K. Blake: Spiegel einer Christlichen und friedsamen Haußhaltung

Cover
Titel
Spiegel einer Christlichen und friedsamen Haußhaltung. Die Ehe in der populären Druckgraphik des 16. Und 17. Jahrhunderts


Autor(en)
Bake, Kristina
Reihe
Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 49
Erschienen
Wiesbaden 2013: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
512 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Nadine Amsler

Frühneuzeitliche Ehevorstellungen sind schon seit einiger Zeit Gegenstand der historischen Forschung. Das Buch der Kunsthistorikerin Kristina Bake, das auf ihrer an der Universität Halle eingereichten Dissertation basiert, widmet sich jedoch einer Quellengattung, der in der Eheforschung bis anhin nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist: dem Flugblatt. Die meist anonym veröffentlichte populäre Druckgraphik moralsatirischen Inhalts zum Sprechen zu bringen ist das Ziel der vorliegenden Studie. Bake will darin «zeittypische Ideale von Weiblichkeit und Männlichkeit » rekonstruieren und die Ehe als «Schnittstelle von Reformation und Querelle des Femmes sowie Mittelpunkt der frühneuzeitlichen sozialen Ordnung» (24, 26) in den Blick nehmen. Als Quellengrundlage dienen 170 Flugblätter aus dem deutschsprachigen Raum, die vorwiegend im Zeitraum zwischen 1550 und 1650 entstanden sind.

Bake strebt mit ihrer Studie, die in einem umfangreichen Anhang rund zwei Drittel der untersuchten Flugblätter reproduziert und damit auch einen wichtigen Beitrag zur Quellenerschliessung leistet, eine interdisziplinäre Herangehensweise an. Dies gelingt insofern gut, als die Autorin ihr Forschungsthema umsichtig und mit Rückgriff auch auf sozialhistorische und literaturwissenschaftliche Literatur kontextualisiert. Etwas bedauerlich ist dabei lediglich die nur oberflächlich erfolgte Auseinandersetzung mit dem Konfessionalisierungsparadigma (38). Denn die Studie identifiziert zwar die Reformation als Schlüsselmoment für die Herausbildung frühneuzeitlicher Ehe-Ideale, erkennt aber in den der Ehe gewidmeten Flugblättern «keine konfessionelle Ausrichtung» (45), sodass eine weitergehende Reflexion der Formen und Grenzen der Konfessionalisierung und der von der Autorin postulierten sozialdisziplinierenden Wirkung der untersuchten Quellengattung spannend gewesen wäre. Die Hauptstärke von Bakes Arbeit liegt jedoch nicht in der Auseinandersetzung mit historiographischen Grossthesen, sondern in der akribischen Detailarbeit, in der die Autorin die Bildsprache und Textinhalte der untersuchten Quellen auf erhellende Weise erschliesst.

Das Buch gliedert sich in vier Hauptkapitel, welche sich den Themenbereichen Partnerwahl, gute und schlechte Ehe sowie dem Topos der «Verkehrten Welt» widmen. In diesen vier Panoramen gelingt der Autorin eine umfassende und mit Gewinn zu lesende Aufarbeitung der in den Druckgraphiken verwendeten und oft in Beziehung zueinander stehenden Bild- und Textmotive. So identifiziert Bake in den Flugblättern zur Partnerwahl verschiedene Metaphern der Auswahl (durch ein Sieb «sieben», mit der Waage «wägen»), der erfolgreichen Werbung («angeln», «fischen» und «jagen»), aber auch des Glückspiels. Auffallend ist dabei, dass die Eltern keine Rolle bei der Partnerwahl spielen. Manche Flugblätter thematisierten stattdessen konkret Zuneigung als Voraussetzung der Ehe. Die Wichtigkeit «vernunftgeleitete[r] Zuneigung «, nicht zu verwechseln mit «unkontrollierbare[ r] Leidenschaft» (105), wird denn auch in Druckgraphiken zur guten Ehe thematisiert, wobei das Ideal der harmonischen Ehe durch Motive wie das Ochsengespann, das Tischgebet oder die sich waschenden Hände («manus manum lavat») dargestellt wurde. Wie das Unterkapitel zu «ehelicher Liebe» zeigt, wurde dabei der ehelichen Sexualität durchaus eine positive Rolle als «Mittel der Konfliktlösung » und «Entlastungsmittel» (160) beigemessen. In diesem Zusammenhang von «Kompensation für Alltagsstress» (ebd.) zu sprechen, mutet allerdings etwas anachronistisch an.

