Buchpreis: Essay Kategorie Alte Geschichte

Von
Udo Hartmann

Essay von Udo Hartmann, Humboldt-Universität zu Berlin

Aus der Vielfalt der althistorischen Veröffentlichungen des Jahres 2005 die fünf besten Monografien auszuwählen, ist eine fast nicht zu bewältigende Aufgabe. Gleiche Voten für die beiden dritten und die drei vierten Plätze demonstrieren die Schwierigkeiten, angesichts der Mannigfaltigkeit und Unterschiedlichkeit altertumswissenschaftlicher Untersuchungen die grundlegenden Darstellungen, wichtige Forschungen zu den wesentlichen Themen der Alten Geschichte und innovative Ansätze herauszuheben. Die Voten der Jury und der Subskribenten/innen haben in diesem Jahr aber sicherlich eine Liste von Monografien ergeben, die dieses Ziel erreicht haben. Unter den ersten Plätzen der Rangliste finden sich sowohl Überblickswerke zu den seit Jahrzehnten bearbeiteten Standardthemen der Alten Geschichte als auch aktuelle Forschungsarbeiten mit neuen Ansätzen und Fragestellungen. Zur ersten Kategorie gehören zweifellos die Darstellungen zu Alexander dem Großen und Caesar aus der Feder von Hans-Ulrich Wiemer und Werner Dahlheim. Die beiden berühmten Feldherren und Eroberer, die schon Plutarch in seinen Doppelbiografien nebeneinander stellte, üben auch in Zeiten, in denen es angesichts von Sozial-, Kultur-, Mentalitäts- oder Geschlechtergeschichte altmodisch geworden ist, das Wirken großer Männer darzustellen, eine bemerkenswerte Faszination aus. So nimmt es nicht Wunder, dass die Wissenschaftsverlage hier mit immer neuen Einführungen, Überblicken und Gesamtdarstellungen die Nachfrage von Studierenden und Bildungsbürgern stillen. Und es erstaunt auch nicht, dass Jury und Subskribenten/innen diese beiden gut geschriebenen und wissenschaftlich überaus soliden Darstellungen prämierten. Wiemers Einführung (Platz 4) aus der Reihe „Beck Studium“ gibt einen profunden Überblick über das Leben Alexanders sowie über die spätere Rezeption des jugendlichen Welteroberers. Übersichtliche Gliederung, knappe Darstellung und der Verzicht auf Anmerkungen und Quellennachweise sollen dabei vor allem Studierende ansprechen. Der Berliner Altmeister Werner Dahlheim zieht mit seinem Buch „Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates“ die Bilanz einer langjährigen Beschäftigung mit dem römischen Diktator. Sprachgewaltig und pointiert wird uns hier Caesars Wirken als Feldherr und Staatsmann sowie „das Drama vom Untergang der Römischen Republik“ (S. 15) in seiner ganzen Breite vorgeführt. In kräftigen Bildern malt Dahlheim das faszinierende Gemälde einer Zeit der Umbrüche und schildert militärischen Erfolg und politisches Scheitern seines Protagonisten; zu sehr Feldherr statt Politiker fehlte ihm ein Konzept für die Umgestaltung der res publica. Erst dem Politiker Augustus gelang es, die „Not des Staates“ zu beheben. Dahlheim schreibt dabei nicht nur eine politische Biografie Caesars, sondern stellt das politische Handeln der gesamten römischen Aristokratie im ersten Jahrhundert v.Chr. in überzeugender Weise dar. Dass dieses Buch gegenüber den früheren Veröffentlichungen Dahlheims zu Caesar wenig Neues bietet und die Anmerkungen zumeist nur die Quellen liefern, schmälert wenig die Qualität eines Werkes, das sowohl eine fesselnde Darstellung als auch eine brillante Analyse der Epoche bietet und so einem großen Leserkreis den wohl berühmtesten Römer anschaulich näher bringt; alles in allem ein verdienter erster Platz.

