: Time is on my Side. Konsum und Politik in der westdeutschen Jugendkultur der 60er Jahre. Göttingen 2006 : Wallstein Verlag, ISBN 3-8353-0073-3 840 S., 53 Abb. € 49,00

: Die antiautoritäre Revolte der 68er. Postindustrielle Konsumgesellschaft und säkulare Religionsgeschichte der Moderne. Köln 2006 : Böhlau Verlag, ISBN 3-412-33705-6 314 S. € 39,90

Hodenberg, Christina von; Siegfried, Detlef (Hrsg.): Wo "1968" liegt. Reform und Revolte in der Geschichte der Bundesrepublik. Göttingen 2006 : Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 3-525-36294-3 205 S., 10 Abb. € 19,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Philipp Gassert, Department of History, University of Pennsylvania, Philadelphia

Die wissenschaftliche Suche nach dem historischen Ort von „1968“ ist deutlich vorangekommen. Um 1998, dem 30. Dienstjubiläum der Revolte, setzte die damals zum Programm erhobene Historisierung der Außerparlamentarischen Opposition (APO) und der Studentenbewegung ein. Wie der Untertitel eines wichtigen Sammelbandes postulierte, wurde die Transformation „vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft“ auf die Tagesordnung gesetzt.1 Es wurde die „Entzauberung des Mythos“ gefordert2 und die Einordnung in die „langen 1960er-Jahre“ vorbereitet.3 Viele der damals begonnenen Forschungsprojekte sind jetzt abgeschlossen worden. Die heftigen Urteile von Anhängern und Gegnern der revoltierenden APO werden von jüngeren Historikern und Historikerinnen zur Disposition gestellt, deren Perspektive eine andere ist als diejenige der Zeitzeugen.

Ist damit der Revolte der Stachel gezogen? In der öffentlichen Wahrnehmung scheint dies eher nicht der Fall zu sein. Eine auf dramatische Bilder getrimmte Medienkultur hält „1968“ am Leben, obwohl die aktuelle Relevanz damals aufgeworfener Fragen sich stark erschöpft haben dürfte. Wäre es nicht an der Zeit, den Themenkomplex „1968“ seiner mitunter bemüht wirkenden Aktualitätsbezüge radikal zu entkleiden und die Revolte in ihrer Fremdheit und Andersartigkeit historisch zu begreifen? Ist die alte Bundesrepublik der späten 1960er-Jahre aus heutiger Sicht nicht fast schon ein fernes Land? Zwar wird das „kalendarische Etikett 1968“ (Wolfgang Kraushaar) auch unter Kindern und Enkeln für Debatten sorgen. Mit Blick auf die bevorstehenden 40. Jahrestage wäre aber zu hoffen, dass dies eher fachwissenschaftliche Fragen nach den Auswirkungen der Aufbrüche der 1960er-Jahre provoziert, anstatt mittels visueller Stereotypen eine längst obsolet gewordene Polarisierung zu perpetuieren.4

Tatsächlich lassen die hier zu besprechenden Arbeiten ein deutlich schärfer konturiertes Bild der Entstehungszusammenhänge der Revolte erkennen, als dies noch vor zehn Jahren möglich gewesen wäre. Die Ergebnisse der Forschung geben allen Anlass, die Bedeutung des Jahres 1968 nicht zu überschätzen. Einen wirklichen Durchbruch stellt die monumentale, ganz aus den Quellen gearbeitete Studie des Kopenhagener Zeithistorikers Detlef Siegfried zu Konsum und Jugendkultur der 1960er-Jahre dar, die 1968 geradezu modellhaft kontextualisiert. Siegfried unterstreicht eindrucksvoll, dass die außerparlamentarische Revolte weniger der Katalysator einer umfassenden Liberalisierung, Demokratisierung oder gar Verwestlichung der bundesdeutschen Gesellschaft war als vielmehr ein durch den sozialen Wandel selbst geschaffenes, ja überhaupt erst ermöglichtes Phänomen (so Siegfrieds Bilanz im Sammelband „Wo ‚1968’ liegt“, S. 70). Zugespitzt formuliert zeichnet die jüngere Forschung5 den Mobilisierungsschub der Jahre 1967 bis 1969 fast schon als Nachhutgefecht: Die 68er-Protagonisten stürmten Barrikaden, die ihre Verteidiger bereits verlassen hatten; längst bröckelnde Mauern fielen unter den Trompetensignalen der Rebellen um; kurz: die westdeutsche Gesellschaft hatte sich (wie andere westliche Gesellschaften) seit den späten 1950er-Jahren so weit liberalisiert, dass sie die Stöße der Revolte um 1968 langfristig absorbieren konnte.

