J. Ackermann: Das Itinerarium Bernardi Monachi

Cover
Titel
Das Itinerarium Bernardi Monachi. Edition – Übersetzung – Kommentar


Autor(en)
Ackermann, Josef
Reihe
Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte 50
Erschienen
Hannover 2010: Verlag Hahnsche Buchhandlung
Anzahl Seiten
XXII, 154 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Andrea Beck

Trotz der umfangreichen literarischen Produktion in der karolingischen Epoche sind aus dieser Zeit fast keine Zeugnisse aus dem Bereich der Reiseliteratur überliefert. Aus diesem Grunde ist nun zu Recht das Itinerarium des Mönches Bernhard, ein Reisebericht aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, von Josef Ackermann neu ediert worden. Die als Dissertation in Zürich eingereichte Edition enthält neben einem Kommentar auch erstmals eine vollständige deutsche Übersetzung. Bereits 1879 war der Text von Titus Tobler und Augustus Molinier kritisch herausgegeben worden (Itinerarium Bernardi Monachi Franci, in: Titus Tobler/Augustus Molinier: Itinera Hierosolymitana et descriptiones Terrae Sanctae, Bd. 1, Osnabrück 1966 [Nachdruck der Ausgabe Genf 1879], 307–320), doch war diese Edition mit einigen, wenngleich zu vernachlässigenden Fehlern behaftet. Ackermann hat nicht nur diese Fehler ausgeräumt, sondern noch einen weiteren, bisher unbeachteten, obgleich nach Ackermanns Aussage (23) für die Überlieferung eher unbedeutenden Textzeugen (Handschrift W, Oxford, Worcester College, Ms. 285) für die Edition berücksichtigt.

Ackermann beginnt sein Werk zunächst mit einigen Informationen über den Verfasser, über dessen unbekannte Herkunft in der Forschung bereits viel gerätselt wurde. In einem zweiten Abschnitt geht Ackermann auf die Textüberlieferung ein, indem er zunächst die Handschriften beschreibt (9–19). Dabei gelingt es ihm, den Wiener Textzeugen V vom 14. ins 12. Jahrhundert vorzudatieren (12). Anschliessend nennt er die bisherigen Editionen (20–23), wobei ihm ein Fehler unterläuft, wenn er schreibt, Tobler/ Molinier hätten «neben den Textwiedergaben von F, L und W sowie der Edition Mabillons auch die Abschrift von V einbezogen» (22). Hätte Tobler W gekannt und benutzt, wäre für eine Neuedition kein Anlass gegeben. Leider sind solche Flüchtigkeitsfehler häufiger in diesem Werk zu finden: Sie reichen von falschen Seitenangaben (22, Anm. 68 und 69 gibt er die Seiten XIV–XVII und XVI–XVII statt XLIV–XLVII und XLVI–XLVII an), verwirrenden Rechtschreibfehlern (in der Worcester-Fassung W fehle Kapitel 24; zum folgenden Kapitel 25 heisst es 127, Anm. z, dieses wäre bei W zwischen 23 und 24 eingefügt, was sich aber auf Kapitel 13 und 14 beziehen muss), über falsche Textangaben (56, Anm. 29: das Fassungsvermögen der Grotte vom Monte Gargano würde laut Itinerar 50 Menschen fassen, tatsächlich werden dort aber 60 Personen genannt; so korrekt im Text 79, in Anm. 152, jedoch falsche Kapitelangabe; 74, Anm. 125: der Erdmittelpunkt sei in Kapitel 9 genannt, tatsächlich aber in Kapitel 11) hin zu irreführenden Verweisen innerhalb des Buches (S. 81, Anm. 162 heisst es «Vgl. Anm. 40 des vorangehenden Abschnitts» – doch keine Anm. 40 im gesamten Buch bezieht sich auf die angesprochene Stelle), um nur einige Beispiele zu nennen.

Es folgt dann eine Liste der Übersetzungen in moderne Sprachen (23–24), die allerdings unvollständig ist, da die neuere italienische Übersetzung Ugo Doveres (Bernardo il Saggio, monaco franco. Itinerario dei luoghi santi [Piccola Biblioteca, Bd. 16], Neapel 2003) fehlt. Dieser italienischen Übersetzung ist auch eine breite Kommentierung beigegeben, die somit ebenfalls unbeachtet blieb; desgleichen wurde der neuere Beitrag Antonio Vuolos (L’«Itinerarium» del monaco Bernardo, in: Massimo Oldoni [Hg.], Fra Roma e Gerusalemme nel Medioevo. Paesaggi umani ed ambientali del pellegrinaggio meridionale [Studi e testi, Bd. 11], Salerno 2005, Bd. 1, 313–334) übersehen.

