H. Ebner: Der Staat als Bauherr im 18. Jahrhundert

Titel
Der Staat als Bauherr im 18. Jahrhundert. Öffentliches Bauen auf der Berner Landschaft


Autor(en)
Hans-Anton, Ebener
Reihe
(Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 88)
Erschienen
Stuttgart 1999: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
Preis
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Erika Flückiger Strebel, Schweizerische Gesellschaft für Geschichte

Die wenigen Forschungsarbeiten, die bisher die öffentliche Bautätigkeit in der frühen Neuzeit unter einem wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Blickwinkel untersucht haben, beschränken sich alle auf den städtischen Bereich. Unter den Bauten der Landschaft rückten höchstens patrizische Landsitze und herrschaftliche Schlösser in das Blickfeld der vornehmlich kunstgeschichtlichen Forschung. Mit der Dissertation von Hans-Anton Ebener, die im Rahmen eines Forschungsprojektes zu den Berner Staatsfinanzen am Historischen Institut der Universität Bern entstanden ist, liegt erstmals eine Arbeit vor, die am Beispiel Berns im 18. Jahrhundert die Bautätigkeit eines Territorialstaates aus der Sicht des Finanz- und Verwaltungshistorikers beleuchtet.

Im ersten Hauptteil befasst sich die Studie mit der Errichtung von Neubauten und konzentriert sich dabei auf die Nutzbauten der Territorialverwaltung wie Pfarrhäuser, Pfrundscheunen, Kornhäuser, Rebhäuser, Zollgebäude usw. Weil die vom Autor untersuchten Bau- und Reparationsbücher im Staatsarchiv Bern meist nur Kostenvoranschläge zu geplanten Neubauten enthalten, war es dem Autor leider in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht möglich, die effektiven Lohn- und Materialkosten der Neubauten zu ermitteln. Überschreitungen des veranschlagten Aufwandes dürften nach Ansicht des Autors jedoch vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vorgekommen sein. Trotz dieser Einschränkung liefert die Auswertung der budgetierten Ausgaben wertvolle Hinweise auf die Tätigkeiten, die Zuständigkeitsbereiche und die Anteile der einzelnen Handwerke an den gesamten Baukosten und darüber hinaus auch Informationen zu regional unterschiedlichen Bauweisen und -materialien sowie architektonischen Details und Vorlieben.

Der zweite Hauptteil widmet sich den Kosten, die dem Staat mit dem Unterhalt von Hoch- und Tiefbauten entstanden. Um die Investitionen der bernischen Obrigkeit in Unterhaltsarbeiten an Hoch- und Tiefbauten auf ihrem gesamten Territorium zu dokumentieren, stützt sich der Autor auf die ordentlichen Rechnungsausgaben je dreier Landvogteien aus dem Seeland, Emmental, Oberland, Unteraargau und der Waadt. Aus dem gewonnenen Datenmaterial leitet er nicht nur regionale Unterschiede der Investitionssummen und des Kostenumfangs einzelner Bauten ab. Es gelingt ihm dank eines Vergleichs der Bauausgaben auf Landvogtei-Ebene in den 1730er und den 1780er Jahren auch, bisher unbekanntes Datenmaterial zur Entwicklung der Baumaterialpreise, der Handwerkerlöhne und damit des Bauaufwandes insgesamt im
Laufe des 18. Jahrhunderts zu gewinnen.

Die Daten fördern zu Tage, dass der Staat wesentlich mehr Geld in den Unterhalt von Hochbauten investierte als in den Strassenbau. Dabei befanden sich zwar die Wohngebäude von Pfarrern, Landvögten und Landschreibern gegenüber Ökonomiegebäuden wie Scheunen und Ställen in der Minderzahl, verschlangen jedoch bedeutend mehr Mittel. Im gesamten 18. Jahrhundert erreichten die Ausgaben für den Unterhalt von Hochbauten nie mehr als zehn Prozent der gesamten staatlichen Jahresausgaben. Dieser erstaunlich tiefe Anteil erklärt der Autor mit der grossen Zahl an Neubauten, die der Staat im Laufe des Jahrhunderts erstellte, denn diese verursachten in den ersten Jahrzehnten kaum Unterhaltskosten. Zusammen jedoch verschlangen Neubauten und Unterhaltskosten immerhin einen Viertel der Staatsausgaben. Was aus Sicht des Staatshaushaltes zu hoch war und von der zentralen Rechnungskontrolle immer wieder moniert wurde, brachte für die Handwerker vor Ort höchst willkommene Verdienstmöglichkeiten und damit auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen.

Es muss wohl der Quellenart der meist recht dürren Rechnungs- und Devisbücher zugeschrieben werden, dass alltags- und mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen in der Arbeit nicht angesprochen werden. So bleiben leider die Beweggründe der Bauherren zur Errichtung eines Neubaus, die Arbeitsverhältnisse sowie mögliche Konflikte unter den Handwerkern und mit dem Auftraggeber, aber auch Veränderungen der Nutzungsansprüche und der Ausstattungswünsche unter dem Eindruck neuer architektonischer Strömungen und gesellschaftlicher Bedürfnisse im Dunkeln. Zur Veranschaulichung der Vielzahl von Detailangaben in einzelnen Bauprojekten wünschte sich der architekturhistorische Laie nebst dem sehr hilfreichen Glossar im Anhang ab und zu eine erhellende Skizze, um die zeitgenössischen Termini in den beschriebenen Gebäuden besser einordnen zu können. Zu bedauern ist zudem, dass die Ergebnisse der Studie nicht auch kartografisch und damit für die Leserschaft anschaulicher umgesetzt werden, obwohl sich dies aufgrund der in der Arbeit immer wieder angesprochenen und untersuchten Frage nach der regionalen Verteilung der Staatsbauten auf der Landschaft geradezu aufdrängt.

Insgesamt liefert der Autor bisher kaum bekannte Einblicke in die verwaltungstechnische Organisation des staatlichen Bauwesens. Er steckt die Kompetenzen und Zuständigkeitsbereiche der Baumeister und der Landvögte ab und belegt anhand zahlreicher Beispiele das Bemühen der Vennerkammer als oberster Finanzbehörde, allfällige Kompetenzüberschreitungen der Amtleute mittels akribischer Kontrollen der Bauabrechnungen und den jährlichen Landvogteirechnungen zu verhindern. Die äusserst umfangreiche, sowohl zeitlich wie räumlich breit abgestützte Datenbasis macht die Arbeit von Hans-Anton Ebener für viele sozial- und wirtschaftsgeschichtlich interessierte Forschende höchst interessant, da empirisch fundierte Preis- und Lohnskalen zur frühen Neuzeit nicht nur auf bernischem Gebiet immer noch rar sind.

Zitierweise:
Erika Flückiger Strebel: Ebener, Hans-Anton: Der Staat als Bauherr im 18. Jahrhundert. Öffentliches Bauen auf der Berner Landschaft (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 88), Stuttgart, Franz Steiner Verlag, 1999, 235 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 4, Bern 2000, S. 198f.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 62, Nr. 4, Bern 2000, S. 198f.

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