R. Woudhuysen-Keller: Das Farbbüechlin Codex 431

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Titel
Das Farbbüechlin Codex 431 aus dem Kloster Engelberg. Ein Rezeptbuch über Farben zum Färben, Schreiben und Malen aus dem späten 16. Jahrhundert


Autor(en)
Woudhuysen-Keller, Renate
Erschienen
Riggisberg 2012: Abegg-Stiftung
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Martin Germann

Die Autorin hat die Fertigstellung des in langen Jahren erarbeiteten Werks nicht mehr erlebt. Sie ist am 28. Juni 2012 nach langer, schwerer Krankheit in Cambridge (England) gestorben, wo sie als Gemälderestauratorin am Hamilton Kerr Institut der Universität Cambridge gearbeitet hatte. Mit dieser ihrer kunsthistorischen Dissertation hat sie an der philosophischen Fakultät I der Universität Zürich im Jahre 2000 bei Prof. Hans Rudolf Sennhauser mit «Summa cum laude» promoviert. Sennhauser hatte das Farbbüchlein früher in der Bibliothek des Klosters Engelberg OSB entdeckt und es ihr zur Bearbeitung vorgeschlagen.

Das Buch ist auf zwei Bände aufgeteilt. Band 1 enthält die Edition, Band 2 den Kommentar. Wie der Untertitel der Ausgabe sagt, handelt es sich beim «Farbbüechlin» um ein Rezeptbuch für Farben, die zum Färben von Textilien, Wolle und Leinwand, für Stoffdruck und zum Gerben und Färben von Leder verwendet wurden. Ne- ben- und Nachtragshände haben auch einige medizinische sowie Tinten-Rezepte eingetragen. Die Herkunft aus Rapperswil am Zürichsee ist wahrscheinlich, wo ein Hans Rotenfluh, Tuchhändler, Tuchmacher und Färber bis 1634 gelebt hat, der die Aufzeichnungen um 1600 niedergeschrieben haben könnte. Mit Nachträgen und nach «Umbau» des Büchleins durch weitere Besitzer wird es um das Jahr 1700 in die Klosterbibliothek Engelberg übergegangen sein.

Zwölf leicht verkleinerte Abbildungen des Farbbüchleins dokumentieren die verschiedenen beteiligten Hände. Die buchtechnische und kodikologische Beschreibung gibt fachgerecht und erschöpfend Auskunft. Die Edition besteht aus einer buchstabengetreuen Transkription dieser frühneuhochdeutschen Fachprosa, zeilengenau abgedruckt, mit gegenüberstehender flüssig zu lesender moderner Übertragung. In den Fussnoten werden Details der Rezepte besprochen und mit Sachkenntnis erklärt. Die Rezepte sind von der Autorin ausprobiert worden, Schwierigkeiten und Umwege der Herstellung werden detailliert geschildert und die Ergebnisse dargelegt. Vorkommende Fachausdrücke, Materialbezeichnungen, Zutaten und technische Verfahren des Textteils sind im angefügten Glossar erklärt. Hier entfaltet sich der ganze Schatz der jahrzehntelangen praktischen und theoretischen Erfahrung der Autorin.

Band 2, der Kommentar, ist ebenfalls übersichtlich strukturiert. In einem ersten Kapitel werden die Arbeitsgänge beim Färben von Textilien nach historischer Praxis detailliert und verständlich beschrieben. Es folgen sieben Farbtafeln, welche die nach den Rezepten gemachten Färbversuche von Krappwurzeln, Brasilholz, Indigo und Wau in verschiedenen Stadien zeigen. Anschliessend werden die Farben einzeln behandelt: als wichtigste Farbe der frühen Neuzeit zuerst das Schwarz. Die Hälfte aller Textilien des 16. und 17. Jahrhunderts sollen schwarz gefärbt gewesen sein. Auch bei den Malerfarben spielte Schwarz in vielen Abschattierungen eine grosse Rolle, wenn man nur an die Porträtmalerei jener Zeit denkt. Darauf werden die roten, gelben, grünen und blauen Farben besprochen, dann das Ledergerben und -färben. Weitere Rezeptbücher, auch die seit 1513 gedruckten «Kunstbüchlein» werden verglichen und teils ausführlich zi- tiert und übersetzt, auch solche in den frühen Sprachformen des Italienischen, Flämischen und Englischen.

Bei jeder Farbe wird auch auf die Herstellung von Malerfarben für Künstler und Buchmaler eingegangen. Für rote Farben dienten die Extrakte der Wurzeln der Krapppflanze. Die Verwendung von rotem Farblack zum Malen wird im Längsschnitt durch die Jahrhunderte geschildert. Weitere rote Farbstoffe stammten aus Brasilholz und aus Abfällen der Tuchindustrie. Für die grüne Farbe ist neben anderen Quellen auch das handschriftliche Colmarer Kunstbuch des 15. Jahrhunderts in Bern (Burgerbibliothek Bern Ms. hist. helv. XII 45) ausgewertet. Gelbe Lacke aus Wau und Safran werden besprochen. Daneben werden auch Rezepte mit Blauholz beschrieben. Eingeflochten wird die Kulturgeschichte der Färbepflanzen bis zum Aufkommen der synthetischen Farben.

Auch dem Buchhistoriker, der an Schreibmaterialien und Tinte für Handschriften und Farben für Buchmalerei interessiert ist, bietet sich viel Stoff. Ein spezielles Rezept ist jenes zur Herstellung von Schreibtäfelchen. Solche abwaschbaren Text- und Bildträger wurden zum Aufzeichnen von Notizen und Entwürfen verwendet und nachher abgewaschen. Damit erklärt sich das bekannte Fehlen von Zeichenübungen und Entwürfen in der älteren europäischen Kunst. Tinten werden besprochen. Am Schluss des Kommentarbandes folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse, ein detailliertes Quellenverzeichnis der Handschriften und Drucke mit Angaben zu ihrem Inhalt und ihren Abhängigkeiten, inklusive Standortangaben, sowie das Nachwort der Autorin.

Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um ein inhaltlich und gestalterisch gleichermassen äusserst sorgfältiges Produkt der Zusammenarbeit mit der Abegg-Stiftung Riggisberg, kongenial gestaltet und gesetzt von Franziska Schott und Marco Schibig Bern; Lektorat und Redaktion haben für fehlerfreien Text gesorgt, die Vögeli AG in Langnau BE für gediegenen Druck auf angenehmes Papier und die Buchbinderei Schumacher AG in Schmitten FR für leserfreundliche, fadengeheftete Bro- schur und den Schuber.
Es handelt sich um ein Standardwerk und Vorbild für weitere Beschäftigung mit den materialmässigen Grundlagen der europäischen Kunstgeschichte.

Zitierweise:
Martin Germann: Woudhuysen-Keller, Renate: Das Farbbüechlin Codex 431 aus dem Kloster Engelberg: ein Rezeptbuch über Farben zum Färben, Schreiben und Malen aus dem späten 16. Jahrhundert. Riggisberg: Abegg-Stiftung 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 1, 2013, S. 53-55.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 1, 2013, S. 53-55.

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