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Mittelalterliche Geschichte

C. Kleinert: Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439).

 

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Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 3, 2006, S. 366-367.
Autor(en):
Titel:Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges
Ort:Ostfildern
Verlag:Jan Thorbecke Verlag
Jahr:
ISBN:3-7995-7453-0
Umfang/Preis:540 S.

Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Georg Modestin, Bern
E-Mail: <gmodestinhotmail.com>

«Neben seiner Rolle als Leiter der [Basler] Konzilslegation zu den Hussiten ist es noch am ehesten die kurze Interimspräsidentschaft des Philibert de Montjeu im Sommer 1432, die mit seinem Namen in allgemeineren kirchengeschichtlichen Darstellungen in Verbindung gebracht wird» (S. 367). Soviel zum Ausgangspunkt von Christian Kleinerts Monographie, die erstmals Leben und Laufbahn des Genannten nachzeichnet. Dem burgundischen Adelsspross war eine administrative Laufbahn zugedacht. Das Rüstzeug dazu erhielt er in Paris, wo er sich den Artes widmete, die durch Rechtsstudien an einem bislang unbekannten Ort ergänzt wurden. Mit diesem Wissen ausgestattet, trat Philibert de Montjeu in den burgundischen Herzogsdienst, in dem er es während der faktischen Herrschaft von Johannes Ohnefurcht über Paris bis zum königlichen Bittschriftenmeister brachte. Johanns Ermordung 1419 zog jedoch einen Karriereknick nach sich, da dessen Nachfolger Philipp der Gute keine Verwendung mehr für Philibert hatte.

Die erforderliche Neuorientierung führte zu gescheiterten Bischofskandidaturen in Amiens und Paris, bevor Philibert 1424 schliesslich der Bischofsstuhl im normannischen Coutances übertragen wurde. Seine Stellung als Burgunder an der Spitze einer im englischen Einflussbereich liegenden Diözese war indes delikat und von der aktuellen politischen Grosswetterlage zwischen den beiden Mächten abhängig. Vermutlich bot ihm daher das Basler Konzil eine willkommene Gelegenheit, um sich aus der «Schusslinie» zu bewegen. Dem Basiliense diente er in erster Linie als um Ausgleich bemühter Hussitengesandter. Dies sollte seine letzte Aufgabe sein, da er 1439 in Prag an der Pest starb. Weshalb ausgerechnet Philibert de Montjeu als Konzilslegat nach Böhmen entsandt wurde, beantwortet der Autor mit dem Hinweis auf dessen «langjährige Erfahrungen in Regierungsaufgaben, als Organisator und Unterhändler in Krisensituationen, die er seiner Zeit als burgundischer Rat und anglofranzösischer Bischof verdankte. […] Prälaten, die alle diese Qualitäten in sich vereinigten, fanden sich auf der Synode nur in kleiner Zahl, und diese wenigen waren in der Regel Vertreter ihrer Fürsten und daher nicht für langwierige Gesandtschaften im Dienst der Synode abkömmlich» (S. 377). Nicht doktrinale Gründe waren also für Philiberts Berufung ausschlaggebend, sondern pragmatische.

Dieser knappe Abriss vermag Kleinerts auf eine Mainzer Dissertation zurückgehenden Arbeit natürlich nicht gerecht zu werden: Mit Bienenfleiss hat der Verfasser Archivalien aus insgesamt siebzehn Depots in vier Ländern zusammengetragen, um den Werdegang seines «Helden» minutiös zu rekonstruieren. Doch ist das nicht alles: Vor den Augen der Leser entsteht ein ganzes Epochenbild, bestimmt durch wechselnde politische Konstellationen zwischen Frankreich, England und Burgund, wobei selbst ein Ort wie Basel mit seinem Konzil vom Ringen um Macht und Einfluss nicht unberührt bleiben konnte. Ein besonderes Augenmerk des Autors gilt den jeweiligen Handlungsspielräumen von Einzelpersonen. Wie frei war Philibert in seinen Entscheidungen, wie weit wurden seine Taten durch Sachzwänge beeinflusst? Auf verschiedenen Lebensstationen wird seine Biographie mit denen seiner Zeitgenossen kontrastiert, seien dies Familienmitglieder, Studiengenossen oder Rivalen. Die sich dabei ergebende Kreuzung von biographischem und prosopographischem Ansatz eröffnet neue Einsichten und Perspektiven, welche den grossen Aufwand, der hinter diesem Buch steht, lohnend machen. Über die – unumgänglichen – Grenzen seiner Anstrengungen ist sich der Autor selbst im klaren. Als leise Kritik sei daher bloss die Anordnung einzelner Kapitel angesprochen: Für alle, die mit den Details franko-burgundischer Politik weniger vertraut sind als der Verfasser, wäre eine frühere ereignisgeschichtliche Situierung hilfreich gewesen. Davon abgesehen legt Kleinert mit seinem Philibert eine Biographie mit Modellcharakter vor.

Zitierweise Georg Modestin: Rezension zu: Christian Kleinert: Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges (Beihefte der Francia, Band 59). Ostfildern, Jan Thorbecke Verlag, 2004. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 3, 2006, S. 366-367. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/infoclio/id=18120>
 
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