Des Pudels Kern aber ist, dass die Gesellschaft sich zwar gewandelt, dies gegen Ende der 1960er-Jahre jedoch noch nicht verarbeitet und realisiert hatte. Dies galt sowohl für das Establishment und die „schweigende Mehrheit“ als auch für die ausgesprochenen Kritiker der „Verhältnisse“, nämlich die revoltierende APO und die 68er-Bewegung. Siegfried greift die hochtheoretischen Überlegungen von Hans-Jürgen Krahl auf, eines Vordenkers des SDS, und spricht vom „cultural lag“ einer verzögerten Anpassung der Mentalitäten an die objektiv gewandelten soziokulturellen Verhältnisse. Krahl beklagte im Oktober 1969, dass die Menschheit inzwischen nicht nur Messer und Gabel, sondern auch Fernsehapparate und Kühlschränke besitze. Doch mit der erweiterten Bedürfnisbefriedigung habe die „Entfaltung der Phantasie und der schöpferischen Tätigkeit der Menschennatur“ nicht Schritt gehalten. Siegfried hält Krahls Analyse für zutreffend, seine Schlussfolgerungen jedoch für abwegig. Krahl und Kollegen hätten nicht gesehen, dass der Wertewandel in vollem Gange war. Für die Zeitgenossen sei der „cultural lag“ kein Übergangsphänomen gewesen, sondern ein „Strukturmerkmal des ‚Spätkapitalismus’, der nur durch den revolutionären Sprung zu überwinden war“ (S. 487).

Das enorme Verdienst von Siegfrieds Buch, das aus einer 2005 an der Universität Hamburg angenommenen Habilitationsschrift hervorgegangen ist, liegt darin, dass der Autor ohne übertriebene theoretische Ambitionen differenziert rekonstruiert, wie sich in den 1960er-Jahren Konsum und Politik vermischten. Fürchteten linke und rechte Kulturpessimisten stereotyp, in der Nachkriegszeit wachse eine entpolitisierte und hedonistische Jugend heran, so sei das genaue Gegenteil eingetreten: Wachsende Konsumorientierung und Politisierung verliefen parallel. Die „Kinder von Marx und Coca-Cola“ (Jean-Luc Godard) nahmen die Versprechen der Konsumgesellschaft ernst.6 Der „pursuit of happiness“ (in der Sprache der amerikanischen Gründerväter von 1776) meinte beides: politische Mitsprache und den Genuss von Gütern. Demokratisierung und Massenkonsum seien darum „positiv miteinander verkoppelt“ gewesen (S. 18). Diesen im Grundsatz bekannten Zusammenhang kann Siegfried nun für den westdeutschen Fall erstmals in voller Breite rekonstruieren.7

