Burgerbibliothek Bern (Hrsg.): Karl Howald

Cover
Titel
Karl Howald Pfarrer, Chronist, Zeichner. Wahrnehmen und Erinnern im 19. Jahrhundert


Herausgeber
Burgerbibliothek Bern
Reihe
Passepartout: Schriftenreihe der Burgerbibliothek
Erschienen
Bern 2011: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Charlotte Gutscher

Die Schriftenreihe der Burgerbibliothek ist auch für jene attraktiv, die ebenso gerne Bilder ansehen, als lange Texte zu lesen: Text- und Bildteil entsprechen sich im Buch über den zeichnenden Pfarrer Karl Howald etwa 1:1, zusätzlich ist auch der Lauftext reich illustriert. So kann man es mit Gewinn auch als Bilderbuch durchblättern und sich an seiner schönen Gestaltung freuen!

Wer aufgrund des Untertitels eine komplizierte philosophische Studie erwartet, wird gleich angenehm überrascht: Der Text von Annelies Hüssy zum Leben und Wirken von Karl Howald liest sich leicht und gibt über das Biografische hinaus eine farbige Sicht auf Bern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Karl Howald wurde 1796 in eine bürgerliche Familie hineingeboren, sein Vater stand in Diensten des Landvogts Carl Friedrich von Steiger in Interlaken. Seine Jugend verbrachte der junge Karl in Bern an der Gerechtigkeitsgasse Nr. 67. Mit seiner Taufkirche, dem Berner Münster, und dem Wohnhaus seiner Kindheit verband ihn viel, sodass er beiden später persönliche Chroniken widmete (s. u.). Er studierte in Bern Theologie; kulturelle Bildung – Zeichnen, Musik, Theater und Literatur – gehörte ebenso zu seiner Erziehung. Auf einer Reise nach Paris 1825 erlebte der junge Theologe eine religiöse Erweckung und verkehrte fortan in pietistischen Kreisen. Howald hat weitere Reisen unternommen und in Text und Bild dokumentiert: 1826 nach Süddeutschland und 1827 nach Italien. Um sie geht es im zweiten Teil des Buches, der von Marie Therese Bätschmann verfasst wurde. Howalds erste Stelle als Seelsorger des Inselspitals scheint den jungen Mann emotional sehr gefordert zu haben. In diesem Amt war es beispielsweise seine Aufgabe, die Kindsmörderin Anna Barbara Liechti von Landiswil 1827 auf das Schafott zu begleiten. Von 1833 bis zu seinem Tod 1869 wirkte Karl Howald als engagierter Pfarrer in Sigriswil. Geradezu beispielhaft verkörperte er den gebildeten Bürger, der aus seiner konservativen politischen Gesinnung keinen Hehl machte.

Wie zahlreiche Zeitgenossen hat Karl Howald zeit seines Lebens geschrieben. Eine Besonderheit seiner Aufzeichnungen sind die zahlreichen eingefügten Zeichnungen und Aquarelle. Jedem an der Berner Geschichte Interessierten sind Karl Howalds Illustrationen in der Stadtbrunnenchronik ein Begriff. In sechs handgeschriebenen Bänden, die er nicht zu publizieren gedachte, schildert und kommentiert er in unzähligen Anekdoten die Geschichte der Stadt Bern – besonders die jüngste Entwicklung seit dem Untergang des Alten Bern. Leitmotiv und Gliederungsprinzip bilden die Stadtbrunnen. Doch weder dieses Werk (Mss.h.h. XXIb 361 – 366) aus den Jahren 1842 – 1862, noch die ebenfalls eher bekannte Chronik seines Familienhauses (Mss.h.h. XXIb 388 –390, 3 Bände, 1843 – 1867) stehen bildlich im Zentrum dieses Passepartouts: Es sind im ersten Bildteil die Skizzen aus dem Münster (Mss.h.h. XX122 – 127) aus der langen Zeitspanne von 1830 bis 1870, andrerseits eine Auswahl von Darstellungen aus der Italienreise 1827, überschrieben mit: «Erinnerungen an Rom und Neapel» (N Karl Howald 2.4., 2.7. und 2.9).

Nicht nur um diese Reise, sondern um Howalds gesamte Reisetätigkeit geht es im Aufsatz von Marie Therese Bätschmann. Die verschiedenen Reiserouten werden minutiös rekonstruiert, was wohl vor allem für diejenigen Leser oder Leserinnen spannend ist, die diese Orte ebenfalls kennen. Andere hätten sich vielleicht wie die Schreibende mehr übergeordnete Aspekte gewünscht. So etwa eine Beurteilung der interessanten Tatsache, dass Howald sich auf seinen Reisen nicht auf gedruckte, gelehrte Beschreibungen, sondern auf die Erzählungen lokaler Führer abstützte. Wie in seinen Berner Chroniken interessierte er sich offenbar mehr für das, was man am Ort über ein Kunstdenkmal wusste, als für dessen «objektive» Bedeutung. Auch eine kunsthistorische Einordnung seiner Illustrationen erfolgt nur eher beiläufig (S. 30 und S. 53, wo einzig künstlerische Vorbilder genannt werden) – dies möglicherweise auch deshalb, weil Howald eher durch seine scharfe Beobachtungsgabe als durch sein künstlerisches Können überzeugte.

Die Reisebeschreibungen sind erst 2008 in die Burgerbibliothek gekommen. Diese hat den Neuzugang zum Anlass genommen, dem bekannten und doch unbekannten Karl Howald eine längst verdiente Publikation zu widmen. Dass in diesem Rahmen nur Teile seines Wirkens angesprochen werden konnten, versteht sich von selbst. Trotzdem verspricht der Untertitel Antworten auf übergeordnete Fragen, die man im Text vermisst. Wie spannend diese sein könnten, zeigt der Hinweis auf den Widerspruch zwischen dem Tagebuch als Inbegriff der Subjektivität und der Chronik als «kollektive Erinnerungskultur» (S. 22). Ist Howalds Form der «persönlichen Chronistik» einzigartig? Oder gibt es in der Zeit Vergleichbares? Und auch wenn dies wohl bewusst so gestaltet wurde: Ein Verknüpfen von Text- und Bildteil wäre wünschbar gewesen. Wenn also vorne von einer Darstellung gesprochen wird, die im Bildteil prominent erscheint, wäre ein Querverweis sehr hilfreich (z. B. in Rom, Grab Neros, erwähnt S. 57, Abb. S. 101 oder der Petersplatz, erwähnt S. 58, Abb. S. 103).

Gerne wiederholt man deshalb die abschliessenden Bemerkungen im Beitrag von Annelies Hüssy: «Eine vertiefte Annäherung ist ein Desiderat. (...) Nach wie vor (...) kennen wir seine Absichten als Verfasser der Chroniken nicht, wissen ebenso wenig, wie diese Verbreitung fanden, und können nur spekulieren, wer die Adressaten überhaupt gewesen sein mögen. So ist Karl Howalds Werk ein in seiner ganzen Fülle noch ungehobener Schatz» (S. 33). Erste Juwelen dieses Schatzes liegen nun aber offen und machen Lust auf mehr.

Zitierweise:
Charlotte Gutscher: Rezension zu: Burgerbibliothek Bern (Hrsg.): Karl Howald, Pfarrer, Chronist, Zeichner. Wahrnehmen und Erinnern im 19. Jahrhundert. Passepartout. Schriftenreihe der Burgerbibliothek Bern. Stämpfli: Bern 2011. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 1, 2013, S. 47-49.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 1, 2013, S. 47-49.

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