R. Egli-Gerber: Elisabeth Müller - Leben und Werk

Titel
Elisabeth Müller – Leben und Werk. Eine Annäherung


Autor(en)
Egli-Gerber, Renata
Erschienen
Bern 2005: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
220 S.
Preis
ISBN
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Anna Bähler

Die sechs Kummerbuben, Vreneli, Theresli – im mittleren Drittel des 20. Jahrhunderts erzählten viele Eltern der Deutschschweiz ihren Kindern die erbaulichen und frommen, zuweilen auch tieftraurigen Bücher der Berner Schriftstellerin Elisabeth Müller (1885–1977). Unterdessen sind ihre Geschichten weitgehend aus den Kinderzimmern verschwunden, wohl wegen der antiquierten Sprache, dem naiv anmutenden Gottvertrauen und den moraltriefenden Erziehungsabsichten. Trotzdem können die einfühlsamen Schilderungen von schwierigen Kinderschicksalen Leserinnen und Leser noch heute berühren.

Elisabeth Müller wurde als Schriftstellerin anerkannt und geachtet. Schon zu
ihren Lebzeiten erschienen zwei Bücher zu ihrem Leben, ein weiteres ein Jahr nach ihrem Tod. Die Autoren waren Bewunderer und Berufskollegen dieser bemerkenswerten Frau, deren literarisches Werk sich im Rahmen der Heimatliteratur bewegt, die jedoch immer auch eine entschiedene Befürworterin des Frauenstimmrechts war. Als erste Frau hat sich nun auch Renata Egli-Gerber der Biografi e Elisabeth Müllers angenommen. Das Buch ist gut zu lesen – wenn auch zuweilen die Sprache Elisabeth Müllers abfärbt.

Inhaltlich ist die Publikation interessant. Breiten Raum nimmt das verwandtschaftliche Geflecht der kinderreichen Familie Müller ein. Detailliert wird Herkunft und Situation der Grosseltern, Eltern und Geschwister beschrieben. Ein besonderes Gewicht legt die Autorin auf die gefühlsmässigen Beziehungen zwischen den Personen, deren sozioökonomische Stellung sie ebenfalls thematisiert, wenn auch nicht mit gleicher Ausführlichkeit. Das Buch kann als Studie des bürgerlichen Milieus im ausgehenden 19. Jahrhundert gelesen werden. Einfühlsam schildert Renata Egli-Gerber die Situation der bürgerlichen Hausfrauen, die einem umfangreichen Haushalt, meist mit vielen Kindern, vorstanden und mit häufig recht knappen finanziellen Mitteln zurechtkommen mussten. Auch das schwierige Los der ledigen Töchter, die ihre Eltern im Alter pfl egten, geht nicht vergessen.

Da Elisabeth Müller eine Pfarrerstochter war, fokussiert die Autorin speziell auf die Pfarrfamilien, die wegen ihrer Stellung in der Gesellschaft auch besonderen Belastungen ausgesetzt waren. Hier zeigen sich Verbindungen zwischen Elisabeth Müllers Leben und ihrem Werk, doch scheinen auch kleinere Unstimmigkeiten auf. Renata Egli-Gerber zitiert häufig aus der 1950 erschienen Autobiografie «Die Quelle» und zieht zudem autobiografi sche Texte der Trubschacher Pfarrerstochter Helene von Lerber (1896–1963) und des Kleinbauernsohns Adolf Schär-Ris (1889–1962) bei. Sie kommt zum Schluss, dass die Pfarrerskinder ihre Spielgefährtinnen und -gefährten nicht uneingeschränkt wählen durften. Freies Herumstreifen im Dorf sei für Pfarrerstöchter zu dieser Zeit undenkbar gewesen. Doch genau das tut die fiktive Pfarrerstochter Theresli in einem nach diesem Kind benannten, autobiografisch gefärbten Roman, der 1918 erschien. Auf solch spannende Diskrepanz geht die ansonsten sehr genaue Biografin leider nicht ein.

Zitierweise:
Anna Bähler: Rezension zu: Egli-Gerber, Renata: Elisabeth Müller – Leben und Werk. Eine Annäherung, Bern, Stämpfli, 2005, 220 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 67, Nr. 4, Bern 2005, S. 83.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 67, Nr. 4, Bern 2005, S. 83.

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