D. Raemy: Nachhaltige Landschaftsentwicklung

Cover
Titel
Nachhaltige Landschaftsentwicklung. Möglichkeiten der institutionellen Steuerung am Beispiel der Reblandschaft Bielersee


Autor(en)
Raemy, David
Erschienen
Bern 2010: Geographica Bernensia
Anzahl Seiten
194 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christoph Zürcher

Die Arbeit besteht aus 4 Teilen, die von sehr verschiedener Relevanz sind. Im Teil A werden die theoretischen Grundlagen einer institutionellen Steuerung von Landschaftsprozessen, die auf Nachhaltigkeit zielen, dargelegt. Die Krux ist natürlich immer wieder, wie Nachhaltigkeit zu definieren ist. Das Modell der institutionellen Steuerung nachhaltiger Landschaftsentwicklung besteht aus drei Teilen: erstens der Landschaft selbst, zweitens dem «Institutionellen Regime» (dem eigentumsrechtlichen Regelwerk und den politisch-administrativen Akteuren, die z. B. Programme öffentlicher Schutzund Nutzungspolitiken durchzusetzen versuchen). Im Zentrum stehen aber die sogenannten Akteurnetzwerke (etwa Schutzverbände, Planungsverbände), die sowohl aus dem institutionellen Umfeld wie auch indirekt von der Landschaft Aufgaben und Anreize erhalten. Über das institutionelle Umfeld gibt ein Verzeichnis der rechtlichen Grundlagen, die die Prozesssteuerung beeinflussen, Auskunft. Es sind für die Reblandschaft Bielersee nicht weniger als 8 Berichte und Botschaften des Bundes, 14 Bundesgesetze und Verordnungen und 13 Erlasse des kantonalen Rechts vom Bundesgesetz über den Wald bis zur Rebbauverordung.

Institutionelles Gefüge und Akteurnetzwerke am Bielersee (Fallbeispiele Landschaftswerk Biel- Seeland, Konferenz Linkes Bielerseeufer und Rebgüterzusammenlegung Twann-Ligerz-Tüscherz) werden im Teil B dargestellt, der auch ein Porträt der Reblandschaft Bielersee enthält.

Teil C untersucht die Interaktionen zwischen dem institutionellem Regime und den Handlungen der Akteure und eruiert in den Empfehlungen für die künftige Entwicklung der Reblandschaft Bielersee Defizite auf beiden Seiten. Zu wirklich konkreten Handlungsempfehlungen kommt es aber nicht.

In Teil D präsentiert der Autor Erkenntnisse aus der Untersuchung und deren theoretische Relevanz. Er versucht, Indikatoren für eine Wertung des Akteurverhaltens in den verschiedenen Handlungsfeldern herzuleiten. Raemy ist beeinflusst von Elinor Ostrom, die 2009 als erste Frau den Nobelpreis in Wirtschaft erhielt und die in ihrem Buch Governing the Commons (deutsch: Die Verfassung der Allmende) die jahrhundertealten Organisationsformen der Alpwirtschaft als Beispiel für nachhaltige Nutzung von Landschaftsressourcen darstellt. Ob aber die Rebbaulandschaft des Bielersees geeignet ist, sich das alpine Nutzungsmodell zur Steigerung der Nachhaltigkeit überstülpen zu lassen, mag dahingestellt sein. Raemy postuliert eine umfassende Bodenrechtsreform. Durch sie «würden die Eigentums- und Verfügungsrechte an der Landschaft der Gemeinschaft übertragen, während die bisherigen Eigentümerinnen und Eigentümer lediglich bestimmte zeitlich beschränkte Nutzungsrechte und Unterhaltspflichten erhielten». Parallel dazu schlägt er eine eigenständige Bundespolitik «Natur und Landschaft» vor, also eine Zentralisierung der Landschaftspolitik und -entwicklung. Allerdings widerspricht das der in der Zusammenfassung formulierten Empfehlung zur Erhaltung der stabilen Eigentumsverhältnisse. Dafür ist eine weitere Empfehlung, nämlich die einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden am nördlichen Bielerseeufer, schon ins Stadium der Realisierung getreten: am 1. Januar 2010 fusionierten Twann und Tüscherz-Alfermée zur Gemeinde Twann -Tüscherz. Das wäre bei der Überarbeitung der Dissertation nachzutragen gewesen.

Die Arbeit Raemys ist vom Ansatz her äusserst interessant und hätte im Sinn eines Handbuches der nachhaltigen Landschaftsentwicklung eine praktische Hilfe und Anleitung für Akteure (institutionelle und betroffene) abgeben können. Der hohe Theoretisierungsgrad und die schwer verständliche Fachsprache verhindern das zum Teil. Leider gibt es auch sachliche Fehler zu beklagen, so etwa S. 105 «Das Landschaftswerk Biel-Seeland ist heute ein Dienstleistungsbetrieb des Vereins Bielerseeschutz (VBS)». Das ist überholt. Den Verein Bielerseeschutz gibt es seit 2007 nicht mehr. Seine Nachfolgeorganisation, entstanden aus dem VBS und aus der Interessengemeinschaft Bielersee (IGB), die seltsamerweise keine Erwähnung in Raemys Arbeit findet, ist der Verein Netzwerk Bielersee, der die Aktienmehrheit an der «Landschaftswerk Biel Seeland AG» besitzt. In Artikel 2 der Statuten vom 06.09.2007 definiert das «Netzwerk» seinen Zweck übrigens genau so, wie Raemy es postuliert: «Der Verein setzt sich … für eine nachhaltige Entwicklung ein. Er trägt zur Erhaltung und Verbesserung des Lebensraums …, der Lebens- und der Wasserqualität bei, fördert aktiv die ökologische Aufwertung der Landschaft … und bewahrt die ortstypischen Kulturlandschaften und Baudenkmäler als Bestandteile der kulturellen Identität.»

Es wäre hilfreich gewesen, das Manuskript der Dissertation für die Publikation zu straffen, stilistisch zu überarbeiten. Karten sollten so gedruckt werden, dass sie ohne Lupe lesbar sind.

Zitierweise:
Christoph Zürcher: Rezension zu: Raemy, David: Nachhaltige Landschaftsentwicklung. Möglichkeiten der institutionellen Steuerung am Beispiel der Reblandschaft Bielersee. Bern: Geographica Bernensia 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 1, 2012, S. 71-72.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 1, 2012, S. 71-72.

Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit