D. Schnell: Niklaus Sprüngli 1725–1802

Titel
Niklaus Sprüngli 1725–1802. Bauen für die Stadt und Republik Bern


Autor(en)
Schnell, Dieter
Erschienen
Murten 1999: Licorne
Anzahl Seiten
Preis
ISBN
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Josef Huber

Als der 21-jährige Niklaus Sprüngli 1746 mit einem Reisestipendium von 100 Kronen in der Tasche nach Paris reiste, um seine in Bern erworbenen baukünstlerischen Kenntnisse zu vertiefen, mochte man im Berner Rat bereits geahnt haben, dass damit der Grundstein für eine aussichtsreiche Architektenlaufbahn gelegt worden war. Rund drei Jahrzehnte später zählte Sprüngli in der Tat zu jenen wenigen Exponenten eidgenössischen Bauschaffens, deren Biografie Eingang in Johann Caspar Füsslis «Geschichte der besten Künstler in der Schweiz» (Zürich, 1769–1779) fand. In den Jahren zuvor hatte Sprüngli als freier Architekt und obrigkeitlicher Werkmeister der Stadt Bern mit der Hauptwache am Theaterplatz (1766/67), der bedauerlicherweise verschwundenen Bibliotheksgalerie (1771–1776) und dem Hôtel de Musique (1766–1770) beredtes Zeugnis seines Könnens abgelegt. «In Bern ist die Baukunst unglaublich weiter als in Zürich», bemerkte Johann Caspar Lavater 1777 anerkennend in einem Reisebericht nach kritischem Augenschein der jüngst vollendeten Bauten Niklaus Sprünglis. Die Untersuchung Dieter Schnells geht den verwaltungstechnischen Bedingungen der öffentlichen Aufträge Sprünglis auf den Grund.

Trotz der offensichtlichen Reputation, die Sprüngli schon zu Lebzeiten genoss, setzte eine vertiefte Auseinandersetzung mit seinem Werk erst im 20. Jahrhundert ein. Paul Hofer, seit den vierziger Jahren mit den ersten drei Kunstdenkmälerbänden der Stadt Bern beschäftigt, widmete dem Berner Barockarchitekten kontinuierlich umfangreiche Studien. Zuletzt erschien 1992 seine Untersuchung zum «Spätbarock in Bern». Darin, wie auch in früheren Schriften zu Sprüngli, mass Hofer – wie der Autor einleitend feststellt – der baukünstlerischen Gestaltungsfreiheit des scheinbar autonom praktizierenden Architekten grosses Gewicht zu. Sprüngli erschien aus dieser Perspektive als ein schöpferischer «Gestalter des Stadtraums», dessen künstlerischer Intention die Stadt als Organismus gleichsam unterworfen war. Die vorliegende Publikation, 1996 als Dissertation an der Universität Bern eingereicht, unternimmt demgegenüber eine gelungene Akzentverschiebung zugunsten jüngerer kunstwissenschaftlicher Fragestellungen. Weniger die Persönlichkeit des «Künstlerarchitekten» Sprüngli in Bezug zu seinem Werk steht dabei im Vordergrund als dessen Einbettung in ein politisches, soziales, wirtschaftliches und kulturelles «Kräftefeld», dem ästhetisch-stilistische Kriterien bei der Analyse seiner Bauten gleichrangig beigestellt sind. Kernpunkt der Untersuchung bilden die projektierten und realisierten Bauvorhaben, die Niklaus Sprüngli sowohl auf dem Land als auch in der Stadt im Auftrag der Berner Obrigkeit betreut hat. Nach Beendigung seiner Ausbildung, die Sprüngli zuletzt an der Seite Giovanni Niccolò Servandonis nach Deutschland führte, war er 1756 in seine Heimatstadt zurückgekehrt und wurde schon bald bevorzugt für Bauaufgaben auf dem Land herangezogen. Kleinere wie grössere Renovationsarbeiten und Umbauten an Kirchen, Pfarrhäusern und Landvogteisitzen gehörten dabei zum Tagesgeschäft. Erst 1770 gelang ihm mit der Wahl zum Steinwerkmeister der Sprung in die obrigkeitliche Bauverwaltung, der ihm eine wirtschaftlich einigermassen gesicherte Stelle garantierte. Wie der Autor nach minutiösem Quellenstudium plausibel darlegt, galt Sprüngli aufgrund seiner zahlreichen Arbeiten auf dem Land als zuverlässiger Architekt, der unter sparsamem Einsatz der Mittel ästhetisch befriedigende Lösungen zu präsentieren vermochte. Genau darin wird der Gewinn bringende Fokus greifbar, den die vorliegende Untersuchung auf das vielfältige Wirken Sprünglis wirft: er macht in der anschaulichen Beleuchtung des obrigkeitlichen Bauwesens offenbar, welche Stellung Sprüngli innerhalb der Bauverwaltung beschieden war, welche Möglichkeiten, Beschränkungen, aber auch Freiheiten und Strategien ihm bei der Realisierung seiner Aufgaben offen standen. Die Quellen fördern dabei das Bild eines Architekten zutage, der für Planänderungen und Kostenüberschreitungen gegenüber der auf Sparsamkeit bedachten Obrigkeit nicht selten Rechenschaft abzulegen oder ihr aber bereits in der Planungsphase kostengünstigere Alternativen schmackhaft zu machen hatte. Wie weit die Kontrolle gehen konnte, mag ein kleines Beispiel verdeutlichen: als ein Ratsmitglied während den Arbeiten an der Bibliotheksgalerie entdeckte, dass ein geplantes Blindfenster noch nicht wie vorgesehen vermauert worden war, sah sich Sprüngli gezwungen, die Verzögerung umgehend schriftlich zu begründen. Dass Sprüngli seine Arbeiten trotz dieser verwaltungstechnisch eng gesteckten Grenzen mit einer ihm entsprechenden Ästhetik ausstattete – vom Autor in einer abschliessenden Architekturanalyse zusammengefasst –, spricht für seine baukünstlerische Eigenständigkeit, die da und dort über die Grenzen der Republik ausstrahlte. Biografische Aspekte, als einleitendes Kapitel zusammengeführt, und der Versuch einer abschliessenden Synthese zwischen «Leben, Werk und Obrigkeit» runden den geschmackvoll illustrierten Band ab.

Zitierweise:
Josef Huber: Rezension zu: Schnell, Dieter: Niklaus Sprüngli 1725–1802. Bauen für die Stadt und Republik Bern, Murten, Licorne, 1999, 232 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 3, Bern 2000, S. 123f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 3, Bern 2000, S. 123f.

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