Die Verbindung von Konsum und Politik habe vier Phasen durchlaufen, für die Siegfried die gängigen Periodisierungen der „langen 1960er-Jahre“ übernimmt. Während der Inkubationsphase von 1959 bis 1963 sei eine jugendlich geprägte Massenkultur entstanden, die sich zwischen 1963 und 1967 weiter entfaltet habe. In der Kernphase von 1967 bis 1969 hätten Massenkultur und Politik zu einem „kontrovers verhandelten Erneuerungsschub der Gegenkultur“ geführt, der sich ab 1969, in der vierten Phase, weiter aufgefächert und verbreitert habe. Die Übergänge zwischen den Phasen deutet Siegfried als fließend. Leider wird durch die enge chronologische Führung der narrative Fluss oft unterbrochen, zumal Siegfried kapitelweise divergierende Schwerpunkte setzt. Für eilige Leser ist dieser gewichtige Band daher nicht geeignet, zumal die resümierenden Bemerkungen am Schluss erstaunlich knapp gehalten sind. Für die Zeitgeschichtsforschung indes gilt: An Detlef Siegfrieds Studie kommt niemand vorbei.

Im ersten Kapitel setzt Siegfried mit einer Analyse der materiellen Bedingungen der neuen Jugendkultur ein. Er stellt den Bezug zwischen Wertewandel und wirtschaftlichem Wachstum her, schildert die Zunahme der Freizeit und die Verkürzung der Arbeitszeit. Anhand genauer Zahlen demonstriert er, wie die wachsende Kaufkraft der Jungen noch größere Sprünge machte als diejenige der privaten Haushalte insgesamt (wobei junge Männer in der Regel über fünfmal mehr Geld verfügten als junge Frauen, S. 45). Siegfried diskutiert Generationalität als wissenschaftliches Paradigma, ohne „1968“ erneut als Generationenkonflikt zu beschwören. Er sieht unterschiedliche generationelle Akzente, die politisch jedoch weniger relevant gewesen seien. In der Regel hätten die älteren „45er“ mit den Jüngeren sympathisiert, mit ihnen an einem Strang gezogen, die Radikalisierung Ende der 1960er-Jahre aber abgelehnt. Auch kann Siegfried erneut konstatieren, dass es unter Jugendlichen viel Verständnis für die Erwachsenen gab, denen die Anpassung an die neue Gesellschaft eben schwerer gefallen sei (S. 67). Der Generationenkonflikt wurde mehr gedacht als gelebt.

Einen undogmatischen Methodenpluralismus pflegend, seziert Siegfried im zweiten Hauptkapitel zur „Teenage Revolution“ von 1959 bis 1963 sozialgeschichtliche Alltagspraktiken (Lesen, Musikhören, Partys, Kino- und Kneipenbesuche), geht den Bedingungen der Mediennutzung nach, kommt der häuslichen Geselligkeit auf die Spur und fragt, kulturwissenschaftlich inspiriert, nach dem „Sinn der elektronischen Dinge“ (S. 92). Dann sucht er die Demokratie auf der Tanzfläche – ging mit der Erosion der bürgerlichen (oder, von Siegfried in diesem Zusammenhang nicht erwähnt: traditionell dörflichen) Kultur des Gesellschaftstanzes doch eine Informalisierung und Demokratisierung im Twist einher. Zudem demonstriert Siegfried, wie sehr Verweise auf die NS-Zeit zunächst von den älteren Moderatoren vor allem der 45er-Generation in didaktischer Absicht gegenüber „der Jugend“ medial forciert worden waren, bevor die Vergangenheit gegen Ende der Dekade zum Instrument politischer Stellungskämpfe verkam. Aufgrund der inflationären Anwendung der Faschismusvokabel habe die vorgestellte NS-Vergangenheit „immer weniger mit der Wirklichkeit des Nationalsozialismus zu tun“ gehabt (S. 179).

