P. Walter: «Reformationsgeschichtliche Studien und Texte»

Cover
Titel
«Reformationsgeschichtliche Studien und Texte». Vergangenheit und Zukunft einer wissenschaftlichen Reihe


Autor(en)
Walter, Peter
Reihe
Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, 68
Erschienen
Münster 2008: Aschendorff Verlag
Anzahl Seiten
80 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Alois Steiner

Der Bonner Privatdozent Joseph Greving (1868–1919) schuf im Jahre 1906 eine Publikationsreihe von hohem wissenschaftlichem Wert, die die Jahrhundertmarke erfolgreich hinter sich gebracht hat. Greving hat diese Reihe nach Zureden von Sebastian Merkle auf eigenen Antrieb geschaffen. Georg von Hertling (1843–1919), der Gründungspräsident der Görres-Gesellschaft, gewann Greving für die Erforschung der Reformationsgeschichte. An die Aufgabe, eine katholische Luther-Biographie zu schreiben, traute sich Greving nicht unmittelbar heran. Die Beschäftigung mit dessen Gegner Johannes Eck sollte hierzu den Weg bahnen. Greving kam jedoch nicht mehr in die Lage, da in der Zwischenzeit der Dominikaner Denifle und der Jesuit Hartmann Grisar – je aus unterschiedlicher Perspektive – eine solche Arbeit verfasst hatten.

Grevings Idee der Schaffung einer wissenschaftlichen Reihe war ein voller Erfolg beschieden. Er bekam mehr Texte angeboten als er drucken konnte. Die Hoffnung auf einen Lehrstuhl an einer Universität ging jedoch lang nicht in Erfüllung. Erst 1909 erfüllte sich Grevings Lebenswunsch, als er auf den Lehrstuhl von Münster berufen wurde. 1917 vertauschte er ihn mit einem Lehrstuhl in Bonn. Ab dem gleichen Jahr unterstützte die Gesellschaft die Herausgabe des Corpus Catholicorum Grevings Reihe. 1919 starb der gerade Fünfzigjährige an einem tödlichen Herzschlag.

Aus Grevings Wirken sind insgesamt vier wissenschaftliche Reihen hervorgegangen:
1. Die Reihe «Reformationsgeschichtliche Studien und Texte» (RST) erschien 1906 mit Grevings Arbeit über «Johannes Eck als junger Gelehrter». Sie erscheint bis heute und umfasst 152 Publikationen und 6 Supplementsbände.
2. Greving beabsichtigte, dem seit 1834 bestehenden Corpus Reformatorum ein Corpus Catholicorum an die Seite zu stellen. 1919 erschien der erste Band der Reihe mit einer Arbeit von Greving über Johannes Eck. Bis 2007 sind insgesamt 48 Bände erschienen.
3. Eine dritte Reihe erschien erst nach seinem Tode im Jahre 1927 unter dem Titel «Katholisches Leben und Kirchenreform (bis 1966: Kämpfen) im Zeitalter der Glaubensspaltung» (KLK). Sie umfasst bis heute 67 Publikationen.
4. Seit 1900 erschien die Reihe «Vorreformationsgeschichtliche Forschungen», die insgesamt 17 Arbeiten und 1 Supplementsband bis 1967 veröffentlichte. Die Reihe existiert heute nicht mehr.

Nach dem plötzlichen Tode von Joseph Greving führte sein Stellvertreter Stephan Ehse ein Jahr die Geschäfte. 1920 wurde er vom Altkirchenhistoriker und Byzantinisten Albert Ehrhard (1862–1940) abgelöst, dem Nachfolger Grevings auf dessen Bonner Lehrstuhl. 1934 übersiedelte Ehrhard nach Kehl in die Nähe seiner elsässischen Heimat und gab zugleich den Vorsitz ab. Ihm folgte der Bonner Mediävist Wilhelm Neuss (1880–1965). Er hatte die überaus schwierige Aufgabe, das Corpus Catholicorum durch die Zeit des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges zu führen. Sein Nachfolger, sowohl auf dem Bonner kirchengeschichtlichen Lehrstuhl (1949) als auch im Vorsitz der Gesellschaft (1954) wurde der Geschichtsschreiber des Konzils von Trient, Hubert Jedin (1900–1980). Auf ihn folgte 1966 August Franzen (1912–1972), der seit 1941 einer der eifrigsten Autoren in der Reihe des Corpus Catholicorum war. Franzens Nachfolger wurde 1972 der Münsteraner Reformationshistoriker Erwin Iserloh. 1989 übernahm Klaus Ganzer (1932) die Leitung der Gesellschaft. Zuerst war er an der Theologischen Fakultät in Trier tätig gewesen, später an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Nach zehn Jahren übergab er 1999 den Vorsitz an seinen Schüler Herbert Smolinski (1940). Dieser war anfänglich in Bochum tätig, danach bis zu seinem Ruhestand 2005 an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i.Br. Seit 2004 führt Peter Walter von der gleichen Universität den Vorsitz.

Flaggschiff der Gesellschaft ist die mittlerweile auf 48 Bände angewachsene Reihe «Corpus Catholicorum», die vor allem Werke katholischer Schriftsteller im Zeitalter der Glaubensspaltung herausgab (Eck, Cochlaeus, Contarini, Thomas Murner, Johannes Fabri etc.). Die «kleine» Reihe «Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung» (KLK) erscheint seit 1927 als Vereinsschrift. Sie greift auch über das Territorium des Hl. Römischen Reiches hinaus und behandelt einschlägige Themen aus Ungarn, Skandinavien, England und Italien. Oskar Vasella hat 1958 darin seine Studie «Reform und Reformation in der Schweiz» (KLK 16) veröffentlicht. Die Vorreformationsgeschichtlichen Forschungen», die seit 1900 erschienen und insgesamt 17 Bände und 1 Supplementsband veröffentlichten, endeten 1976 und gelten als erloschen. Die «Reformationsgeschichtlichen Studien und Texte» (RST) haben seit 1906 die grosse Zahl von 152 Publikationen erreicht. In den ersten Jahren erfolgten vorwiegend Editionen von Briefen und Briefwechseln, Pfarrbüchern und kirchenpolitischen Schriften. In den letzten Jahren erschienen vorwiegend Monographien und einzelne Sammelbände, die die Ergebnisse von Tagungen präsentieren, an denen die Gesellschaft

Der Same, den Joseph Greving 1906 ausgesät hat, ist aufgegangen. Die RST hat sich als Sammelbecken für Arbeiten erwiesen, die die Entwicklungen im Katholizismus des 16. und 17. Jahrhunderts behandeln, ohne aber konfessionalistisch verengt zu erscheinen. Das Corpus Catholicorum ist nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum Corpus Reformatorum gedacht und soll zum Gespräch zwischen den Konfessionen beitragen.

Zitierweise:
Alois Steiner: Rezension zu: Peter Walter, «Reformationsgeschichtliche Studien und Texte». Vergangenheit und Zukunft einer wissenschaftlichen Reihe (=KLK Heft 68), Münster, Aschendorff Verlag, 2008. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 103, 2009, S. 319-321.

Redaktion
Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in
Weitere Informationen