F. Sladeczek: Der Berner Skulpturenfund

Titel
Der Berner Skulpturenfund. Die Ergebnisse der kunsthistorischen Auswertung. Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte und dem Bernischen Historischen Museum


Autor(en)
Sladeczek, Franz-Josef
Erschienen
Bern 1999: Benteli Verlag
Anzahl Seiten
Preis
€ 59,80
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Josef Huber

1986 stand die bernische Archäologen- und Kunsthistorikerzunft vor einer Sensation: Sanierungsarbeiten an der Westecke der Münsterplattform förderten aus 14 Meter Tiefe rund 500 Figuren- und Architekturfragmente ans Licht, die während der teilweise tumultuösen Ereignisse des Bildersturms von 1528 «... in’s kilchofs schuete vergraben» worden waren (Valerius Anshelm). Der «Jahrhundertfund» spätgotischer Plastik, von Fachkreisen bald einmal in europäische Zusammenhänge gebracht, beschäftigt seither die Forschung. Nach den Akten des Kolloquiums von 1988 erschien 1994 der Fundkatalog des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, der die Resultate der Konservierung präsentierte. Mit der Übersiedlung des Skulpturenfundes in die eigens hergerichteten Räumlichkeiten des Bernischen Historischen Museums (Eröffnung der vollendeten Ausstellung im Spätherbst 2000) legt Franz-Josef Sladeczek nun die Ergebnisse seiner kunsthistorischen Auswertung vor.

Die Funde, welche teils inschriftlich, teils anhand stilistischer Kriterien zwischen 1400 und 1530 datiert werden können, dokumentieren beinahe nahtlos die Entwicklung der bernischen spätgotischen Plastik im Umfeld der 1420 gegründeten Münsterbauhütte. Dem Autor gelang damit die Zuordnung der wichtigsten Werkgruppen zu drei bereits bekannten Künstlerpersönlichkeiten, welche der Aarestadt im Bau- und Ausstattungsfieber des 15. und frühen 16. Jahrhunderts massgeblich ihren Stempel aufgedrückt hatten: Matthäus Ensinger, als erster Werkmeister des Münsterbaus, Erhart Küng, als «bildhower» des Hauptportals und der Schultheissenpforte, sowie der so genannte Bartholomäusmeister, von Sladeczek mit Albrecht von Nürnberg gleichgesetzt, dem nebst der Monumentalskulptur des Berner Christoffels nun auch die qualitätvollsten figürlichen Schlusssteine im Chorhaupt des Münstergewölbes zuzurechnen sind. Mit ihnen verbinden sich oberrheinische, niederländische und fränkische Stilmerkmale, wie sie im Wesentlichen die gesamte bernische Kunstproduktion des 15. Jahrhunderts kennzeichnen.

Nebst der kunsthistorischen Einbettung der Skulpturenfragmente und ihrer sorgfältigen Beschreibung und Ordnung in einem umfassenden Katalogteil (Kapitel vier) bietet die grosszügig illustrierte Publikation einleitend eine kenntnisreiche Skizze dessen, wofür die Figuren in ihrer ganzen Versehrtheit als stumme Repräsentanten auftreten: Einerseits geben sie als materielle Überreste eindrücklich Auskunft zur künstlerischen Blüte Berns im 15. und 16. Jahrhundert, andererseits aber stehen sie da als Sinnbilder zwischen Bilderverehrung und Bilderzerstörung und berichten als Zeitzeugen vom abrupten Ende des spätgotischen Bilderbooms durch die Reformation. Hergang und Ereignisse des Bildersturms stehen dabei gerafft zur Diskussion, bevor sich der Autor thesenartig mit der Problematik des ehemaligen Standorts der Fragmente, die nur einen geringfügigen Ausschnitt der gesamten stadtbernischen Produktion vertreten dürften, beschäftigt (Kapitel eins und zwei). Die Situation der Plastik als Kunstgattung und ihre wichtigsten künstlerischen Vertreter im ausgehenden bernischen Spätmittelalter gelangen anschliessend in Kapitel drei zur Darstellung. Zusammenfassung, Literaturverzeichnis und Anhang, dem ein petrologisches Gutachten zur Pietà des Berner Skulpturenfunds (Jiri Konta, Prag) sowie die Beschreibung eines eigens für mittelalterliche Skulpturenfragmente entwickelten elektronischen Kopierverfahrens (Walther Fuchs, Heinz Stucki) beigefügt sind, beschliessen den stattlichen Band.

Zitierweise:
Josef Huber: Rezension zu: Sladeczek, Franz-Josef: Der Berner Skulpturenfund. Die Ergebnisse der kunsthistorischen Auswertung, Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte und dem Bernischen Historischen Museum, Bern, Benteli, 1999, 459 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 4, Bern 2000, S. 202f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 4, Bern 2000, S. 202f.

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