Cover
Titel
Der Amisbühl.


Autor(en)
Zimmermann, Katharina
Erschienen
Oberhofen 2012: Zytglogge Verlag
Anzahl Seiten
237 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Anna Bähler

Die bekannte Berner Autorin Katharina Zimmermann spürt in der Erzählung Der Amisbühl ihren Vorfahren mütterlicherseits nach. Die Familienerinnerungen reichen weit zurück. Die Urgrossmutter, das Sundlauenen Änni, wuchs als Fischerstochter im kleinen Dörfchen am Thunersee auf. Von ihr und ihren Eltern ist im Buch eine Fotografie aus der zweiten Hälfte der 1850er-Jahre abgedruckt. Die Familie sitzt vor dem Fischerhaus, die Mutter am Spinnrad, der Vater bessert das Fischernetz aus. Die Tochter sitzt zu seinen Füssen und schaut direkt in die Kamera. Wenig später heiratete das Sundlauenen Änni den Lehrer auf dem Beatenberg.

Die Hauptpersonen der Familiensaga sind die Angehörigen der nächsten Generation. Im Zentrum stehen Bänz, der Sohn von Änni und ebenfalls Lehrer auf dem Beatenberg, und seine Frau Wilma, die Städterin aus Bern und Grosstochter des Turnvaters Johann Niggeler. Bewegend beschreibt Katharina Zimmermann die tiefe Liebe, welche Wilma und Bänz zueinander empfunden haben, und ihren gemeinsamen Lebensweg. Nach der Heirat um 1900 bauten sie gemeinsam das niedergebrannte Restaurant Amisbühl zu einem Hotel aus, einerseits weil zu dieser Zeit der Lohn eines Landlehrers für den Unterhalt einer mehrköpfigen Familie nicht ausreichte, anderseits aber auch, weil Wilma, die an der Handelsschule gut ausgebildete Städterin mit Auslanderfahrung, sich nach einer Arbeit sehnte, die ihren Fähigkeiten entsprach.

Während Bänz weiterhin die Oberschüler unterrichtete, blühte das Hotel unter Leitung von Wilma auf. Zuerst war es nur in der Sommersaison geöffnet, kurz nach 1910 auch im Winter. Doch dann brach die Katastrophe des Ersten Weltkriegs über Europa herein. Die Gäste blieben schlagartig weg – und die Familie geriet in finanzielle Bedrängnis, mussten doch noch Kredite abbezahlt werden. Der Bruder von Wilma, Arzt auf dem Beatenberg, übernahm den Amisbühl, konnte ihn aber auch in der Zwischenkriegszeit nicht mehr zum wirtschaftlichen Erfolg zurückführen. Wilma beherbergte jeden Sommer im Lehrershaus zahlreiche Ferienkinder, um die noch übriggebliebenen Schulden zu tilgen.

In einfacher, aber nie simpler Sprache zeichnet Katharina Zimmermann das Leben der Familie nach, sie beschreibt die harte, nie enden wollende Arbeit in einer Zeit, in der die Löhne niedrig waren und die Hausarbeit noch nicht durch Maschinen erleichtert wurde. Sie beschreibt Krankheiten – Alkoholismus, Tuberkulose und Krebs, welche Mitglieder der Familie heimsuchten. Und sie beschreibt die Verbundenheit der Menschen untereinander, ihre Lebenskraft, die sie auch aus der Freude an der Schönheit der Natur und der Landschaft schöpften.

Der Einstieg in die Erzählung ist nicht ganz leicht, denn Katharina Zimmermann erzählt ihre Geschichte auf mehreren parallel laufenden Zeitebenen. Die Leserinnen und Leser müssen sich ein wenig in Berner Geschichte auskennen, mitdenken und sich immer wieder neu orientieren. Hilfreich sind die acht Postkarten und Fotografien in der Buchmitte, welche die wichtigsten Örtlichkeiten und Personen zeigen, sowie das Personenregister am Schluss. Vor allem aber lernt man auf den ersten zwanzig, dreissig Seiten der Erzählung die verschiedenen Familienmitglieder gut kennen, sie wachsen einem durch die liebevolle Erzählweise ans Herz – und geschickt gesetzte Spannungsbogen verhindern, dass man das Buch zu früh aus den Händen legt. Doch es ist in erster Linie die ruhige und unkomplizierte Sprache der Autorin, die das Lesen zum Genuss werden lässt.

Zitierweise:
Anna Bähler: Rezension zu: Zimmermann, Katharina: Der Amisbühl. Oberhofen: Zytglogge Verlag 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 84-85.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 84-85.

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