L. Wenger: Melchnau auf dem Weg

Titel
Melchnau auf dem Weg. 900 Jahre Melchnau


Herausgeber
Wenger, Lukas et al.
Erschienen
Langenthal 2000: Merkur Druck
Anzahl Seiten
172 S.
Preis
ISBN
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christoph Zürcher

Die rund 1600 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Oberaargauer Gemeinde Melchnau wurde um das Jahr 1100 im «Liber Heremi» des Klosters Einsiedeln anlässlich einer Schenkung erstmals erwähnt. Zu diesem «Jubiläum» erarbeitete eine rührige Redaktionsgruppe unter der Leitung von Lukas Wenger eine Ortsgeschichte nach einem ungewöhnlichen, sehr ansprechenden und originellen Konzept. In geschichtlicher Erzählung, wissenschaftlicher Erläuterung und reichem Bild- und Kartenmaterial unternehmen die Verfasser und die Verfasserin in 19 Etappen einen Gang durch die Gemeinde, den die Leserschaft – mit dem Buch in der Hand – in Wirklichkeit oder bequem zu Hause im Lehnstuhl nachwandern kann. Wegweiser am Schluss jedes Kapitels weisen zur nächsten Station der Wanderung. Erstaunlich, wie viele und wie vielfältige Themen sich in diesem Konzept aneinander reihen liessen: Burgergemeinde, Strassenbau, Badeanstalt, ein Jodlerkomponist (Paul Müller-Egger), Kirche und Pfarrei, das Wirken der «Gemeinnützigen Industrie-Gesellschaft für die Armen zu Melchnau», die Besenbinderei (ein Markenzeichen Melchnaus, im Volkstheaterstück «Die Besenbinder von Melchnau» von G. Reusser thematisiert), Güterzusammenlegung, Teppichweberei, Holzschuhfabrikation, der Industrieverein, der 1871 zur Förderung der Strohflechterei gegründet wurde, die Geschichte des «Bären», der zum «Löwen» mutierte, die Biografie des Jakob Käser, der 1855 die erste Ortsgeschichte verfasste, Sparkasse, Mühle, Landi, Bahn, Post und Telefon, Öle, Gemeindeverwaltung, Skifabrikation, Schulhaus und Schulgeschichte, internierte Polen und ihr Gedenkbrunnen, Käserei und vieles mehr.

Systematik wird nicht angestrebt und beim Lesen auch gar nicht vermisst. Entstanden ist ein vergnüglich zu lesender Band, der gut recherchiert ist und auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Er ist geeignet, Ortsansässigen und Neuzuzügern die Vergangenheit der Gemeinde und deren Hineinwirken in die Gegenwart nahe zu bringen und bewusst zu machen. Ein Orts-, Haus- und Namenverzeichnis erleichtert die Orientierung im Melchnau-Buch, und ein sorgfältiges und – soweit ersichtlich – vollständiges Quellen- und Literaturverzeichnis ermöglicht das tiefere Eindringen in die Geschichte der Gemeinde. Ein Glücksfall war es, dass seit 1973 eine Museumskommission unter der Leitung der ehemaligen Zivilstandsbeamtin und Mitverfasserin dieses Buches, Heida Morgenthaler, systematisch Akten, alte Fotos und andere Dinge gesammelt hat, die nun als Material für die Ortsgeschichte zur Verfügung standen.

Der Geschichtsweg beginnt und endet auf dem Schlossberg, auf dem die Ruinen der Burgen Grünenberg und Langenstein stehen. Sie sind Kristallisationspunkte der Beschäftigung mit Geschichte und Archäologie im Raum Melchnau. Eine erste Grabung von 1848/49 förderte die Burgkapelle zutage mit einem verzierten Plattenboden. Um 1990 nahmen sich archäologisch interessierte Idealisten der Ruine an, gründeten die Stiftung «Burgruine Grünenberg», bald ergänzt durch einen Unterstützungsverein. Bis 1998 sicherten sie mit Hilfe der Fachstellen von Bund und Kanton, von Burger-, Einwohner- und Kirchgemeinde die Burganlage, gleichzeitig erforschten sie die Burg und machten sie dem Publikum zugänglich. Melchnau wurde dadurch zu einem kleinen Zentrum der Burgenkunde. Eine Ausstellung im Melchnauer Gasthof «Löwen» machte im Jubiläumsjahr 2000 die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich. Heute existiert unter www.gruenenberg.ch eine von Lukas Wenger gestaltete und betreute Website zur Anlage Grünenberg, die als Ergänzung zum vorliegenden Band sehr zu empfehlen ist.

Zitierweise:
Christoph Zürcher: Rezension zu: Wenger. Lukas et al (Hrsg.): Melchnau auf dem Weg. 900 Jahre Melchnau, Langenthal, Merkur, 2000. 172 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 64, Nr. 4, Bern 2002, S. 209f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 64, Nr. 4, Bern 2002, S. 209f.

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