Das dritte Hauptkapitel ist den mittleren Jahren zwischen 1963 und 1967 gewidmet. Dort wird die weitere Entfaltung der jugendlichen Konsumkultur vor dem Hintergrund eines wachsenden Nonkonformismus analysiert. Als regionalen Schwerpunkt wählt Siegfried Hamburg, wo der „Star-Club“ für die internationale Orientierung der westdeutschen Jugendkultur eine Vorreiterrolle gespielt habe und wo Konflikte zwischen staatlicher Macht und den Impressarios der Jugendkultur früh eskaliert seien. Da wurden die Beatles 1969 schon mal als „Habermas der linken Kultur“ kritisiert; sie seien nicht nonkonform genug und zu kommerziell geworden. Um den „autoritären Charakter“ zu brechen, musste man sich eben von den Stones oder Hendrix aufputschen lassen (S. 239). Die politisch Aktiven brachen mit ihren 45er-Mentoren und machten sich auf die Suche nach dem wahren Widerstand, den sie im Civil Rights Movement der USA oder unter den Revolutionären der „Dritten Welt“ entdeckten (mit dem Mao-Kult und anderen fragwürdigen Begleiterscheinungen). Der Hinweis auf diesen Nexus ist nicht neu. Doch Siegfried zeigt transnationale Imaginationen erstmals in ihrer vollen Tiefenwirkung.8

Der Wertewandel war demnach schon vor dem magischen Jahr 1968 voll im Schwung. Von 1967 bis 1969 trat er in eine dramatische Verdichtungsphase, womit Siegfried indirekt den Wert der Chiffre 1968 bestätigt. Hier erreicht Siegfrieds Darstellung ihren Höhepunkt. In der Siedehitze der von ihm nicht in Anführungszeichen gesetzten „wunderbaren Jahre“ verschmolzen Konsum und Politik zu einer explosiven Gegenkultur, die sich die gewonnenen Freiräume zunutze gemacht habe. Große Koalition und Notstandsgesetze hätten weite Kreise politisiert; die Medienlandschaft habe neue Kommunikationskanäle eröffnet (S. 441). Weit stärker als durch den Szenejournalismus sei die Revolte nun über Mainstream-Publikationen verstärkt worden.

1968 konstatierte Emnid einen „Erdrutsch der Ideen“. Nicht mehr die freiheitlich-demokratische Grundordnung nahm wie bei früheren Umfragen unter jungen Leuten die Spitzenstellung auf der Werteskala ein. Nun dominierten Völkerverständigung, Gemeinwohlorientierung und Sozialismus. Siegfried liest das als „Hinweis auf die Stabilisierung der demokratischen Ordnung“. Die Formel „jung + intellektuell = links“ (S. 448) legt aber doch nahe, dass unter künftigen Mitgliedern der Elite die Distanz zur „FDGO“ und ein marxistischer Utopismus mit zum Teil totalitären Tendenzen besonders ausgeprägt waren. Leider streift Siegfried klassenspezifische Einstellungen nur kurz (während er geschlechtsspezifische Muster durchweg berücksichtigt). Er deutet an, dass unter Hauptschülern und -schülerinnen Ressentiments gegenüber studentischen Demonstrationspraktiken bestanden. Der Klassencharakter der „jungbürgerlichen Revolte“ wäre eine genauere Untersuchung wert, ebenso regionale Unterschiede sowie solche zwischen Stadt und Land und konfessionell geprägten Milieus.

Immer wieder verfolgt Siegfried selten betretene Pfade. Er begibt sich an Orte der Gegenkultur, deren Geschichte der Forschung bisher entging. Das Waldeck-Festival (1964–1969) lässt sich als frühes Lehrstück der nach 1969 verstärkten „Balkanisierung“ der Subkulturen lesen. Die empirisch gesättigten Kapitel zu Untergrund-Zeitschriften, zur Schallplattenindustrie, zu alternativen Lebensformen, zu Kommunen, WGs, Jugendzentren et cetera sind wahre Steinbrüche. Bei aller grundsätzlichen, im Nachwort auch eingestandenen Sympathie ist Siegfried verhalten kritisch, wenn er den „Heiligenmythos“ Hendrix und dessen hemmungslose Instrumentalisierung durch Szeneblätter dekonstruiert (S. 696). Andererseits spricht er den wachsenden Hedonismus der Neuen Linken an, ohne aber die gesellschaftlichen Auswirkungen einer Bewusstseinserweiterung durch Drogenkonsum näher zu diskutieren, auch deren problematische Wahrnehmung und Aneignung durch die Mehrheitskultur, die die erheblichen Ressentiments der 1970er-Jahre teilweise miterklären könnte. Hier bleiben noch Fragen nach Kosten, Nutzen und Wirkungen offen.

