K. Utz: Quellen zur Geschichte der Waldenser von Freiburg im Üchtland (1

Titel
Quellen zur Geschichte der Waldenser von Freiburg im Üchtland (1399–1439).


Autor(en)
Utz Tremp, Kathrin
Erschienen
Hannover 2000: Verlag Hahnsche Buchhandlung
Anzahl Seiten
837 S.
Preis
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Urs Martin Zahnd

Seit mehreren Jahren beschäftigt sich Kathrin Utz Tremp intensiv mit den Waldenserprozessen, die 1399 und 1430 in Freiburg im Üchtland vor dem Inquisitionsgericht des Lausanner Bischofs stattgefunden haben. Neben zahlreichen Aufsätzen, in denen sie sich mit Einzelfragen aus dem Umfeld der Freiburger Häretiker befasst hat, ist von ihr 1999 unter dem Titel «Waldenser, Wiedergänger, Hexen und Rebellen. Biographien zu den Waldenserprozessen von Freiburg im Üchtland» das gesamte personengeschichtliche Material zu den Prozessen von 1399 und 1430 publiziert worden. Auch dieser über 660 Seiten starke Band ist aber lediglich als prosopografische Materialsammlung zum eigentlichen Kernstück des Forschungsunternehmens, der Edition der Quellen zur Geschichte der Freiburger Waldenser gedacht. Und in der Tat: Die Freiburger Archivbestände erlauben es, einen ungewöhnlich detaillierten Blick auf die Welt der Anhänger des Petrus Valdes in städtischem und ländlichem Milieu der deutsch-französischen Grenzregion zu werfen.

In der umfangreichen Einleitung zur Edition gibt Kathrin Utz Tremp vorerst eine minutiöse chronologische Darstellung der Waldensergeschichte Freiburgs. Der Prozess von 1399 wird eingeordnet in die Endphase einer Verfolgungswelle im deutschen Raum (1389–1401): Ausgelöst haben ihn Anschuldigungen, die kurz zuvor von Angeklagten vor einem Berner Inquisitionsgericht erhoben worden sind. Weil die Berner Behörden sich weigern, neben der Liste der Verdächtigten auch die bernischen Prozessakten herauszugeben, und die Freiburger Angeklagten jede Verbindung zu Häresien bestreiten, endet der erste Freiburger Waldenserprozess mit einem generellen Freispruch. Bemerkenswerterweise tauchen aber bereits 1399 jene Namen auf, die auch 1430 die Inquisition beschäftigen werden; zudem weist die Autorin nach, dass die der Häresie verdächtigten Freiburger enge persönliche und wirtschaftliche Kontakte zu Waldensern aus Strassburg, Breslau, Regensburg, Landshut, Basel usw. besessen haben. Über den Prozessverlauf von 1399 orientiert lediglich eine (allerdings sehr umfangreiche) Einzelurkunde. In den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts nimmt in den Städten des nordwestlichen Alpenvorraumes nicht nur der Antisemitismus zu, sondern auch die Angst vor den Hussiten, die oft mit den Waldensern gleichgesetzt werden (zum Beispiel in der Berner Chronik Konrad Justingers). Gerade in Freiburg scheinen sich die Fronten zwischen mehr oder weniger heimlichen Waldensern und Anhängern der offiziellen Kirche verhärtet zu haben. Der aus einer Familie mit zahlreichen Häretikern stammende Stadtpfarrer Wilhelm Studer, der sich um eine vermittelnde Haltung bemüht hat, muss die Stadt verlassen. Zwischen März und dem 30. Juni 1430 kommt es denn auch zu einem zweiten grossen Inquisitionsprozess gegen die Freiburger Waldenser, der aufgrund zahlreicher Einzelakten sehr genau rekonstruiert werden kann. Die Zusammensetzung des Gerichtes, Präsenz und Absenz einzelner Mitglieder, die Vorgeladenen, die Notare, die jeweils gestellten Fragen, die erteilten Antworten usw. werden präzise festgehalten und interpretiert. Aus der Perspektive dieses reichen Quellenmaterials vermag die Autorin die Situation der Freiburger Waldenser bis zurück ins 14. Jahrhundert zu erhellen. Kodikologische Bemerkungen zum Aktenkorpus von 1430, einige Hinweise zur Rezeption der Ereignisse von 1430 und quellenkritische Ausführungen zur Urkunde von 1399, den Freiburger Seckelmeisterrechnungen von 1429–1439 mit ihren einschlägigen Angaben zu den Waldensern und drei Dokumenten zu Richard von Maggenberg, einem der renommiertesten Angeklagten von 1430, runden die Einleitung ab.

Den Hauptteil der Publikation (Seiten 279–582) bilden die Quelleneditionen,
Kernstück die 129 Einzelquellen zum Prozess von 1430, die vom Freiburger Stadtschreiber und Notar Bernard Chaucy und vom Lausanner Notar Johannes Piaget geschrieben und später in drei Hefte eingebunden worden sind. Die Quellen werden in der überlieferten Reihenfolge publiziert, mit Datum, Ort, einem kurzen Titel-Regest und einer näheren Kategorienzuordnung versehen (Zeugenaussage, Verhör, Anklageartikel usw.) und mit Kommentaren zur Handschrift und zum Inhalt erschlossen. Dieser zentralen Quellensammlung werden im Anhang die Urkunde von 1399, die einschlägigen Seckelmeisterrechnungen von 1429–1439 und die Maggenberger Urkunden angefügt. Die Benützung des Bandes erleichtern ein Namen- und ein Wortregister.

Kathrin Utz Tremp legt mit ihrem Quellenband ein Muster akribischer Recherchier- und Editionsarbeit vor. Es ist zu hoffen, dass die nun leicht zugänglichen Materialien von der Forschung auch eingehend und vielseitig herangezogen und interpretiert werden. Wie die einschlägigen Artikel der Herausgeberin zeigen, lassen sich aus den Dokumenten durchaus nicht nur Aufschlüsse für die Kirchen-, Häresie- oder Frömmigkeitsgeschichte herausarbeiten!

Zitierweise:
Urs Martin Zahnd: Rezension zu: Utz Tremp, Kathrin (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Waldenser von Freiburg im Üchtland (1399–1439), Hannover, Hahnsche Buchhandlung, 2000 (Monumenta Germaniae historica. Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters, Bd. 18), 837 S. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 64, Nr. 3, Bern 2002, S. 125ff.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 64, Nr. 3, Bern 2002, S. 125ff.

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