T. Nagel: Angst vor Allah?

Titel
Angst vor Allah?. Auseinandersetzung mit dem Islam


Autor(en)
Nagel, Tilman
Erschienen
Berlin 2014: Duncker & Humblot
Anzahl Seiten
422 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Richard Albrecht, Privatgelehrter

Nagel, Jg. 1942, ist ein deutscher Orientalist. Er lehrte von 1981−2007 als Professor für Arabistik und Islamwissenschaft an der Uni Göttingen und veröffentlichte mehrere als Standardwerke geltende Bücher, zuletzt seine Mohammed-Biographie (2008). Gegenwärtig wirkt Nagel als so sachkundiger wie prominenter Kritiker des Islam, der publizistisch gegen die, ihm auch personal bekannte, ganzdeutsche «politisch-mediale Klasse» nebst beiden dialogmanischen christlichen Amtskirchen, ihre proislamische Ideologie und Politik, anschreibt. Dabei betont Nagel im Sinne einer «nüchternen, wirklichkeitsnahen Wahrnehmung des Islam» zwei allgemeine Grundkonstanten: der Islam gehört, entgegen des bundespräsidialen Dictums 2010, noch immer nicht «zu Deutschland»; und die «politische Religion Islam» ist mit der «Leitkultur des demokratischen Rechtstaates» unvereinbar. Im Speziellen richtet sich Nagels Buch an zwei Hauptgruppen: säkularisierte, in der heutigen Neu-BRD lebende und im freiheitlich-demokratischen «Gemeinwesen» angekommene Muslime sollen «Argumente für das Gespräch» mit Vertretern der politmedialen Kaste erhalten und der «nichtmuslimische» Bürger «fundierte Aussagen, mit denen er die alltäglichen Schönfärbereien zurückweisen und die Saumseligen und Bequemen» dieser Leute «zur Wahrhaftigkeit auffordern kann. Druck von unten ist nötig …»

Das islamkritische Fachbuch faßt Nagels Aufsätze, teilweise gekürzt und aktualisiert, zusammen. Es ist materialreich, argumentiert auf verschiedenen Ebenen und ist didaktisch angelegt. Die Einführung ist zugleich leserfreundliche Zusammenfassung. Nagel kritisiert zunächst vier diskurszerstörende Tabus: i) die antilogische These «Den Islam gibt es gar nicht!», ii) «Die Auseinandersetzung mit dem Islam in seiner Eigenschaft als Religion verbietet sich ... nach muslimischer Überzeugung», iii) geht es um «den Zusammenhang zwischen den Aussagen autoritativer Texte und bestimmten bei vielen Muslimen beobachteten Rede- und Verhaltensweisen», und iv) um «‹Orientalismus› und ‹Alterität›» als Ausdruck des Fremden. Sodann kritisiert Nagel eingehend und fachwissenschaftlich die Rede Gaucks vom 3.10.2010 und ihre positive Aufnahme innert «der politisch-medialen Klasse Deutschlands». Abschließend geht es um den Vorrang des säkularen Staats gegenüber der als Religion ausgegebenen politischen Ideologie des Islam mit seinen totalitären Zügen und Besonderheiten wie schariatisches Rechtssystem und Fetwa genannte öffentlichen Rechtsgutachten führender Islamisten mit Todesdrohungen.

Auf den folgenden 350 Seiten variiert Nagel in vier Großkapiteln seine Islam(ismus)kritik sowohl im Grundsätzlichen als auch im Vergleich mit dem Christentum, zeichnet eingehend die Grundstruktur des Konflikts Gottesstaat vs. Säkularstaat nach und beschließt erfahrungsgesättigt auf gut 100 Seiten zum Komplex Mit Muslimen streiten. Zusammenfassend kritisiert Nagel, daß «angeblich auf Allah» zurückgehende islamische Aussagen typischerweise «als Wahrheit» unterstellt werden, was jeden Dialog verunmögliche, weist hin auf die besonders in Deutschland ausgeprägte Tendenz, Kritik am Schariaislam als «Islamophobie» zu kriminalisieren und hält die die Islamkonferenz bestimmten islamischen Verbände für nicht diskursfähig.

Sowohl in einem seiner Hauptargumentationsfelder, etwa im Ausblick «Schariatischer Islam und säkulares Denken» mit harter Kritik an Politik und Ideologie des Koordinierungsrats der Muslime in Deutschland, als auch Nebenbemerkungen wie der Kritik der «Neuen Türkei» atatürkscher Prägung mit verordnetem, inzwischen zerbröckelten, Laizismus von oben als Projekt der «politischen Elite» seit 1924 zeigt sich, daß Nagel als Islamkritiker sicher, überzeugend und kritisch argumentieren kann und auch Grundlagen islamischer Denkschablonen offen benennt: «Disputation, ja jegliche Form von Dialog bedeutet in dieser Sicht nichts anderes, als daß die Wahrheit der − angeblich auf Allah zurückgehenden − Aussagen des Islam stets stillschweigend vorausgesetzt ist.»

Den Band beschließen leserfreundliche mehrstufige Register zu Begriffen, Sachen, Personen, arabischen Termini und zu zitierten oder im Text erwähnten Koranversen zum gezielten Erschließen und Nachsehen.

Zitierweise:
Richard Albrecht: Rezension zu: Eric Geoffroy, Un Eblouissement sans fin, éd. Seuil, Paris, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 471-472.

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