Überhaupt verengt sich mit chronologischem Fortschreiten der Untersuchung die analytische Perspektive. Steht in den ersten Kapiteln der Wandel der Jugendkultur im Kontext gesellschaftlicher Transformationen, so geht mit der Ausdifferenzierung der Milieus der Blick auf die Republik in ihrer Gesamtheit etwas verloren. Siegfried zeigt, wie sehr die Revolte ein Ergebnis des Wandels war und durch diesen ermöglicht wurde. Nicht mehr erklären kann er hingegen, wie sich der gegenkulturelle Schub im Normenkostüm der Bundesrepublik der 1970er-Jahre insgesamt bemerkbar machte und gesellschaftlich verbreiterte. War die Atomisierung der Gegenkulturen auch ein Produkt wachsender Konsumorientierung? Wann und wie löste sich die Verbindung von Politisierung und Konsum auf? Hier ist Platz für weitere Grundlagenforschung. Mit seiner bahnbrechenden Studie hat Siegfried für die 1960er-Jahre einen Standard geschaffen, an dem sich die Forschung wird abarbeiten müssen, und für die Erschließung der 1970er-Jahre inspiriert er die künftige Agenda.

Während Siegfried die Mühen der Ebene und das Tiefland sozialgeschichtlicher Detailuntersuchungen nicht gescheut hat, wärmt Simon Kießling alte Kontroversen ideengeschichtlich wieder auf. In seiner an der Humboldt-Universität zu Berlin entstandenen Dissertation über „Die antiautoritäre Revolte der 68er“ katapultiert er in einem von Hannah Arendt inspirierten philosophischen Entwurf die Protestbewegung aus ihrem gesellschaftlichen Kontext heraus, obwohl er eigentlich zeigen möchte, wie die Revolte und der Übergang zur postindustriellen Gesellschaft zusammenhingen. Doch alle Ansätze zu Wertewandel, Postindustrialisierung oder Postmodernisierung werden von dem apodiktisch argumentierenden Autor als kurzschlüssige „Interpretamente“ abqualifiziert, die vor allem den „dezidierten Marxismus der studentischen Revolte“ nicht ausreichend erklärt hätten (S. 25). Kießling wittert einen Verrat der Intellektuellen. DIE Forschung habe den Marxismus der 68er apologetisch abgetan.9 Hätte Kießling seine Netze etwas weiter ausgeworfen, wären ihm kritische Einwände wohl kaum entgangen, die schon die „Tendenzwende“-Literatur der 1970er-Jahre weitgehend vorweggenommen hat.10

