T. Bischoff: Kunst und Caritas

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Titel
Kunst und Caritas. Leben und Werk der Kunstsammlerin, Mäzenin und Malerin Emilie Linder


Herausgeber
Bischoff, Teresa
Reihe
Schriftenreihe des Erlanger Instituts für Kunstgeschichte 2
Erschienen
Petersberg 2014: Michael Imhof Verlag
Anzahl Seiten
319 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Patrick Braun

Bereits den Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts galt Emilie Linder (1797–1867) wegen ihrer Originalität und Uneigennützigkeit als einmalige Persönlichkeit. Sie entstammte einem alten, vermögenden, reformierten Basler Geschlecht und zeichnete sich früh durch ihre künstlerische Begabung aus. 1824 zog sie nach München, um sich an der dortigen Kunstakademie zur Malerin auszubilden. In München lernte sie eine von Basel grundverschiedene Welt kennen: die Welt der katholischen Restauration, politisch kulminierend in der Regierungszeit König Ludwigs I. (1825–1848), künstlerisch geprägt durch die Malerschule der Nazarener um Peter Cornelius. Die geistige Welt der katholischen Münchner Spätromantik wurde Linders neuer Umkreis, in ihrer Wohnung am Karlsplatz traf sich zu Gespräch und anregendem Austausch regelmässig ein Kreis miteinander befreundeter Personen: Philosophen (Franz von Baader, Ernst von Lasaulx, Gotthilf Heinrich Schubert), Künstler (Peter Cornelius, Joseph Schlotthauer, Konrad Eberhard, Julius Schnorr von Carolsfeld, Heinrich Maria von Hess), Theologen (Johann Adam Möhler, Heinrich Klee, Daniel Haneberg), der Mediziner Johann Nepomuk Ringseis, der Dichter Clemens Brentano, der Publizist Guido Görres, der Musiker Kaspar Ett, um nur diese Namen zu nennen. Durch die Konversion zum katholischen Glauben im Dezember 1843 erhielt die Beziehung zur Vaterstadt Basel, wo Linder jedes Jahr einige Sommerwochen verbrachte, einen neuen Akzent: sie fühlte sich nun auch der rasch wachsenden katholischen Gemeinde in Basel zugehörig und unterstützte diese finanziell. Gegen Ende ihres Lebens begegnete sie in München dem neugewählten Bischof von Basel Eugen Lachat (1863–1884). Bereits vor dieser Begegnung hatte sie in ihrem Testament das Bistum Basel mit einem namhaften Legat zur Förderung der Priesterbildung bedacht. Das Linder-Legat wurde im Kulturkampf zum Streitobjekt zwischen dem Bischof und den liberalen Regierungen der Diözesankantone.

Zu Emilie Linders Bedeutung als Malerin, Mäzenin und Kunstsammlerin sind in jüngster Zeit gleich zwei einander ergänzende Publikationen erschienen: zunächst das Buch mit den Referaten eines Basler Kolloquiums, das 2011 aus Anlass des 125. Jubiläums der Marienkirche durchgeführt wurde (Patrick Braun/Axel Christoph Gampp [Hg.], Emilie Linder, 1797–1867. Malerin, Mäzenin, Kunstsammlerin, Basel, Christoph Merian Verlag, 2013 [=Beiträge zur Basler Geschichte], 303 S.); ein Legat Linders diente als Anschubfinanzierung dieser ersten nach der Reformation in Basel erbauten katholischen Kirche. Zwölf in und ausländische Referentinnen und Referenten von hoher Kompetenz (u.a. Universität Basel, Staatsarchiv, Historisches Museum und Kunstmuseum Basel) näherten sich aus unterschiedlicher Optik der Person Linders. Alle schöpften aus ihnen von der Fachrichtung (Gender History, allgemeine Geschichte, Kunst und Literaturgeschichte) bekannten, zum Teil entlegenen, zum Teil neuentdeckten Quellen, um die Herkunft und den Bildungsgang, die Persönlichkeit und den kulturellen Kontext dieser Frau des 19. Jahrhunderts nachzuzeichnen. Dabei wurden aus erster Hand das Umfeld der Nazarener und der deutschen Künstlerinnen der Romantik, Linders malerisches Werk, ihre gesellschaftliche, für die Wahlheimat in Deutschland und für Basel wichtige Rolle als Wohltäterin und Kunstsammlerin beleuchtet. Die Forscher und Forscherinnen legten Arbeitsergebnisse vor, die diesen Sammelband zu einem Ausgangspunkt jeder neuen Beschäftigung mit dem Thema Linder prädestinieren.

