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Titel
Records Management. Ein Handbuch.


Autor(en)
Toebak, Peter
Erschienen
Baden 2007: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
605 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Michael Blatter, Historisches Seminar, Universität Luzern

Records Management ist kein Begriff, der in der Geschichtswissenschaft täglich diskutiert wird oder der gar im Geschichtsstudium grosse Aufmerksamkeit geniesst. «Leider», muss man anfügen, denn nach der Lektüre von Peter Toebaks Handbuch drängt sich die Prognose auf, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird. Records Management definiert Peter Toebak als «rationelle, wirtschaftliche und kontrollierte Erfassung, Benutzung, Verwaltung, Bewirtschaftung und Kassation betriebsinterner und prozessgebundener Daten und Dokumente mit Geschäfts- und/oder Rechtsrelevanz» (S. 591). Daten und Dokumente bzw. Records können dabei alle geschäftsrelevanten Unterlagen sein, die im Tagesgeschäft anfallen, auch und gerade wenn sie elektronisch vorliegen, sei es als E-Mail, SMS oder Eintrag in einer Datenbank. Sein Handbuch richtet sich an sämtliche Akteure, die sich in der gegenwärtigen Geschäfts- und Verwaltungswelt mit Records beschäftigen und sich daher mit den grundlegenden Kriterien eines tauglichen Records Management vertraut machen wollen – oder müssen. Dazu zählen in erster Linie Records Manager und Archivarinnen, Informationsspezialisten und Betriebswirtschafterinnen, aber auch Informatikerinnen und Juristen. Das Handbuch ist in 16 Kapitel gegliedert und beginnt einleitend mit der Konklusion. Darin erläutert Peter Toebak zusammenfassend, «was Records Management ist und wie man es organisieren und implementieren kann und soll» (S. 35). So müssen Arbeitsprozesse gerade angesichts der technischen Herausforderungen zunächst strategisch, organisatorisch und logisch und erst dann mittels Technik organisiert werden. So können nur die Konzepte der Masterdossierbildung, der hierarchischen Klassifikation und der Metadatierung gewährleisten, dass Records im gesamten Kontinuum ihres Lebenszyklus die getätigten Arbeitsprozesse nachvollziehbar und lückenlos dokumentieren und nicht im Chaos und der Entropie unkontrollierter Datenfluten untergehen. Je nach beruflichem Hintergrund des Lesenden ist die von Peter Toebak verwendete Terminologie nicht auf Anhieb verständlich oder wird die Tragweite der dezidiert empfohlenen Konzepte allenfalls nicht erkannt. In den 15 Kapiteln, welche auf die zusammenfassende Einleitung folgen, erläutert Peter Toebak ausführlich die Begrifflichkeit, das Basisgerüst und das Umfeld des Records Management, er beschreibt die Dossierbildung, die Prozesse, die Klassifikation, die Bewertung und Metadatierung und er illustriert anhand von Beispielen den Umgang mit E-Mail-Verkehr und Websites, die funktionalen und technischen Anforderungen oder das zu erwartende Return on Investment. Die Ausführungen werden von zahlreichen Grafiken illustriert und von einem hilfreichen Glossar begleitet. Dank geduldiger Wiederholung und redundanter Erklärung der wesentlichen Begriffe kann jedes Kapitel für sich selbst gelesen werden und das Handbuch als Nachschlagewerk im Arbeitsalltag dienen. Gleichzeitig wird dadurch auch dem elektronischen oder verwaltungstechnischenLaien ein guter Einstieg in die Anforderungen der Aktenführung und Schriftgutverwaltung der Gegenwart geboten. Und genau deshalb bietet das Handbuch auch für Historikerinnen spannende Einsichten – und zwar in die Quellen, die in den Verwaltungen und Unternehmen des beginnenden 21. Jahrhunderts dereinst vorliegen werden.

Peter Toebak formuliert in seinem Handbuch praktische Lösungsvorschläge für ein Problem, mit dem er sich als Records Manager konfrontiert sieht, nämlich der «Atomisierung der Bürokultur», dem Verschwinden zentraler Organisationseinheiten und dem «Verlust der Schriftgutkultur und Schriftguttradition» (S. 532). Es droht «Datenschrott», d.h. Aufzeichnungen, für die «nicht mehr genau feststellbar ist, wann, wie, von wem, wo und warum sie in welchem Zusammenhang erstellt oder empfangen wurden» (S. 103). Mit Unterlagen, deren Kontext nicht rekonstruiert werden kann, lassen sich Arbeitsprozesse nicht nachvollziehen, und es werden weder juristisch noch geschichtswissenschaftlich überzeugende Einsichten über das Verwaltungshandeln gewonnen werden können. Doch Peter Toebak, von Hause aus Historiker, geht nicht davon aus, dass dies «in 15 bis 20 Jahren noch der Fall sein wird» (S. 503). Zwar erfordere es «Knochenarbeit» (S. 145), die Konzepte des Records Management in den einzelnen Verwaltungen und Unternehmen umzusetzen, aber damit könne schliesslich die Nachvollziehbarkeit von Arbeitsprozessen gewährleistet werden. Wie man geschichtswissenschaftliche Quellenkritik bei einem elektronischen Masterdossier betreibt und die darin enthaltenen Daten plausibel interpretiert, kann man zur Zeit noch in keinem Handbuch für Historikerinnen nachlesen. Soviel sei vorausgeschickt, auch ein E-Mail, ein Auszug aus einer SAP-Datenbank oder ein TIFF als elektronische «Daten- und Unterlagen-Records sind das schriftliche Ergebnis der Geschäftsprozesse in und zwischen Organisationen» (S. 178) und sind damit nicht grundsätzlich anders zu bewerten als die bis anhin vertrauteren papierenen Akten. Dennoch ist die Überlieferung der elektronischen Quellen anspruchsvoller, mit mehr bewussten Arbeitsschritten wie Migration oder «freezing» der Daten zustande gekommen und es muss entsprechend noch genauer nach der Entstehungs-, Überlieferungsund Archivierungsgeschichte der Daten gefragt werden. Die Verfasserin der ersten Masterarbeit oder Dissertation, deren Quellen zum Jahr 2000 sich in Records Management Systemen finden, wird dankbar auf Peter Toebaks Handbuch zurückgreifen.

Zitierweise:
Michael Blatter: Rezension zu: Peter Toebak: Records Management. Ein Handbuch. Baden, hier + jetzt, 2007. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 58 Nr. 1, 2008, 200 S. 122-124.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 58 Nr. 1, 2008, 200 S. 122-124.

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