Kießling strebt eine Klärung des Verhältnisses „der antiautoritären Revolte zum Projekt der Moderne“ an. 1968, das wurde seit Erwin K. Scheuchs Diktum von den „Wiedertäufern in der Wohlstandsgesellschaft“ nun wahrlich oft wiederholt, hatte einen den säkularreligiösen Heilsbewegungen des 20. Jahrhunderts verwandten Hang zum totalitären Weltentwurf.11 Zweifellos haben Anhänger der antiautoritären Neuen Linken auf die Verwerfungen der Moderne mit apokalyptischen, im Diesseits Erlösung verheißenden Messianismen reagiert (S. 289). Und einige setzten diesen Marsch in den Terrorismus fort. Nur wäre aus zeithistorischer Sicht zu fragen, bis zu welchem Grade die bekannten Äußerungen Rudi Dutschkes im „Spiegel“-Gespräch vom Oktober 1967 („Der biblische Garten Eden ist die phantastische Erfüllung des uralten Traums der Menschheit“) die Praxis der APO konkret beeinflussten, wie tief ihr sozialer Einfluss reichte, wie tief derartige Vorstellungen über den engeren Kern der SDS-Protagonisten hinaus den Protest inspirierten, wie es, um im zeitgenössischen Jargon zu sprechen, mit der „gesellschaftlichen Relevanz“ dieser Ideen bestellt war. Stattdessen haut Kießling kräftig auf die „gewalttätigen, zwanghaften und selbstzerstörerischen Züge von ’68“ ein (S. 13) und erledigt einen Toten zum zweiten Mal. Wenn nun, wie Kießling argumentiert, der Marxismus der Revolte einen Aspekt intellektueller Anpassung an die Bedingungen der Service- und Wissensgesellschaft darstellte, dann wäre doch genauer zu zeigen, warum es zu diesem paradoxen Rückgriff auf einen Philosophen des Industriezeitalters kam. Wie und bei wem fanden derartige Theoreme so breiten Anklang? Im Gegensatz zur These des Autors vermittelt die Lektüre den Eindruck, dass sich ein eher schmales Segment intellektueller Wortführer von totalitären Entwürfen inspirieren ließ.

Leider meint Kießling ohne empirisch dichte Rekonstruktion der Tatsachen auskommen zu können. 1968 wird zum intellektuellen Überbauphänomen. Die Protestierenden hätten die Marx’sche Idee der Vergesellschaftung der Produktivsphäre an die Bedingungen der späten Moderne angepasst (S. 286). Wie Marx hätten sie die Trennungen von „private“ und „political“, von „Individuum“ und „Gesellschaft“ aufgehoben. Während der Kinderladen die Erziehung gesellschaftlich durchdrang, habe die sexuelle Revolution die Reproduktion zur Dienstleistung gesteigert und auf eine Einebnung geschlechtsspezifischer Unterschiede abgezielt (in Analogie zu Marx’ Überwindung der Klassengegensätze). Den Besetzern von Instituten sei es um Kollektivierung der universitären Bildung gegangen, der anti-institutionelle Impuls habe Staat und Parteien unter die Bewegung in Permanenz zu stellen versucht, die Kunst ihre autonomen Spielräume in radikaler Politisierung eingebüßt usw.

Daran ist vieles nicht falsch. Aber ergibt sich daraus ein klar konturiertes Bild der Studentenbewegung? Kießling spricht monolithisch von „DER Revolte“ (z.B. S. 62, S. 71, S. 115, S. 132), ohne chronologisch oder personell zu differenzieren. Er fächert essayistisch ein buntes Kaleidoskop sich überbietender radikaler Stellungnahmen auf. Er stellt seine Quellen nach dem Baukastenprinzip zusammen: die Gebrüder Cohn-Bendit, ein reichlich zu Wort kommender Dutschke, Krahl, Langhans und die anderen; dazwischen ein kurze theoretische Rückversicherung bei Arendt, Jacob Talmon und Marx; Marcuse tritt als privilegierter Kronzeuge auf, dominiert Text und Fußnoten. Wie Agnoli war er Mentor, nicht im engeren Sinne Akteur, so einflussreich seine Thesen auch gewesen sein mögen. Permanent ist bei Kießling von „Radikalisierung“ und „Überspitzung“ die Rede (z.B. S. 49, S. 108, S. 132). Die Quellensprache färbt die Darstellung ein. So entsteht der Eindruck eines in Details sicher auch anregenden, insgesamt aber schiefen Bilds der 68er-Bewegung.