Ein gutes halbes Jahr nach dem Erscheinen des Sammelbandes legt Teresa Bischoff, die bereits am Basler Kolloquium als Referentin die Malerin Linder vorstellte, ihre an der Universität Erlangen eingereichte, von Professor Karl Möseneder betreute Dissertation vor. Das hier zu besprechende Buch präsentiert sich in gediegener Form, mit einem schönen Abbildungsteil, in einer neu geschaffenen Schriftenreihe des Erlanger Instituts für Kunstgeschichte. Unabhängig von der Basler Tagung und unbelastet durch deren Ergebnisse – der Kolloquiumsband und seine Beiträge werden im Literaturverzeichnis und in den Fussnoten nicht zitiert – legt Teresa Bischoff das Ergebnis ihrer jahrelangen Forschungsarbeit vor. Ein Drittel des Buches befasst sich, gestützt auf akribische Auswertung der benützten Quellen und Literatur, mit der Biografie Emilie Linders: geschildert werden ihre Kindheit und Jugend in Basel (1797–1824), die Studienzeit in München (1824–1829) und in Rom (1829–1831), Linders gesellschaftlicher Umkreis in München und ihre Kunsttätigkeit bis zum Lebensende (1832–1867). In München trat Clemens Brentano († 1842) in ihr Leben, der die Baslerin liebte und ihr Gedichte widmete. Vorbild und entscheidende Anregung zu ihrer Malerei fand sie im Werk des ihr seelenverwandten Friedrich Overbeck (1789–1869), hierin den mit ihr befreundeten Malerinnen Marie Ellenrieder (1791–1863) und Barbara Popp (1802–1870) ähnlich. Schon vor und erst recht nach ihrer Konversion verstand Linder ihre Malerei im Sinn der Nazarener als eine Art von Gottesdienst. Die folgenden Kapitel vertiefen das Bild von der Persönlichkeit und dem Umkreis Linders, indem die drei Aspekte ihres Wirkens als Kunstsammlerin, Mäzenin und Malerin eingehend beschrieben werden. Grundlage dieser Abschnitte bildet vor allem die weitverzweigte, reiche Briefkorrespondenz, u.a. mit Peter Cornelius, Friedrich Overbeck, Julius Schnorr von Carolsfeld, Sulpiz Boisserée, Melchior Diepenbrock und Eduard von Steinle. Auf überzeugende Weise gelingt es der Verfasserin, Emilie Linder als eigenständige Malerin aufzuwerten, die es besonders in der Porträtkunst zu subtiler Meisterschaft brachte, wie ihr berühmtes Brentano-Porträt beweist. Den Abschluss des Buches bildet ein Werkkatalog (247–298). Ausgehend von den in Briefen und anderen Quellen enthaltenen Angaben spürte Frau Bischoff über 32 Werke auf, viele von ihnen nicht signiert und in 12 Fällen neu Linder zugeschrieben: graphische Arbeiten, Tafelgemälde, Altargemälde und Porträts. 8 Arbeiten Linders gelten als verschollen. Die vorgestellten Werke werden, soweit möglich, durch farbige Abbildungen veranschaulicht.

Abschliessend ist die kritische und einfühlsame Vorgehensweise hervorzuheben, mit der die Autorin dem Leser Leben und Werk der Malerin Emilie Linder nahebringt. Dass die Forschungsergebnisse der Basler Tagung zur Biografie, zum künstlerischen Umfeld und zur Stiftertätigkeit Linders aus zeitlichen Gründen nicht eingearbeitet wurden, möge man nachsehen. Es zeigt einmal mehr unsere Abhängigkeit von den äusseren Umständen. Indem man aber beide Bücher, den Basler Tagungsband und Teresa Bischoffs Dissertation, zusammen zur Hand nimmt, ist auf jeden Fall Gewähr geboten, über die Persönlichkeit und das weite Umfeld Emilie Linders Auskunft aus erster Hand und von hoher wissenschaftlicher Qualität zu finden.

Zitierweise:
Patrick Braun: Rezension zu: Teresa Bischoff, Kunst und Caritas. Leben und Werk der Kunstsammlerin, Mäzenin und Malerin Emilie Linder (=Schriftenreihe des Erlanger Instituts für Kunstgeschichte 2), Petersberg, Michael Imhof Verlag, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 108, 2014, S. 593-594.

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