M. Kehrli:Der Maler, Sammler und Kunstkenner Johann Rudolf Huber 1668 –

Cover
Titel
«sein Geist ist zu allem fähig». Der Maler, Sammler und Kunstkenner Johann Rudolf Huber 1668 – 1748.


Autor(en)
Kehrli, Manuel
Erschienen
Basel 2010: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Charlotte Gutscher

Der vielseitige Barockmaler Johann Rudolf Huber war zu seiner Zeit hochberühmt – heute kennen ihn nur noch Spezialisten. Er hat ein umfangreiches malerisches Oeuvre hinterlassen, das von Bildnissen bis zu ganzen Raumausstattungen reicht und sich zu einem grossen Teil bis heute in Privatbesitz befindet. Zudem war Huber ein ausgezeichneter Zeichner; eine Begabung, die durch zahlreiche Entwürfe überliefert ist. Mit dem handlichen und schön gestalteten Buch von Manuel Kehrli liegt erstmals eine Würdigung dieses Malers vor. Das Kapitel Rezeptionsgeschichte hilft nachzuvollziehen, wie sich der Weg vom hochgelobten Künstler seiner Zeit bis zur heutigen Vergessenheit vollzog.

Die im Spätmittelalter aus Süddeutschland zugewanderten Vorfahren Hubers waren in Basel in die Ratsgeschlechter aufgestiegen, wodurch Maler Hubers Ansehen in der besseren Gesellschaft auch ausserhalb der Rheinstadt gestärkt wurde. In diesen Kreisen fand er quasi als «Gleichgestellter» seine Auftraggeber und konnte ihren künstlerischen Bedürfnissen und ihrem Geschmack perfekt entsprechen. Es waren zunächst die süddeutschen Markgrafen von Baden-Durlach in Basel und Stuttgart, später vor allem die Berner Patrizier, denen er während einer Generation gleichsam als «Hofmaler» diente, obwohl er nie definitiv nach Bern zog.

Das Schwergewicht von Hubers Schaffen lag auf der Porträtmalerei, die er in Bern dank seiner Begabung und einer guten Ausbildung in Italien auf ein neues Niveau hob. Auch in anderen Gattungen der Malerei war er tätig, er schuf heraldische Buchmalerei, war ein hervorragender Entwerfer von Vorlagen für die Reproduktionsgrafik, für Siegel, Münzen und Medaillen, wie auch für Bildhauerarbeiten. Er übernahm ebenso private wie öffentliche Aufgaben. Daneben war Huber, der in seiner Zeit als ausgezeichneter Kunstkenner und -kritiker galt, auch als Sammler und Händler tätig. Er pflegte Freundschaften mit der geistigen Elite der damaligen Eidgenossenschaft.

Ausserordentlich interessant ist das Selbstbewusstsein des Malers, das sich darin äussert, dass er über seine Aufträge genauestens Buch führte. Wertvoll ist Manuel Kehrlis Würdigung dieses Registers im kunstgeschichtlichen Zusammenhang. Manuel Kehrli nähert sich dem Maler von der historischen Seite: Das Einbetten von Hubers Schaffen in die Gesellschaft des Spätbarock gelingt ihm ausgezeichnet. Dadurch erfährt der Leser viel Interessantes zur Personengeschichte von Hubers Umfeld (z. B. 149), und es ist faszinierend zu sehen, wie klein der Kreis der Leute von Rang war, wie sich seine Auftraggeber wohl mehrheitlich kannten. Trotzdem wirkt der Textblock zum Berner Regiment (97f.) in diesem Zusammenhang etwas befremdlich.

Manuel Kehrlis Begründung, dass es aufgrund der Forschungslage nicht möglich sei, einen umfassenden Oeuvrekatalog vorzulegen, ist leicht nachzuvollziehen. Der Haupttext hätte aber durch einen formal abgetrennten, provisorischen Werkkatalog entlastet werden können, denn dort macht die blosse Beschreibung eines nicht abgebildeten Porträts wenig Sinn. Da Kehrli auf einen allgemeinen Exkurs zum Hauptthema des Buches, der Porträtmalerei, verzichtet, ist nicht leicht nachzuvollziehen, was Hubers Porträts so fortschrittlich machte. Ein weiteres interessantes ikonografisches Thema, jenes nach der Wahl und Bedeutung der Attribute der Porträtierten, ist nur stellenweise angetönt (z. B. 109 oder 115).

Manuel Kehrli hat die Schwerpunkte bewusst anders gesetzt. Es kommt ihm das grosse Verdienst zu, durch seine langjährigen Forschungen einen weitgehend vergessenen Maler wiederentdeckt zu haben. Seine historische Spurensuche bringt Einblicke in die Tätigkeit eines Malers, der trotz seines fortschrittlichen, nahezu «aufgeklärten» Selbstbewusstseins in fast mittelalterlichem Sinn ein Auftragsmaler geblieben ist. Oder, wenn ich das Titelzitat in heutige Sprache übersetzen würde: Er hatte das Talent zu einem grossen Maler. Seine Werke sprechen aber die Sprache einer Welt, die uns sehr fremd geworden ist.

Zitierweise:
Charlotte Gutscher: Rezension zu: Kehrli, Manuel: «sein Geist ist zu allem fähig». Der Maler, Sammler und Kunstkenner Johann Rudolf Huber 1668 – 1748. Basel: Schwabe 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 1, 2012, S. 63-64.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 1, 2012, S. 63-64.

Weitere Informationen
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit