J.A. Fanzun: Zwischen humanitärer Tradition und Isolation

Titel
Zwischen humanitärer Tradition und Isolation. Die Anfänge der schweizerischen Menschenrechtspolitik bis 1978


Autor(en)
Fanzun, Jon Albert
Erschienen
Bamberg 2004: Difo-Druck GmbH
Anzahl Seiten
435 S.
Preis
ISBN
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Walter Troxler

Das Engagement der Schweiz für die Menschenrechte gilt gemeinhin als Konstante der schweizerischen Aussenpolitik. Dank der Neutralität und als Geburtsstätte der Rotkreuzidee war das Land prädestiniert, sich für das Gedankengut der Humanität in der internationalen Politik einzusetzen. Das Land wurde sozusagen auch im humanitären Bereich ein Sonderfall. Dieses Bild galt nicht nur für viele Schweizerinnen und Schweizer, sondern es war auch die Meinung des Bundesrates. Nach der Lektüre des Buches ist klar: Dieser Schein trügt.

Vor allem seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges tat sich die Schweiz äusserst schwer im Bereich des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Ein erster Hemmschuh dabei war die Tatsache, dass sie sich der UNO nicht anschloss. Mit den Vereinten Nationen begann das Völkerrecht, das bisher nur zwischenstaatliche Bereiche betraf, sich auf das Menschenrecht auszudehnen und es musste damit gerechnet werden, dass die staatliche Gesetzgebung gewisse Anpassungen nötig haben würde. Was aber nicht akzeptiert wurde, war die Tatsache, dass sich die Schweiz damit – in gewissen Teilen mindestens – unter internationale Richter stellen musste.

Nach der Einleitung folgt ein Teil, der sich mit der Rolle der Schweiz im Rahmen der KSZE befasst. Der Beitrag der Schweiz zum gesamten Prozess ist beträchtlich, bezüglich der Menschenrechte jedoch gering. Zur Frage der Menschenrechte gesellte sich jene der Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. Je länger je mehr zeigte sich, dass die postulierte Trennung zwischen Politik und Wirtschaft, oder zwischen Wirtschaft und Menschenrechten, eine rein theoretische war. Der Skandal um die Waffengeschäfte der Firma Bührle führte zu einer neuen Grundsatzdiskussion, die schliesslich die Menschenrechte als Schranke der Kriegsmaterialausfuhr festlegte. Im dritten Teil geht es um die Stellung der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Noch stärker als bei der Frage des UNO-Beitrittes war diese Frage auch mit der Innenpolitik vermischt. Die EMRK setzte die Schweiz unter Druck, vor allem hinsichtlich des Frauenstimmrechtes und der Fremdarbeiterfrage. Konnte der Beitritt zum Europarat rasch über die Bühne gebracht werden, harzte es bei der EMRK umso mehr. Erst nach Einführung des Frauenstimmrechtes wurde die Unterzeichnung wieder zum Thema. Nun wurde trotz der Angst vor «fremden Richtern» zur Unterzeichnung geschritten, aber die Ratifikation dauerte dafür umso länger. Zu einem wirklich politischen Thema wurden diese Fragen mit dem Amtsantritt von Bundesrat Aubert im Jahre 1978, womit die langwierige Vorbereitungszeit auch ihren Abschluss fand.

Die Dissertation zeigt in detaillierter Recherche auf, wie schwer sich die schweizerische Politik – Bundesrat, Parlament wie auch diverse Kommissionen und Expertengruppen – mit den Fragen der Menschenrechte getan hat. Es besteht ein frappanter Gegensatz zwischen der Pionierrolle, die die Schweiz im Bereich des humanitären Völkerrechts eingenommen hatte, und der generellen Reserviertheit gegenüber dem internationalen Schutz der Menschenrechte. Hinzuweisen ist hier noch auf die weitere Buchausgabe von J. A. Fanzun: «Die Grenzen der Solidarität. Schweizerische Menschenrechtspolitik im Kalten Krieg». Zürich NZZVerlag 2005. 462 S.

Zitierweise:
Walter Troxler: Rezension zu: Jon Albert Fanzun: Zwischen humanitärer Tradition und Isolation. Die Anfänge der schweizerischen Menschenrechtspolitik bis 1978. Bamberg, Difo-Druck GmbH, 2004. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 1, 2006, S. 111-112.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 1, 2006, S. 111-112.

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