Die Betonung ehelicher Harmonie und Zuneigung in den Drucken sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die hierarchische Ordnung innerhalb der Familie von zentraler Bedeutung für frühneuzeitliche Vorstellungen der guten Ehe war. So betonten etliche Flugblätter das Recht und die Pflicht des Ehemanns «zur Unterweisung und Ermahnung der Ehefrau» (156). Dass diese Verantwortung für Ehemänner belastend sein konnte, arbeitet Bake im Kapitel über die «schlechte Ehe» heraus, deren Ursachen aus der Sicht der Flugblätter Unberatenheit, Ungleichheit oder «feurige Liebe» der Ehepartner sein konnten. Offensichtlichstes Zeichen der schlechten Ehe war die physische Gewalt zwischen den Gatten, verkörpert durch «Doctor Kolbmann», den schlagenden Ehemann, und «Docktor [sic] Syman», die schlagende Ehefrau. Doch auch der weibliche Ehebruch war ein Zeichen der schlechten Ehe und fand in der Persona des «Hahnrei» (des betrogenen Ehemanns) und der «Hennenreiterin» (der betrügenden Ehefrau) Eingang in den Bilderkanon der moralsatirischen Flugschriften. Dass der männliche Ehebruch im Gegensatz zum weiblichen kaum thematisiert wurde, passt in das Gesamtbild von Bakes Analyse, wonach der «Auftrag zur Herrschaft» des Mannes bzw. männliche Ängste, diesem Auftrag nicht gerecht werden zu können, ein zentrales Thema der Flugschriften war (332, 336). Dieser Fokus auf männliche Verantwortung in der Ehe erklärt auch die äusserst ambivalente und insgesamt die Gefährlichkeit der Frauen betonende Beschreibung der Geschlechterverhältnisse, die sich, wie Bake richtig bemerkt, mit Beschreibungen in anderen zeitgenössischen Medien deckt.

Im letzten Kapitel gerät mit dem Motiv der «Verkehrten Welt» schliesslich die «ordnungspolitische Brisanz» (274) der frühneuzeitlichen Ehe, die gemäss zeitgenössischen Vorstellungen gleichsam die «Keimzelle» sozialer sowie göttlicher Ordnung darstellte, in den Blick. Die den Mann beherrschende Frau wurde dabei in eine Reihe gestellt mit anderen «widernatürlichen » Figuren wie das den Jäger jagende Wild oder das den Wolf reissende Lamm. Die Gefahr der «Weibermacht» wurde auch mit Vorliebe durch exempla contraria der «Alten» illustriert, seien dies nun Herkules und Omphale, Aristoteles und Phyllis, Simson und Delila oder David und Bathseba. Meist mit der Mahnung endend, die gute christliche Ehe aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen, zeugen diese Darstellungen vom imaginierten «Zusammenhang zwischen Ehe, öffentlicher und göttlicher Ordnung der Welt», wodurch bei einer Verkehrung der Zustände mit einer göttlichen Strafe zu rechnen war (320).

Bake interpretiert die von ihr vorgestellten Flugblätter «als Ausdruck von Emotionen, Vorurteilen oder Klischees» und beansprucht damit, «tatsächlich Realität» zu analysieren, «unter welche eben auch Auffassungen, Gefühle und Hoffnungen zu subsumieren sind» (333, vgl. auch 34–39). Unter dieser Prämisse ist es aber bedauerlich, dass die Akteure, um deren historische «Realität» es ja schliesslich geht, nicht stärker in die Studie einbezogen wurden, bleiben doch die nur in der Einleitung kurz thematisierten Produzenten und Rezipienten der Flugblätter weitgehend im Dunkeln. Wenn dies auch mit der schwierigen Quellenlage zusammenhängen mag, so hätte etwa ein systematischerer Einbezug der Annahme, dass die Rezipienten Angehörige der städtischen Mittel- und Oberschicht waren (44f), erhellend auf die Analyse wirken können. Dieser Kritikpunkt soll aber nicht davon ablenken, dass Bake mit ihrem Buch eine lesenswerte Studie zu Ehevorstellungen in frühneuzeitlichen Flugschriften gelungen ist, die Textund Bildanalyse auf ansprechende Weise kombiniert. Ungeachtet einiger dem Lektorat entgangenen Satzzeichenfehler und begrifflicher Ungenauigkeiten trägt auch die ansprechende Gestaltung des Bandes dabei zum positiven Gesamteindruck bei.

Zitierweise:
Nadine Amsler: Rezension zu: Kristina Bake, Spiegel einer Christlichen und friedsamen Haußhaltung. Die Ehe in der populären Druckgraphik des 16. Und 17. Jahrhunderts (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 49), Wiesbaden, Harrassowitz-Verlag, 2013. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 107, 2013, S. 433-435.

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