen Ideologie einerseits und der Ablehnung des unwissenschaftlichen Vorgehens der Nationalsozialisten, insbesondere gegenüber seinen eigenen Studien, andererseits gekennzeichnet war. Brandl sichtete dazu erstmals umfangreiches, auch privates Archivmaterial zu Laums Leben. Zum anderen zeigt Brandl auf, dass die Rezeption des Werkes, teilweise bewusst, verzerrte Fortführungen hervorgebracht habe, indem die Geldentstehung selbst als sakral bezeichnet und zu zumeist den Kapitalismus kritisierenden Zwecken mit dem alttestamentarischen Bild des Mammons als Götzen instrumentalisiert worden sei. Ergänzend zur neuesten Rezeptionsgeschichte, die Brandl vor allem aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive betrachtet, sei erwähnt, dass neuere altertumswissenschaftliche Ansätze Laums Ideen erneut aufnehmen und diskutieren.2

Für Wilhelm Gerloffs Geldentstehungs- und Geldentwicklungstheorie arbeitet Brandl im Folgenden nicht nur dessen angenommene, später abgeschwächte Stufenfolge vom Hortgut über das Hortgeld hin zum Tausch- und Handelsgeld heraus, sondern zeigt auch den für Gerloff charakteristischen engen Konnex mit der gesellschaftlichen Sphäre auf. Indem Gerloff nicht den (rationalen) homo oeconomicus, sondern den homo ambitiosus als geltungssüchtiges Individuum innerhalb einer Gesellschaft postuliert, stratifiziert sich diese unter anderem mithilfe von Hortgütern und später Hortgeld als Distinktionsmerkmalen auf. Späterhin komme es dann zu einer Auflösung dieses Klassengeldes, da Geld sukzessive als Rechenmittel für alle eingesetzt werde. Dennoch sei Geld immer auch als soziales Geltungsmittel anzusehen, wobei es je nach den Umständen auch eine ganz unterschiedliche Kaufmacht entfalten könne.

Mit dem Begriff der Kaufmacht operiert Brandl sodann, um sowohl Gerloffs Nähe und spezifische Vorreiterrolle für die Neue Institutionenökonomie zu erweisen als auch seine eigene Analyse der heutigen Wirtschaftsordnung zu begründen. Diese fasst er als vorwiegend normativ, teilweise jedoch auch als sozial oder kulturell reguliertes System auf, innerhalb dessen institutioneller Rahmenbedingungen Geld seine Kaufmacht entfalten könne. Am Beispiel der Beschränkungen im Kapitalverkehr für Zypern – und man möchte ganz aktuell diejenigen für Griechenland ergänzen – weist er nach, inwieweit heterogene Beschränkungen der Kaufbreite und Kaufweite für ein Element innerhalb des Systems Auswirkungen auf die gesamte Systemeinheit nehmen können. Er kommt damit nicht nur dem (nicht erwähnten) Systembegriff Luhmanns näher, sondern vermag insgesamt aufzuzeigen, dass (Markt-)Wirtschaft eben nicht, wie zumeist angenommen, losgelöst vom Rest des sozialen Systems wirkt.

Somit wird für Laum und Gerloff deutlich gemacht, dass Geld, Gesellschaft und deren Ordnungsrahmen stets nur im Ineinandergreifen zu denken sind – eine Position, die anschlussfähig für die neue altertumswissenschaftliche Debatte zum Charakter antiker Ökonomien scheint.3 Ein großes Monitum und Herausforderung für jeden Lesegenuss stellt die offensichtlich nur marginal redigierte sprachliche Gestaltung und Präsentation der Studie dar. So finden sich zahlreiche Schreibfehler, und insbesondere die Interpunktion wird, trotz aller Freiheit der Neuen Rechtschreibung, geradezu anarchisch gehandhabt. Markant ist auch der wiederholte Absatz auf Seite 128, offenbar ein Satzfehler. Dessen ungeachtet legt Brandl eine fundierte Studie vor, die besonders mit der Position Gerloffs und dessen Begriff der Kaufmacht auch die Altertumswissenschaften zu inspirieren vermag.

Anmerkungen:
1 Vergleiche dazu die Zusammenstellung in Anmerkung 1 der Rezension des Verfassers zu Mark S. Peacock, Introducing Money, Abingdon 2013, in: H-Soz-Kult, 13.10.2014, <http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-23114> (26.08.2015).
2 Vergleiche nur das Programm des Internationalen Workshops „Money and Ritual in the Greco-Roman World“, 15.–16. Oktober 2015, Institut für Klassische Archäologie, Eberhard Karls Universität Tübingen, <http://www.uni-tuebingen.de/moneyandritual> (Stand 26.08.2015).
3 Zum Begriff der Ordnungsrahmen vergleiche Sven Günther, Einleitung, in: Sven Günther (Hrsg.), Ordnungsrahmen antiker Ökonomien, Wiesbaden 2012, S. 1–4; Ders., Framing the Financial Thoughts of Aeneas Tacticus. New Approaches of Theory to Economic Discourses in Antiquity, in: Journal of Ancient Civilizations 29 (2014), S. 77–86. Zur Anwendungsmöglichkeit der Neuen Institutionenökonomie vergleiche den Bericht zu Marburger Tagung (und bald folgendem Tagungsband) „Antike Wirtschaft und ihre kulturelle Prägung (2000 v. Chr. – 500 n. Chr.)“, 20.02.–22.02.2014, in: H-Soz-Kult, 02.06.2014, <http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5402> (26.08.2015).

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