H. Hubacher: Geschichten à la carte

Cover
Titel
Geschichten à la carte. Kolumnen und Anekdoten


Autor(en)
Hubacher, Helmut
Erschienen
Oberhofen 2010: Zytglogge Verlag
Anzahl Seiten
332 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christoph Zürcher

Er kann’s nicht lassen – zum Glück nicht. Hubacher liest sich nämlich immer kurzweilig, so wie er als Akteur auf der politischen Bühne auch nie langweilig war. Nach Tatort Bundeshaus (1994, 8 Auflagen), Wohlfahrt oder Talfahrt (1997, 2 Auflagen), Aktenzeichen CH (2004, 2 Auflagen) und Schaubühne Bern (2007) folgt jetzt der fünfte Streich. 114 Kolumnen aus der Schweizer Illustrierten hat er für den Band ausgewählt, die jüngste vom 15.3.2010, die älteste vom 3.1.2000. So arbeiten sich Leserin und Leser vergnügt, fasziniert, amüsiert, beeindruckt, gelegentlich kopfschüttelnd, aber nie gelangweilt, durch zehn Jahre helvetischer Tagespolitik zurück. Helmut Hubacher ist, je nach Objekt und Gelegenheit, mal scharfsinniger Analyst, gescheiter Kommentator, nachdenklicher Mahner, selbstironischer Polemiker, kämpferischer Linker, versöhnlicher Beobachter. Altersmilde ist allerdings kaum zu diagnostizieren, aber mit dem Alter zunehmende Objektivität. Seine eigenen Genossen bekommen nämlich gerade so ihr Fett weg wie politische Gegner zur Rechten. Man goutiert die pointierten Aussagen und die geschliffene Sprache und hat einige Aha-Erlebnisse, weil man die letzten zehn Jahre Gegenwartsgeschichte der Schweiz ja auch miterlebt hat. Es gibt Kommentare von geradezu stupender Aktualität. Beispiel: «Die atomaren Stromfabriken gehören nicht zum ungefährlichen Inventar einer Industriegesellschaft. Gleichwohl vertrauen ihre Betreiber auf den lieben Gott und nicht etwa auf den Blitzableiter. Das störte die Mitglieder der vom Bundesrat eingesetzten Aufsichtskommission überhaupt nicht. Dort sassen lauter AKW-Fundis. Sogar kritische Befürworter der Atomenergie wurden nicht geduldet, geschweige denn AKW-Gegner. So kontrollierten die Kontrollierten ihre Kontrolleure» (238, Kolumne vom 3.1.2000).

Der Band wird abgerundet durch 20 Anekdoten, die verschiedenste Gebiete beschlagen. Herrlich die Geschichte der Panzerbeschaffung. Mit dem Rüstungsprogramm 1984 beantragte der Bundesrat den Kauf von 420 deutschen Leopard-Panzern für 4,5 Mia Franken. Hubacher recherchierte in Bonn. Die Bundeswehr hatte die Karren für die Hälfte beschafft. Hubacher brachte es fertig, dass als neutraler Gutachter Nicolas Hayek beigezogen wurde, der einen vernichtenden Bericht ablieferte. Hubacher liess das Geschäft zum Entsetzen von Bundesrat Delamuraz durch eine Indiskretion über den Sonntagsblick platzen und sparte der Schweiz immerhin 900 Mio Franken. Ergötzlich auch die Idee von Otto Stich, seinem Intimfeind Hubacher die Stelle des BLS-Direktors zu verschaffen. Das war allerdings damals die Domäne der bernischen SP. Das Vorwort von Peter Bichsel ist nett, aber eigentlich überflüssig.

Zitierweise:
Christoph Zürcher: Rezension zu: Hubacher, Helmut: Geschichten à la carte. Kolumnen und Anekdoten. Vorwort von Peter Bichsel. Oberhofen: Zytglogge 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 1, 2012, S. 58.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 1, 2012, S. 58.

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