C. Humair: 1848. Naissance de la Suisse moderne

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Titel
1848. Naissance de la Suisse moderne


Autor(en)
Humair, Cédric
Erschienen
Lausanne 2009: Editions Antipodes
Anzahl Seiten
168 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Hans Ulrich Jost, Section d'histoire, Universität von Lausanne

Der Lausanner Historiker Cédric Humair, der mit seiner Dissertation über die schweizerische Zollpolitik von 1815 bis 1914 einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Schweiz vorgelegt hatte, gibt nun in einer kleinen Schrift eine prägnante Analyse der Entstehung des Bundesstaates von 1848. Als zeitliche Begrenzung hat Humair 1815 (Ende der napoleonischen Ära) und 1857 (Beilegung des Neuenburger Handels und Konsolidierung des Bundesstaates) gewählt. Er vertritt die Ansicht, dass die Schaffung des Bundesstaates nur in der Perspektive einer langfristigen Entwicklung richtig erfasst werden kann. In einem ersten Teil geht Humair den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der Zeit von 1815 bis 1847 nach, wobei er insbesondere auf die zunehmenden Spannungen hinweist, die sich zwischen dem aufkommenden Wirtschaftsbürgertum und den traditionellen Eliten bildeten. Der zweite, an Umfang etwas grössere, Teil handelt vom Umschwung 1847/48 und von den ersten Massnahmen, die den neuen Bundesstaat festigten und die Leitplanken für die weitere Entwicklung vorgaben.

Humair erfasst in differenzierter Weise die wirtschaftliche Dynamik und die daraus hervorgehenden gesellschaftspolitischen Gruppierungen. So kommt beispielsweise der 1843 gegründete Schweizerische Gewerbsverein mit seinem «Monatblatt» häufig zur Sprache. Insgesamt ergibt sich ein interessantes Bild der neuen gesellschaftlichen und politischen Kräfte, die sich schliesslich im Bundesstaat zusammenfanden. Der konfliktreichen politischen Vorgeschichte der Bundesstaatsgründung wird ebenfalls gebührend Beachtung geschenkt. Didaktisch geschickt stellt Humair dann im zweiten Teil den Sonderbundskrieg, das neue politische System und den ersten Bundesrat vor. Er analysiert geschickt die politischen Kräfteverhältnisse und geht dabei auch auf die Defizite der demokratischen Ordnung ein, in der nicht nur die Juden diskriminiert und die Frauen ausgeschlossen waren, sondern auch schätzungsweise einem Sechstel der männlichen Bevölkerung als sozial Unterständige das Stimmrecht verweigert wurde.

Die ersten grossen Geschäfte des Bundes, die Schaffung des Schweizer Frankens, die Zollvereinheitlichung, die Eisenbahnpolitik sowie die Gründung der eidgenössischen Post und des Telegraphen werden genau analysiert und auf ihre Bedeutung für die künftige Entwicklung der Schweiz hinterfragt. Humair geht zu Recht eingehend auf diese Aspekte ein, so dass auch dem mit der Geschichte wenig vertrauten Leser die Errungenschaften des jungen Bundesstaates klar werden. Ein kurzer Blick auf die Verhandlungskultur der eidgenössischen Räte hätte diesem ansonsten reichen Kapitel möglicherweise noch den letzten Schliff gegeben.

Das zweitletzte Kapitel ist der Lage der Schweiz im internationalen Umfeld gewidmet. Neben den bekannten aussenpolitischen Konflikten mit den der neuen Schweiz feindlich gesinnten Nachbarn erläutert Humair auch eingehend die ersten Handels- und Freundschaftsverträge. Man hätte vielleicht auf die Verhandlungen, die zum Handelsvertrag mit Sardinien führten, etwas näher eingehen können – sie liefern nämlich ein gutes Beispiel, wie die privaten Interessen schon damals die Aussenbeziehungen dominierten.

Gewiss, es ist schon viel zur Geschichte der Bundesstaatsgründung geschrieben worden, und 1998, anlässlich des 150. Jubiläums, war erneut eine grosse Zahl von kleinen Studien vorgelegt worden. Doch Überblicksdarstellungen, die auf relativ wenig Seiten das Wesentliche nicht nur zusammenzufassen, sondern auch in erklärende Perspektiven zu stellen vermögen, sind immer noch selten. Cédric Humair hat hier eine Lücke gefüllt und der Vorgeschichte und den ersten Jahren des Bundesstaates eine treffende Darstellung gewidmet, wobei er mit gut ausgewählten Quellenzitaten eine grosse Nähe zum Geschehen schafft.

Zitierweise:
Hans Ulrich Jost: Rezension zu: Cédric Humair: 1848. Naissance de la Suisse moderne. Lausanne, Éditions Antipodes et Société d’Histoire de la Suisse romande, 2009. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 60 Nr. 3, 2010, S. 377-378.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 60 Nr. 3, 2010, S. 377-378.

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