Wer die Zeit für die Lektüre quellengesättigter voluminöser Abhandlungen nicht hat, der kann sich nun in Christina von Hodenbergs und Detlef Siegfrieds Sammelband „Wo ‚1968’ liegt“ kundig machen. Dieser Band fasst für interessierte Leser und das Fachpublikum die Ergebnisse wichtiger neuer Projekte in knappen Essays zusammen. Die Herausgeber sehen „1968“ als Chiffre einer historisch weit aufzufassenden Kulturrevolution, die chronologisch nicht eng auf die späten 1960er-Jahre einzugrenzen sei. Sie fordern dazu auf, nach Trägergruppen des Umbruchs zu suchen und hinter die Kulissen des visuell nach vorne gespielten Geschehens auf den Straßen zu blicken. Anstelle einer politik- und ideengeschichtlichen Fixierung plädieren sie für eine Öffnung zur Sozial- und Kulturgeschichte. Und sie fordern eine stärkere internationale Kontextualisierung der bundesdeutschen Entwicklung ein. Letzteres spiegeln die Einzelbeiträge aber gerade nicht. Keiner ist international vergleichend angelegt, obwohl dabei noch viel zu entdecken wäre. Wie so oft in der deutschen Zeitgeschichte findet der Vergleich ohne ernsthaftes Vergleichen statt.12 Autoritäre Überhänge und Verkrustungen wurden in den 1960er-Jahren in allen westlichen Gesellschaften abgebaut. Der Westen selbst war in den 1960er-Jahren noch nicht ganz „im Westen“ angekommen.13

Die Einzelbeiträge greifen fast alle zentralen Themen auf. Wilfried Mausbach reiht die Debatten um Nationalsozialismus und Judenvernichtung in die Vorgeschichte seit den späten 1950er-Jahren ein. Dass „1968“ der Katalysator der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gewesen sei, hält Mausbach, wie viele Autoren, für eine Legende. Allerdings wurde diese auch von Kritikern gepflegt, wie Mausbach mit Zitaten von Alfred Dregger zeigt. Ein differenziertes historisches Verständnis des Nationalsozialismus wurde im Umfeld von „1968“ jedenfalls nicht erreicht. Massenvernichtung und Rassismus wurden in Faschismustheorien radikal entkonkretisiert. Hitlers Kinder und Enkel entließen sich selbst aus der angenommenen Kollektivhaftung. Zudem sei der linke Antizionismus mit seiner Perzeption des Nahostkonflikts ein „beschämendes Kapitel des selbstgerechten Ausstiegs aus historischer Verantwortung“ geworden (S. 37). Die Idee von einer „zweiten Gründung“ der Bundesrepublik um 1968 lehnt Mausbach ab – wie auch die anderen Autoren des Bandes. Als eigentliche Träger einer kritischen Wendung in der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus sieht er die 45er-Generation, deren Ziele von den 68ern aufgegriffen, dann aber radikalisiert und zum Teil enthistorisiert worden seien.

Ähnlich analysiert von Hodenberg das Verhältnis dieser beiden hervorstechenden politischen Generationen der Nachkriegszeit. Die westdeutsche Medienlandschaft sei nicht durch die 68er unterwandert worden. Ein zeitkritisches Bewusstsein habe sich seit Anfang der 1960er-Jahre formiert, und auch eine Auflockerung von Normen sei schon länger zu beobachten gewesen. Engagierte 68er-Journalisten, von denen es nicht wenige gab, hätten auf Konsens statt auf Konfrontation gesetzt (S. 157). Ihre Vorstellungen hätten sie mit Unterstützung der älteren 45er-Kollegen durchgesetzt, auf deren Sympathie sie überwiegend rechnen konnten und die die Führungspositionen in den Redaktionen innehatten. Die Demokratisierungshoffnungen der Redakteursbewegung, die auf mehr Mitbestimmung auch in wirtschaftlichen Belangen der Presse hoffte, wurden freilich enttäuscht. Wie auch sonst, so von Hodenberg, habe „1968“ in den Medien bestehende Impulse fortgeschrieben, sie verdichtet und insofern indirekt zur Liberalisierung der Gesellschaft beigetragen. Der Reformkonsens, nicht der Konflikt sei gestärkt worden. Hier wäre noch skeptisch nachzufragen, warum und bis zu welchem Grade der Reformimpuls im Laufe der 1970er-Jahre in Bürokratisierung und Gängelung von oben erstarrte und die neu gewonnenen Spielräume wieder eingeengt wurden.14

