W. Huber u.a.: Bahnhof Bern 1860–2010

Cover
Titel
Bahnhof Bern 1860–2010. Planungsgeschichte, Architektur, Kontroversen


Autor(en)
Huber, Werner; Thomas Jantscher
Herausgeber
SBB-Fachstelle für Denkmalschutzfragen; Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK
Reihe
Architektur- und Technikgeschichte der Eisenbahnen in der Schweiz
Erschienen
Zürich 2010: Scheidegger & Spiess
Anzahl Seiten
223 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Philipp Stämpfli

Das vorliegende Buch erschien aus Anlass des 150-jährigen Bestehens des Bahnhofs Bern. Es ist der dritte Band in der Reihe «Architektur- und Technikgeschichte der Eisenbahnen in der Schweiz». Der Titel der Reihe sagt auch schon, dass es sich hier um eine (erweiterte) Architekturgeschichte des Bahnhofs handelt. Wer Aussagen über die wirtschaftlichen und sozialen Implikationen des Bahnhofs für Bern erwartet, dürfte enttäuscht sein. Das soll aber kein Vorwurf sein, da dies gar nicht die Absicht des Autors ist: Ihm geht es in erster Linie um die Baugeschichte und um das Verständnis für die heutige Situation des Bahnhofs.

Die Darstellung ist chronologisch aufgebaut und bietet eine Übersicht über die Geschichte des Bahnhofs seit der Anbindung Berns an das Eisenbahnnetz. Nach einer kurzen Darstellung der ersten Jahrzehnte folgt eine Analyse der städtebaulichen Situation, in die der neue Bahnhof eingebettet wurde. Nachdem noch die topografische Lage der Stadt den Ausschlag für die Standortwahl des Bahnhofs gegeben hatte, begann der Bahnhof jetzt die städtebauliche Situation zu verändern. Bekannt ist der Abriss des Christoffelturms, aber es sei auch an den Bau der Gebäude um den Bahnhof herum erinnert: das Hotel Schweizerhof, die Bollwerkpost oder die Geschäftsbauten rundherum (oberes Ende der Spitalgasse, Eidgenössische Bank etc.) nehmen direkten Bezug auf den Bahnhof. Dabei geht in der Darstellung auch nicht vergessen, wie sich der öffentliche Verkehr der Stadt nach dem Bahnhof ausrichtete, der sich, obwohl anfangs «ausserhalb» der Stadt gelegen, bald zum neuen Zentrum entwickelte. Der Bahnhof wurde ursprünglich als Kopfbahnhof gebaut; das erwies sich schon bald als ungeeignet, und was folgte, ist eine lange (Leidens-)Geschichte des Umgangs mit dieser frühen Standortwahl. Die Grosse Schanze stand der Erweiterung des Bahnhofs immer wieder im Weg, und dementsprechend zahlreich waren die Lösungsvorschläge, welche Umbauten oder einen andern Standort vorsahen. Zuerst wurde die Anlage als Durchgangsbahnhof gestaltet, später folgten verschiedenste Erweiterungen und Umbauten von Geleiseanlagen und Gebäuden. Nach dem Teilabbruch des Hauptgebäudes Anfang der Dreissigerjahre kam als nächste grosse Etappe der Ersatz der «roten Brücke» durch den modernen Eisenbahnviadukt, der die Kapazität des Bahnhofs stark erweiterte. Nun musste auch der Bahnhof selbst der neuen Kapazität der Brücke angepasst werden, was nach langer Planung Ende der 1950er-Jahre in Angriff genommen wurde. Nach der Verbreiterung der Geleiseanlagen unter die Grosse Schanze folgten im Verlauf der 1960er- und 1970er-Jahre die Gebäude rundherum. Schon bald zeigten sich die Nachteile der damaligen Lösung, und es folgte die Arbeit am letztlich gescheiterten Masterplan. In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass auch viele frühere, nicht verwirklichte Projekte vorgestellt werden. Damit vermeidet der Autor eine Geschichtsschreibung, die eine bestimmte Entwicklung als «zwangsläufig» oder «zielgerichtet» darstellt. Der Leser stellt immer wieder fest, wie viele Varianten oftmals diskutiert und wieder verworfen wurden, obwohl sie aus heutiger Sicht durchaus Entwicklungspotenzial gehabt hätten. Mit der Schilderung der jüngsten Arbeiten am Bahnhof, unter anderem der «Welle» im Westen und des Bahnhofplatzumbaus, führt uns der Autor in die Gegenwart. Allein, er bleibt nicht dort stehen: Auch zukünftige Projekte für den Aus- und Umbau des Bahnhofs werden vorgestellt und diskutiert. Abgeschlossen wird die Darstellung mit einem chronologischen Überblick über die Entwicklung des Bahnhofs.

Der Bahnhof Bern erhält mit der vorliegenden Darstellung eine ansprechende Würdigung. Der Autor versteht es ausgezeichnet, die vielen Gutachten, Verbesserungsvorschläge und die tatsächlichen Lösungen in den jeweiligen gesellschaftlichen, städtebaulichen und politischen Kontext einzubetten und nachvollziehbar zu machen. Unterstützt wird der Leser dabei durch eine grosse Anzahl Grafiken, Karten und Pläne. Zudem verwendet der Autor eine ausgezeichnete Auswahl an teilweise unveröffentlichten Bildern, die den Text perfekt ergänzen. Bern erhält damit ein ausführliches Nachschlagewerk zu einem zentralen Thema seiner baulichen Entwicklung.

Zitierweise:
Philipp Stämpfli: Rezension zu: Huber, Werner; Jantscher, Thomas: Bahnhof Bern 1860–2010: Planungsgeschichte, Architektur und Kontroverse. Hrsg. von der SBB-Fachstelle für Denkmalschutzfragen und Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK). Zürich: Scheidegger & Spiess, 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 1, 2012, S. 59-60.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 1, 2012, S. 59-60.

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