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Titel
Reconquista und Kaiseridee. Die Iberische Halbinsel und Europa von der Eroberung Toledos (1085) bis zum Tod Alfonsos X. (1284)


Autor(en)
Caballero Kroschel, Miguel-Angel
Reihe
Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte 37
Erschienen
Anzahl Seiten
299 S.
Preis
€ 34,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wiebke Deimann, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Die Geschichte der Iberischen Halbinsel im Mittelalter in ihrer besonderen Prägung durch die dortige Existenz der drei monotheistischen Weltreligionen - dem Christentum, dem Islam und dem Judentum - hat in den vergangenen Jahren zunehmend auch das Interesse deutscher Forscher geweckt, nachdem sich außerhalb Spaniens und Portugals vor allem französische und englischsprachige Historiker mit dem Thema beschäftigt hatten. Standen die hispanischen Reiche lange Zeit am Rand der Wahrnehmung der deutschsprachigen Mittelalterforschung, so war es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts insbesondere der kastilische König Alfons X. der Weise (1252–1284), der sich aufgrund seiner Bemühungen um die römische Kaiserkrone auch die Beachtung einiger hiesiger Historiker sichern konnte.1

Die 2008 veröffentlichte Untersuchung von Miguel-Angel Caballero Kroschel, "Reconquista und Kaiseridee, Die Iberische Halbinsel und Europa von der Eroberung Toledos (1085) bis zum Tod Alfonsos X. (1284)", die von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg als Dissertation angenommen wurde, bringt nun diese beiden Interessenfelder an der iberischen Geschichte zusammen: das Kaisertum einerseits und andererseits die Reconquista, also die militärischen und ideologischen Bemühungen der Christen, die muslimische Herrschaft von der Halbinsel zu verdrängen. Caballero Kroschel fragt in seiner Studie "nach dem Zusammenhang zwischen Reconquista und Kaiseridee" (S. 9). Dabei sollen das "Gewicht der Betrachtung (…) auf das politische und militärische Vorgehen der christlichen Herrscher gelegt und die Rahmenbedingungen für ihre Herrschaft analysiert werden" (S. 9). Anders als seine Fragestellung und der Titel der Arbeit suggerieren, konzentriert sich der Autor auf einige Herrscherpersönlichkeiten aus Kastilien-León. Die übrigen hispanischen Reiche spielen in seinen Betrachtungen nur eine mittelbare Rolle in territorialen Auseinandersetzungen und dem Ringen um die Vormachtstellung auf der Iberischen Halbinsel.

Dementsprechend ordnet Caballero Kroschel seine Untersuchung zwischen zwei wichtige Daten in der Geschichte von Kastilien-León ein: Er beginnt seine Darstellung mit der Eroberung Toledos 1085 durch Alfons VI. von León und Kastilien und endet mit dem Tod Alfons' X. des Weisen von Kastilien-León 1284. Die Gliederung folgt - abgesehen von Einleitung und Zusammenfassung - dem chronologischen Prinzip und ist in drei Hauptabschnitte unterteilt. Das zweite Kapitel "Die Entwicklung der Reconquista und der Kaiseridee bis zum Jahr 1085" skizziert zunächst die historische Ausgangssituation. Die eigentliche Untersuchung besteht wiederum aus zwei Hauptabschnitten: Im Kapitel "Alfonso VI. und Alfonso VII. - Die Verwirklichung und das Wieder-Aufgeben der Kaiseridee", zeichnet der Autor den Weg Alfons' VI. zur Königswürde sowie - sehr ausführlich - die Eroberung Toledos und ihre Bedeutung in der alfonsinischen Herrschaftspolitik nach. Daraufhin geht er gesondert auf den Einfluss der Cluniazenser und des Rodrigo Díaz de Vivar, besser bekannt als "El Cid", auf die historischen Entwicklungen ein. Im zweiten Teil dieses Kapitels, "Der Höhepunkt der Kaiseridee", steht die Person Alfons' VII. im Mittelpunkt, beginnend mit der Herrschaftszeit seiner Mutter Urraca über seine Kaiserkrönung bis zu seinem Tod 1157, der zur erneuten Reichsteilung in Kastilien und León und damit vorerst zum Ende der imperialen Hegemonialstellung führte.

Der zweite Hauptteil "Alfonso VIII. und Alfonso X. - Das Ende der Almohadenherrschaft und das Streben nach imperialer Autorität" beginnt wiederum mit der Schilderung eines militärischen Ereignisses. Auf die Schlacht von Las Navas de Tolosa 1212, einem Wendepunkt in den militärischen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen um die Iberische Halbinsel, geht der Autor in insgesamt sechs Unterabschnitten ein. Es folgt ein Bericht über die historische Entwicklung seit "Las Navas" bis zur Einnahme Sevillas 1248 durch Ferdinand III. Der letzte Schwerpunkt liegt auf dem Versuch Alfons' X., die römische Kaiserwürde zu erlangen.

Diese Zweiteilung der Untersuchung in die Phase "Alfonsos VI., der mit der Wiedereroberung der alten Westgotenhauptstadt Toledo und der Führung des Kaisertitels eine Grundlage für ein wiedervereinigtes christliches Reich lieferte, und die Herrschaft des Kaisers Alfonso VII., der mit seiner Kaiserkrönung einen imperialen Hegemonialanspruch zum Ausdruck brachte", und zum anderen die Zeit Alfons' VIII. und Alfons' X., "da mit seinem [Alfonsos VII.] Sieg gegen die Almohaden […] eine christliche Dominanz auf der Iberischen Halbinsel hergestellt wurde, die zum Abschluss der Reconquista geführt haben könnte, zumal im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts König Alfonso X. erneut einen Versuch unternahm, die Kaiserwürde zu erlangen" (S. 10), überzeugt nicht. Die Definition des Autors lässt vielmehr auf mindestens vier verschiedene Phasen schließen. Eine stärkere Differenzierung hätte hier mehr Klarheit gebracht.

Im Anschluss an die Zusammenfassung der Ergebnisse und das Literaturverzeichnis liefert der Autor 16 Karten (S. 284-299), die dem Leser eine hilfreiche Orientierung über die in den zweihundert Jahren des Untersuchungszeitraums zahlreichen Veränderungen unterworfenen Herrschaftsräume bieten, jedoch sämtlich aus anderen Werken übernommen sind und daher unterschiedliche Qualität in der Abbildung aufweisen und in verschiedenen Sprachen beschriftet sind. Ein Glossar findet sich am Ende des Einleitungskapitels; ein Index wurde indes nicht erstellt.

Nach Auffassung der Rezensentin hätte die Definition einiger für die Studie grundlegender Begriffe für eine klarere Grundlinie sorgen können. An zahlreichen zentralen Stellen findet sich eine Verquickung mehrerer unterschiedlicher Aspekte wie der hegemonialen Ansprüche Kastiliens auf der Iberischen Halbinsel, dem tatsächlichen Führen des Kaisertitels und imperialen Ansprüchen auf das römische Reich, wie sie bei Alfons X. anzutreffen sind. Gerade auch im Hinblick auf den Untertitel der Studie, in der der Autor auf die Iberische Halbinsel und Europa abhebt, wäre hier eine präzisere Differenzierung - auch methodischer Art - wünschenswert gewesen. Der zweite für die Arbeit zentrale Aspekt ist die "Reconquista". Diesem komplexen und von der Forschung häufig problematisierten Begriff begegnet der Autor gleich zu Beginn seiner Arbeit stark relativierend: "Mit der Reconquista sind eine Reihe von Meinungen und Haltungen verbunden, die zu jeder Zeit Befürworter und Gegner fanden, angefangen von einer stolzen Rückbesinnung auf eine Zeit gemeinsamer tapferer Selbstverteidigung gegenüber muslimischen Invasoren, bis hin zur Ablehnung der Reconquista als Zeit des Krieges und der gewaltsamen Vertreibung muslimischer und jüdischer Bevölkerungsteile" (S. 9). Eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Thesen der Forschung zu diesem Thema wäre der Arbeit sicherlich zugute gekommen und hätte helfen können, das komplexe und von zahlreichen Faktoren bestimmte Phänomen der Reconquista in seiner Veränderlichkeit, gerade auch im Hinblick auf die ideologischen Grundlagen, greifbar zu machen. Hier wurde leider eine Chance vertan, die Reconquista einerseits und die imperialen Ansprüche hispanischer Herrscher andererseits ihren jeweiligen historischen Ausprägungen gemäß zueinander in Bezug zu setzen. Die Studie bietet daher kaum mehr als einen - weitgehend auf den klassischen Handbüchern und Lexika basierenden - Überblick über die Militär- und Herrschaftsgeschichte Kastilien-Leóns vom 11. bis zum 13. Jahrhundert.

Anmerkung:
1 Beispielsweise Arnold Busson, Die Doppelwahl des Jahres 1257 und das römische Königthum Alfons X. von Castilien. Ein Beitrag zur Geschichte des grossen Interregnums, Münster 1866; Alfons Schunter, Der Weströmische Kaisergedanke außerhalb des einstigen Karolingerreichs im Hochmittelalter, Univ. Diss. München 1925, 1926.

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