E. Marti: Carl Albert Loosli, 1877-1959

Titel
Carl Albert Loosli, 1877-1959. Eulenspiegel in helvetischen Landen (1904–1914)


Autor(en)
Marti, Erwin
Erschienen
Zürich 1999: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
Preis
€ 39,00
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Emil Erne

Dass einem wissenschaftlichen Werk in Tageszeitungen bis zu einer ganzen Seite zur Besprechung eingeräumt wird, dürfte eher selten vorkommen. Im Falle der Biografie über C.A. Loosli, von der Erwin Marti nun den zweiten Band vorgelegt hat, ist dies sowohl auf die Aktualität des Inhalts wie auch auf die Attraktivität der Darstellung zurückzuführen. Im zweiten Band seiner dreiteiligen Biografie des Schriftstellers und philosophischen Publizisten, «Stürmigrings» und Unruhestifters greift Marti nochmals auf die bereits dargestellte Zeit ab 1904 zurück. Doch während im früher erschienenen Band die äusseren Lebensumstände bis 1907 im Vordergrund stehen, geht es nun vor allem um das literarische und öffentliche Wirken Looslis im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg. In sechs grossen Kapiteln entwirft der Autor ein breit gefächertes Panorama von Looslis damaligen Aktivitäten auf den Gebieten des Heimatschutzes, der Kunst, der Literaturkritik und Literaturgeschichte, des Rechtswesens und der Politik. Einleitend wird Looslis Situation als Journalist und freier Schriftsteller geschildert, und am Schluss folgt eine Bilanz dieser Jahre von 1904 bis 1914. Anmerkungen, Bibliografie, Personenregister und Inhaltsübersicht in Stichworten beschliessen den Band.

Die wenig unterteilten Kapitel sind kleine, in sich geschlossene Monografien, die je einen eigenen Blick auf einen jedes Mal anderen Loosli werfen. Seine Existenz als «Journalist und freier Schriftsteller» war damals noch eine Ausnahmeerscheinung und zwang ihn zu einer Vielzahl von Überlebensstrategien als Herausgeber, Übersetzer, Werbetexter, Rezitator und sonst wie publizistischer Gelegenheitsarbeiter. Aus dieser Erfahrung heraus wurde er zum Initianten und ersten Präsidenten des Schweizerischen Schriftstellerverbandes, den er aber vergeblich als Interessenvertretung der Schriftsteller zu deren beruflichen Besserstellung im Kampf gegen den Dilettantismus einzusetzen versuchte. Genau wie im Fall der Heimatschutzbewegung begeisterte sich Loosli für die Sache der Kunst im weitesten Sinne und nahm an führender Stelle teil, verabschiedete sich aber, sobald die Bewegung sich in ihr Gegenteil verkehrte. Auch in der Gesellschaft schweizerischer Maler und Bildhauer wirkte er an wichtiger Stelle mit, distanzierte sich konsequenterweise jedoch von einer Entwicklung, die seiner Auffassung von Aufgabe und Wirkung der Kunst zuwiderlief. Seine Stellung in der Schweizer Kunstlandschaft wurde infolge seiner unüblichen und für viele nicht nachvollziehbaren Verbindung von Weltläufigkeit und Bodenständigkeit zusehends die des «Eulenspiegels in helvetischen Landen», wie Erwin Marti das zentrale vierte Kapitel und diesen zweiten Band betitelt. Als Narr und Schalk hat Loosli sich selbst inszeniert, um sein Leiden an den Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten seiner Zeit zu meistern, wie es vor ihm etwa der Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg und der Romantiker Heinrich Heine getan hatten.

Looslis Interventionen zu Missbräuchen im Rechtswesen und seiner politischen Streitschrift «Ist die Schweiz regenerationsbedürftig?» von 1912 sind die weiteren Kapitel gewidmet, denen sich die ausführliche Erörterung der Gotthelf-Affäre anschliesst, durch welche Loosli in universitären Kreisen und namentlich in der Deutschschweiz endgültig der literarischen Ächtung anheim fiel. Als Reaktion auf die Intrigen, die ihn als Mitherausgeber von Gotthelfs Werken ausbooteten, hatte er sich den Scherz geleistet, die philologische Zunft mit der Behauptung an der Nase herumzuführen, der Pfarrer Bitzius habe unter dem bekannten Pseudonym die Werke nicht selber verfasst, sondern lediglich die Manuskripte eines befreundeten Bauern namens Johann Ulrich Geissbühler herausgegeben.

Gliederung und Gestaltung des Buches entsprechen dem bereits erschienenen Band, was sich bei einem mehrteiligen Werk zwangsläufig ergibt. Die in der Besprechung des ersten Bandes angebrachten Vorbehalte brauchen daher hier nicht mehr wiederholt zu werden (siehe BZGH 59, 1997, 339f.). Immerhin sind die spärlichen Abbildungen nun jeweils ganzseitig und damit besser lesbar. Das Inhaltsverzeichnis und die Titel im Text sind erneut nicht durchwegs kongruent. Die Inhaltsübersicht am Schluss erweist sich dagegen wiederum als sehr hilfreich und ersetzt ein Sachregister. Der sachthematische Zugang ist allerdings zentral, denn der Autor arbeitet zum Teil bisher wenig beackerte Gebiete enzyklopädisch auf. Namentlich bezieht er eine imponierende Menge von Zeitungsartikeln von und über Loosli mit ein, die er im Anhang nachweist. Die buchgestalterischen Mängel können Erwin Marti kaum angelastet werden. Im Gegenteil, er versteht es, mit der Qualität seiner inhaltlichen Darstellung dem Leser und der Leserin über die editorischen Schlaglöcher hinwegzuhelfen.

Zitierweise:
Emil Erne: Erwin Marti: Carl Albert Loosli, 1877–1959. Eulenspiegel in helvetischen Landen (1904–1914), Zürich, Chronos, 1999, 541 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 4, Bern 2000, S. 204f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 4, Bern 2000, S. 204f.

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