Titel
3400 v. Chr.. Die Entwicklung der Bauerngesellschaften im 4. Jahrtausend v. Chr. am Bielersee


Autor(en)
Hafner, Albert; Suter, Peter J.
Reihe
(Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern)
Erschienen
Bern 2000: Haupt Verlag
Anzahl Seiten
Preis
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Sabine Bolliger Schreyer

Zwischen 1988 und 1991 hat der Archäologische Dienst des Kantons Bern am Bielersee Reste von zwei jungsteinzeitlichen Siedlungsstellen mit Dorfanlagen der Zeit um 3400 vor Christus ausgegraben. Es handelt sich dabei um die Rettungsgrabungen Nidau-BKW 1989–1991 und die Tauchgrabungen Sutz-Lattrigen/Lattrigen Riedstation 1988–1990. Die wissenschaftlichen Auswertungen liegen nun in einer reich illustrierten Monografie aus der Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern vor. Neben einem grösseren Autorenkollektiv zeichnen Albert Hafner, Leiter des Bielerseeprojektes, und Peter J. Suter, Leiter der Abteilung Ur- und Frühgeschichte des Archäologischen Dienstes, als Hauptautoren.

Der Titel ist eine Anspielung auf die Methoden der Dendrochronologie, mit deren Hilfe prähistorische Ufersiedlungen jahrgenau datiert werden können. Es ist faszinierend, wie dank dieses Forschungszweiges der Archäologie nicht nur die Baugeschichte einzelner Dörfer, sondern auch die Siedlungsdynamik einer ganzen Region nachvollzogen werden können. Das Fundmaterial der beiden Ausgrabungen wird vollständig vorgelegt und mit den etwa gleichzeitigen Fundkomplexen von Twann UH (untere Schicht der Horgener Kultur) und weiteren Fundstellen vom Bielersee verglichen. In einzelnen Kapiteln werden die Keramik, die Silexindustrie (Silex = Feuerstein), die Geräte aus Knochen, die Hirschgeweihartefakte, die Felsgesteingeräte und die übrigen Materialkategorien wie Textilien, Holz und andere organische Reste behandelt. Eigene Kapitel sind ferner der Archäozoologie und der Archäobotanik gewidmet. Im Kapitel 12 «Entwicklungen und Regionen im 4. Jahrtausend v. Chr.» werden die Resultate aus diesen Auswertungen zu einer Synthese zusammengefasst. Dass es dabei vereinzelt zu Wiederholungen bei der Erläuterung der einzelnen Fundmaterialgruppen kommt, liess sich wohl kaum vermeiden.

Den Autoren ist es ein grosses Anliegen, neolithische Kulturen nicht mehr nur über die Keramik zu definieren, sondern ein neues Chronologie-System einzuführen, das sich von ethnischen Deutungen klar abgrenzt. Die von ihnen postulierte Raum/Zeit-Ordnung basiert einerseits auf absoluten Datierungen und andererseits auf regionalen Einheiten.

Die Analyse des Fundmaterials erlaubt die Aussage, dass am Bielersee im mittleren 4. Jahrtausend sowohl starke lokale Traditionen als auch äussere Einflüsse aus verschiedenen Richtungen festzustellen sind. Beispielsweise spiegeln sich in den Baustrukturen und in der Steinindustrie lokale Traditionen, während der Import von Feuersteinrohmaterial aus dem Pariser Becken und die Formen des Kochgeschirrs Beziehungen mit West- und Osteuropa bezeugen. Die Zunahme des östlichen Einflusses wird durch die in dieser Zeit aufkommende, von Osten ausgehende Ausbreitung der Kupfermetallurgie erklärt.

Erstmals in einer Monografie des Archäologischen Dienstes Bern zu einem urgeschichtlichen Thema wurde eine CD-ROM produziert. Sie enthält weiteres Bildmaterial, Excel-Datenbanken, ergänzende Texte, Tabellen, Grafiken und 3D-Darstellungen. Sie dient auch dem Zweck, den Umfang und die Leserlichkeit des Buches nicht zu belasten. Die moderne Archäologie kommt heute ohne umfangreiche Datenerhebungen nicht mehr aus. Die CD-ROM soll der selbst in der Forschung tätigen Leserschaft ermöglichen, diese zusätzlichen Dateien für eigene Arbeiten nutzbar zu machen. Die Laien stören sie auf diese Weise nicht, geben aber doch Hinweise auf die vielfältige Arbeit heutiger Archäologinnen und Archäologen, die mit Abschluss einer Grabungskampagne jeweils noch lange nicht zu Ende ist, sondern im Idealfall erst mit einer so klar strukturierten und schön illustrierten Publikation wie der vorliegenden endet. Einziger Kritikpunkt an der Publikation elektronischer Datenträger dürfte allerdings der relativ schnelle Verlust der Lesbarkeit sein.

Es ist ein erklärtes Ziel der in der Feuchtbodenarchäologie Forschenden, die Ufersiedlungen an den Schweizer Seen unter den Schutz der UNESCO im Sinne eines Weltkulturerbes zu stellen. Bücher wie dieses sind dem Erreichen dieses Ziels sicher förderlich und man darf gespannt auf die Fortsetzung der Reihe sein.

Zitierweise:
Sabine Bolliger Schreyer: Rezension zu: Hafner, Albert; Suter, Peter J.: 3400 v. Chr.. Die Entwicklung der Bauerngesellschaften im 4. Jahrtausend v. Chr. am Bielersee, Bern, Haupt, 2000 (Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern). 320 S., ill., CD-ROM. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 64, Nr. 3, Bern 2002, S. 134f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 64, Nr. 3, Bern 2002, S. 134f.

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