Ackermann stellt anschliessend das Itinerarium Bernardi Monachi in den literarischen Kontext, indem er einen kurzen Abriss über Pilgerfahrten ins Heilige Land von der Spätantike bis zur Abfassungszeit des Itinerars gibt (24–29). In den folgenden beiden Abschnitten widmet er sich zum einen der Textstruktur, also dem Aufbau und der Darstellungsweise – er kann den Text als eine Mischform von Reisebericht, Itinerar und Reise-/Pilgerführer einordnen (30–36) – und zum anderen der Sprache Bernhards, die bisher in der Forschung grossenteils nicht beachtet wurde. Ackermann geht auf die unterschiedliche Orthographie, Morphologie, Syntax und das Vokabular ein (36–50). In einem dritten grossen Abschnitt widmet sich der Autor dem Inhalt des Berichtes, beginnend mit dessen Datierung (51–54). Diese wirft insofern Probleme auf, da die handschriftliche Überlieferung das Jahr 970 als Zeitpunkt der Reise angibt, inhaltliche Anhaltspunkte, wie verschiedene genannte Herrscher, aber auf die Zeit um das Jahr 870 schliessen lassen. Hierbei macht Ackermann ungenaue Angaben: Nach ihm stehe das Jahr 970 in den Textzeugen «F, L und W» (51), aber dem Apparat der kritischen Edition nach stehe in W, der Worcester-Fassung, die Jahresangabe «DCCCLXX» (115, Anm. b–b), wohingegen er im Kommentar die ausgeschriebene Zahl als Variante der Worcester Handschrift nennt (51, Anm. 1). Durch die Amtszeiten der verschiedenen Herrscher und mit Hilfe der bisherigen Forschung kommt Ackermann zu dem Schluss, dass die Reise wohl ins Jahr 867 zu legen ist (54).

Nach der Datierung wird der Verlauf der Reise wiedergegeben (55–66). Es folgen Überlegungen zu Reiseart und Reisemitteln (66–72), dann geht Ackermann auf die im Reisebericht genannten Bibelstellen und Bezüge auf die Bibel insgesamt sowie auf Bauweise und Strukturen der erwähnten Kirchen ein (72–84). Überlegungen zum Pilgerwesen, zum Heiligen- und Reliquienkult, zu im Itinerar beschriebenen Wundern und Zeichen werden angestellt sowie Anhaltspunkte für eine Endzeiterwartung im Text gesucht (84–98). Dass dabei die Apokalypse in die Apostelgeschichte verlegt wird, ist wohl einem Schreibfehler zuzuordnen (96 mit Anm. 246: Erzengel Michael als Anführer im Endkampf sei in der Bibel bei «Act. 12,7–10» zu finden; dieser Fehler ist leider auch ins Register übernommen worden). Es folgt eine letzte grössere Passage, in der politische, herrschaftliche und wirtschaftliche Themen, wie das Leben der Christen unter islamischer Herrschaft, christliche Sklaven und das muslimische Geldwesen, betrachtet werden (98–109). Nach einer kurzen Erläuterung der Gestaltung der Edition folgt diese auch schliesslich (115–127), zusammen mit der nicht gegenüber-, sondern nachgestellten deutschen Übersetzung, die sich eng am lateinischen Text orientiert (128–135). Den Schluss des Buches bilden insgesamt fünf geographische Karten, auf denen die Reiseroute Bernhards nachvollzogen werden kann und die Ackermann auf der Basis der Karten von John Wilkinson (Jerusalem Pilgrims Before the Crusades, Warminster 1977) erstellt hat. In vier Registern kann der Benutzer die literarischen Quellen, genannte Handschriften, Personenund Ortsnamen sowie lateinisches Vokabular nachschlagen.

Wer künftig über das Itinerarium Bernardi Monachi arbeiten möchte, findet hier eine neue Edition mit kleinen Mängeln und vermeidbaren Fehlern im kritischen Apparat, aber mit zuverlässiger deutscher Übersetzung. Andere Literatur wird man zur vertieften Interpretation bestimmter Stellen des Itinerars weiterhin heranziehen müssen.

Zitierweise:
Andrea Beck: Rezension zu: Josef Ackermann, Das «Itinerarium Bernardi Monachi». Edition – Übersetzung – Kommentar, Hannover, Hahn, 2010 (= Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte, Bd. 50), XXII. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 106, 2012, S. 666-668.

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