G. Herzog: Albrecht Kauw (1616–1681).

Titel
Albrecht Kauw (1616–1681). Der Berner Maler aus Strassburg


Autor(en)
Herzog, Georges
Reihe
(Schriften der Burgerbibliothek Bern)
Erschienen
Bern 1999: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
Preis
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Josef Huber

Die Liebe mochte eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben, als der sich auf Wanderschaft befindende Strassburger Maler Albrecht Kauw in den 1630er Jahren in der Eidgenossenschaft ein Auskommen suchte. Wahrscheinlich aus Zofingen anreisend, wo er wohl seine Frau kennen gelernt hatte, liess sich der frisch gebackene Vater gemäss den Quellen 1640 in Bern nieder. Dabei gaben die günstigere Auftragslage und das Wirken des weit herum geschätzten Malers und Baumeisters Joseph Plepp vermutlich den Ausschlag für die Übersiedlung in die Aarestadt. Die ausserordentlich vielfältigen Tätigkeiten, die Kauw nach seiner Ankunft in einer Reihe künstlerischer Gattungen zu entfalten begann, dokumentiert und würdigt der sorgfältig gestaltete Katalog von Georges Herzog zu Leben und Werk des Künstlers in umfassender Breite.

Albrecht Kauw hinterliess als Künstler in Bern zunächst kaum Spuren. Zwischen 1640 und 1649, dem Jahr, in dem Kauw mit seiner berühmten Kopie des Manuel’schen Totentanzes die Berner Obrigkeit auf sich aufmerksam machte, sind nur wenige gesicherte Werke erhalten geblieben. Dennoch beschreiben die Arbeiten dieser Jahre bereits exemplarisch das künstlerische Spektrum, das Kauw in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts pflegen wird: 1639 betätigt sich Kauw mit den Bildnissen der Ehegatten Gabriel und Anna von Diesbach (-von Wattenwyl) als Porträtist, die Totentanzkopie zeigt in Ansätzen seine spätere Landschaftsauffassung, und das Vanitasbild mit Basler Schreibkalender (1649) eröffnet mit mahnendem Unterton den üppigen Reigen seiner Stillebenmalerei. Kauws Erkundung der verschiedenen Gattungen erklärt der Autor mit den herrschenden künstlerischen Produktionsbedingungen. Da seit der Reformation die kirchliche Auftraggeberschaft fehlte, «begannen», wie Georges Herzog einleitend schreibt, «die Künstler im 17. Jahrhundert neue Themen aufzugreifen und sich ein neues Publikum für ihre Produkte zu erschliessen.» Kauw, von der Obrigkeit mit Ausnahme eines fünfteiligen Gemäldezyklus für das städtische Kaufhaus zusehends nur als Handwerker und Dekorationsmaler herangezogen, gelang es, die Repräsentationsbedürfnisse der vermögenden patrizischen Gesellschaft geschickt für sich zu nutzen. Die patrizischen Auftraggeber und ihr standesgemässes Selbstverständnis aber gilt es, wie der Autor überzeugend deutlich macht, bei einer kritischen Interpretation der Kauw’schen Arbeiten im Auge zu behalten. Die Auswertung des Ämterbuches Victor von Erlachs beispielsweise, zu dem Kauw die im Bernischen Historischen Museum aufbewahrten Aquarellveduten bernischer Landvogteien und Herrschaftssitze beisteuerte, liefert dafür wichtige Argumente. Landschaft als Bildmotiv wird in diesem besonderen sozialgeschichtlichen Kontext nicht nur um ihrer selbst willen porträtiert, sondern auch als idealer Ausdruck «der obrigkeitlichen Verwaltung und des privaten Grundbesitzes» begriffen. Dieser Interpretationsrahmen greift auch bei der Analyse der Kauw’schen Landschaftsveduten und Stillleben in Öl, die als Elemente der Raumausstattung zahlreiche bernische Landsitze schmückten. Gerade Letztere beschreibt Herzog – vor dem Hintergrund niederländischer Malerei – einleuchtend mit dem Verweis auf die gartenbaulichen Interessen des Berner Patriziats, wie sie Daniel Rhagor im zeitgenössischen «Pflanz-Gart» propagierte, einer praxisnahen Unterweisung zur Kultivierung gepflegter «Obst-, Kräuter- und Weingärten». In ihrer Opulenz funktionieren demnach die Dessert-, Gemüse-, und Früchtestücke, die geschmackvoll arrangierten Darstellungen aufgesperrter Vorratskammern, wo zu «Nutz und Lust» ihrer patrizischen Konsumenten Geflügel, Wild und Schweineschinken baumeln, als eigentliche «Illustrationen adeligen Landlebens». Dass Kauw sich bei seiner privaten Auftraggeberschaft als innovativer Raumausstatter zu etablieren vermochte – nachvollziehbar am Beispiel der Innenausstattung von Schloss Oberdiessbach –, darf als wichtigster neuer Aspekt in der Erforschung von Kauws künstlerischem Schaffen bewertet werden. Mit dem rund 200 Nummern zählenden und grosszügig bebilderten Werkkatalog, der – unterschieden nach Bildträger und Gattungen – das facettenreiche künstlerische Wirken Albrecht Kauws in anregenden Bildbeschreibungen beleuchtet, wird sich der vorliegende Band zum unverzichtbaren Instrument für weiterführende Erkundungen der bernischen und schweizerischen Kunst- und Kulturgeschichte des 17. Jahrhunderts etablieren.

Zitierweise:
Josef Huber: Rezension zu: Herzog Georges: Albrecht Kauw (1616–1681). Der Berner Maler aus Strassburg (Schriften der Burgerbibliothek Bern), Bern, Stämpfli, 1999, 400 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 3, Bern 2000, S. 121f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 3, Bern 2000, S. 121f.

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