Der Titel dieses Sammelbandes ist reisserisch und lässt eigentlich Schlimmes erwarten. Hält man sich allerdings vor Augen, dass der Herausgeber Journalist ist, wird der plakative Titel eher verständlich, und die zahlreichen Kontakte, die Raimund Allebrand pflegt, kommen seinem Buch mehr als zugute. Neben Mittelalterhistorikern und Romanisten sind nämlich auch Islamwissenschaftler, Ethnologen und ein Filmemacher aus dem Maghreb unter den Autoren zu finden. Gegenstand aller Beiträge ist die Beschreibung und Analyse einzelner Etappen der islamischen Präsenz in Südwesteuropa von den Anfängen bis in die unmittelbare Gegenwart. Insgesamt zwölf Aufsätze umfasst dieses Buch, die alle in deutscher Sprache verfasst sind. Hinzu kommt noch eine längere Einleitung aus der Feder des Herausgebers, der daneben allein für vier der Aufsätze als Autor verantwortlich zeichnet. Zwei Aufsätze stammen vom Bonner Ethnologen und Al-Andalus-Spezialisten Peter Dressendörfer, die übrigen wurden von Werner Altmann, Walther L. Bernecker, Eugen Heinen, Klaus Herbers, Wilhelm Hoenerbach und Idriss al-Jay beigesteuert.
Anders, als es der Titel des Sammelbandes vermuten lässt, stehen Fragen zur aktuellen Situation nicht im Vordergrund. Acht der zwölf Beiträge haben eindeutig historische Fragestellungen zum Gegenstand, die von den Anfängen des Islam im Südwesten Europas bis zur Maurenrezeption der Romantik reichen, zwei weitere sind eher historiographischer Natur. Nur die beiden letzten Aufsätze von Idriss al-Jay über den iberischen Islam und die Moderne sowie von Raimund Allebrand zum Islam in der modernen Gesellschaft Spaniens nehmen direkt Bezug auf die Terroranschläge von New York und Madrid und wirken hierbei ein wenig gequält. Letztlich aber ist diese Schwerpunktsetzung nur positiv, denn an Büchern zum aktuellen Zustand des Islam oder zur Frage des internationalen Terrorismus herrscht bekanntermassen kein Mangel.
Die Qualität der Beiträge ist durchweg gut, einige der Aufsätze sind sogar hervorragend, und das, obwohl nicht alle eigens für diesen Band geschrieben wurden, sondern aktualisierte ältere Texte sind. Besonders die beiden Beiträge von Peter Dressendörfer über das Verhältnis von Al-Andalus und Reconquista sowie über das Ende des spanischen Islam, der Beitrag von Eugen Heinen zum jüdischen Spanien und der Aufsatz von Wilhelm Hoenerbach über den Jakobsweg aus islamischer Sicht müssen lobend hervorgehoben werden, nicht nur wegen der Souveränität, mit der diese drei Autoren ihre Themen behandeln, sondern auch wegen der Kürze und Klarheit, mit der sie ihre Thesen und Argumente vortragen. Gerade der Aufsatz des 1991 verstorbenen Hoenerbach zu einem eher stiefmütterlich behandelten Zweig in der Erforschung der christlich-islamischen Beziehungen in Europa, gerade diese Niederschrift des Mitschnitts eines Vortrags aus dem Jahre 1990 wird trotz ihrer Kürze für lange Zeit als mustergültige Einleitung in diese Fragestellung gelten können.
Wohltuend sind die kontrastreichen schwarz-weiss Grafiken, die stets gut zu lesen sind. Auch die Auswahl der Abbildungen, welche vom Herausgeber in die Beiträge eingefügt wurden, ist gelungen, und man dankt es Allebrand, dass er insbesondere den architekturhistorischen Beitrag mit viel Anschauungsmaterial versehen hat.
Will man ein Fazit ziehen, so muss man sagen, dass Rainer Allebrand mit dem vorliegenden Buch einen ausgewogen komponierten und trotz des fürchterlichen Titels wohltuend unaufgeregten Sammelband mit gut lesbaren Beiträgen zusammengestellt hat. Obwohl sich der Band eher an das grosse Publikum wendet, sind einige Aufsätze so gut, dass sie wichtige Beiträge zu ihren jeweiligen Disziplinen darstellen.
Zitierweise:
Peter Mario Kreuter: Rezension zu: Raimund Allebrand (Hg.): Terror oder Toleranz? Spanien und der Islam. Bad Honnef, Horlemann, 2004. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 1, 2006, S. 117-118.