Auf den übrigen Plätzen finden sich Forschungsarbeiten, die einen neuen Blick auf alte Probleme werfen oder gänzlich neue Fragen beantworten. Angelos Chaniotis nimmt in seiner grundlegenden Arbeit zum „War in the Hellenistic World“ (Platz 2) nicht die großen Schlachten in den Fokus, sondern untersucht die sozialen Aspekte der im Hellenismus allgegenwärtigen Kriege in Griechenland und Kleinasien, etwa das Leben der Söldner, die Frauen im Krieg, die Kriegskosten, Gewinner und Verlierer oder die Bilder über den Krieg in der Erinnerungskultur. Rene Pfeilschifter betrachtet in seiner Dissertation (Platz 3) umfassend die Politik des Titus Quinctius Flamininus gegenüber den griechischen Poleis und Koina sowie den hellenistischen Monarchien. In dieser gründlichen Detailstudie des römischen Vorgehens in Griechenland am Anfang des zweiten Jahrhunderts v.Chr. zeigt Pfeilschifter insbesondere die strategische Konzeptionslosigkeit und das politische Unvermögen der Römer auf, die mit kurzfristigem Handeln einzig ihre Vorherrschaft sichern wollten. Flamininus steht dabei paradigmatisch für die senatorische Führungsriege um 200, der es trotz ihrer konzeptionellen Defizite dank des überragenden militärischen Potentials gelang, Roms Hegemonialstellung zu bewahren. Flamininus war also „ein mediokrer und ein erfolgreicher Politiker“ (S. 395). Die christliche Spätantike thematisieren Karen Piepenbrink („Christliche Identität und Assimilation in der Spätantike“, Platz 3) und Claudia Rapp („Holy Bishops in Late Antiquity“, Platz 4): Während Piepenbrink die Probleme der „gewöhnlichen“ Christen im nunmehr christianisierten Römischen Reich in der Zeit von Constantin bis Augustinus, die Auseinandersetzung mit einer noch stark pagan geprägten Umwelt und die Formung einer neuen christlichen Identität untersucht, betrachtet Rapp Stellung, Autorität sowie kirchliche und politische Tätigkeit des Bischofs, dessen Heiligkeit die Grundlage seiner Autorität bildet. Die kulturgeschichtliche Arbeit von Elke Stein-Hölkeskamp (Platz 4) wendet sich schließlich einem wesentlichen Moment des gesellschaftlichen Lebens in Rom zu: dem Gastmahl. Immer nahe an den Quellen betrachtet sie detailverliebt und überaus anschaulich die unterschiedlichsten Aspekte des convivium und streicht dabei seine große soziale und politische Bedeutung in der römischen Lebenswelt heraus, war das Gastmahl doch sowohl Ausdruck sozialer Hierarchien als auch Möglichkeit zur Kommunikation. Stein-Hölkeskamps faszinierende Darstellung ist zweifellos auch für ein breiteres Publikum zu empfehlen.

Diese fünf hier kurz vorgestellten Arbeiten zeigen, dass trotz der wachsenden Ausdifferenzierung in den Altertumswissenschaften und trotz der unüberschaubaren Fülle an Veröffentlichungen profunde Einzelstudien zu innovativen und anregenden Themen mit dem Interesse eines breiten Leserkreises rechnen können. Die Rangliste spiegelt außerdem zwei aktuelle Forschungsschwerpunkte wider: die jahrzehntelang eher stiefmütterlich behandelten Epochen des Hellenismus und der Spätantike sind aus ihrer Randständigkeit in den Mittelpunkt der Forschung gerückt, dabei wird nun weniger die Ereignisgeschichte rekonstruiert, sondern nach den sozialen Lebenswelten, nach Mentalitäten und politischen Handlungsmustern gefragt. Die Rangliste des Buchpreises demonstriert aber auch, dass die Geschichte der Antike vielfach immer noch als eine Geschichte großer Feldherren verstanden wird, deren Lebensweg Autoren/innen und Leser/innen nicht müde werden, in der klassischen Form der Biografie nachzugehen.

Von der H-Soz-u-Kult Jury „Das Historische Buch 2006“ wurden in der Kategorie Alte Geschichte folgende Titel auf die vorderen Rangplätze gewählt:

1. Dahlheim, Werner, Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates, Paderborn 2005. Rezension von Stefan Selbmann, in: H-Soz-u-Kult, 19.06.2006 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-2-202>.
2. Chaniotis, Angelos, War in the Hellenistic World. A Social and Cultural History, Malden 2005. Rezension von Frank Daubner, in: H-Soz-u-Kult, 17.08.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-3-100>.
3. Pfeilschifter, Rene, Titus Quinctius Flamininus. Untersuchungen zur römischen Griechenlandpolitik, Göttingen 2005. Rezension von Boris Dreyer, in: H-Soz-u-Kult, in Vorbereitung
3. Piepenbrink, Karen, Christliche Identität und Assimilation in der Spätantike. Probleme des Christseins in der Reflexion der Zeitgenossen, Frankfurt am Main 2005. Rezension von Ulrich Lambrecht, in: H-Soz-u-Kult, 02.01.2006 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-1-003>.
4. Rapp, Claudia, Holy Bishops in Late Antiquity. The Nature of Christian Leadership in an Age of Transition, Berkeley 2005. Rezension von William Klingshirn, in: Bryn Mawr Classical Review, 2006.01.38 <http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2006/2006-01-38.html>.
4. Wiemer, Hans-Ulrich, Alexander der Große, München 2005. Rezension von Sabine Müller, in: H-Soz-u-Kult, 25.04.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-2-061>.
4. Stein-Hölkeskamp, Elke, Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005. Rezension von Dorit Engster, in: H-Soz-u-Kult, 29.08.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-3-123>.

Die Listen sowie detaillierte Angaben zur Jury und zum Verfahren können Sie auf dem Webserver von H-Soz-u-Kult <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/buchpreis> nachlesen.

Zitation
Buchpreis: Essay Kategorie Alte Geschichte, In: H-Soz-Kult, 18.07.2006, <www.hsozkult.de/text/id/texte-780>.
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