Auch Patrick Bernhard gießt Wasser in den Wein der 68er-Bewegung. Die von der APO hervorgerufene Proteststimmung habe sich unmittelbar auf den Zivildienst ausgewirkt. Es kam zu Krisen und Streiks in sozialen Einrichtungen, auf die die Behörden harsch reagierten – zum Teil mit Plänen schärferer Überwachung wie der Kasernierung in einem „Heidelager“ (exakt dort, wo nach 1933 Hitlers „Moorsoldaten“ Torf gestochen hatten; S. 180). Auch die sozialliberale Koalition war nach 1969 keineswegs geneigt, den Zivildienst in ein partizipatorisches Modell zu überführen. Im Gegenteil: Verteidigungsminister Helmut Schmidt erhöhte den Druck, scheiterte aber am öffentlichen Widerstand. „1968“ hat, Bernhard zufolge, die Reformagenda im Zivildienst vor allem deshalb vorangebracht, weil militante Proteste wachsende Unterstützung von Mainstream-Organisationen wie der evangelischen Kirche fanden. Letztere wurde von Konflikten in Einrichtungen wie Bethel immens in Mitleidenschaft gezogen. Hier war die Rolle des viel gescholtenen Establishments letztlich hilfreich, um den Ideen der 68er Resonanz zu verschaffen und der Reform Durchschlagkraft zu verleihen.

In den 1970er-Jahren war eine wachsende Gleichrichtung der Interessen von jüngeren Protestierenden und gesellschaftlich etablierten Institutionen zu beobachten – ein Befund, den Torsten Gass-Bolm in seiner Untersuchung zur „Revolution im Klassenzimmer“ bestätigt. Auch Schülerproteste an Gymnasien seien im längeren Kontext der Reformbewegung der 1960er-Jahre zu sehen, hätten aber erst um 1968 ausreichend Resonanz gefunden, ohne dass die staatliche Schulaufsicht oder die pädagogische Oberhoheit der Lehrer nun außer Kraft gesetzt worden sei. Wie sich die Praxis des Unterrichts und des Lernens dennoch verändert hat, wäre noch genauer zu untersuchen, weil sich hier ein wichtiges Konfliktfeld der 1970er-Jahre anbahnen sollte, als der Reformkonsens in den Kämpfen um die Gesamtschule zerbrach.

Dagmar Herzog schließlich fasst ihre Studie zu „Sex after Fascism“ zusammen. Sie sieht die sexuelle Liberalisierung ebenfalls im Kontext des längerfristigen Wertewandels und nicht als unmittelbare Folge von „1968“. Was um 1964 noch für große Empörung sorgte (etwa Ingmar Bergmans Film „Das Schweigen“15), wirkte um 1969 bereits zahm. Mit der Radikalisierung der späten 1960er-Jahre fielen kräftig ins Wanken gekommene Schranken endgültig um. Herzog arbeitet als zentrale Paradoxie heraus, dass sich die antifaschistisch gefärbte Rebellion der „68er“ – ohne es zu wissen – gegen den postfaschistischen Antifaschismus der Restaurationsphase der Nachkriegszeit gerichtet habe. Denn die konservativen Kritiker der 1940er- und 1950er-Jahre hätten mit der Tabuisierung von Sexualität auf den Zusammenbruch der Familie im Zweiten Weltkrieg und die sexuelle Libertinage im „Dritten Reich“ reagiert. Insofern seien die Rebellen der 1960er-Jahre einschließlich ihrer überschießenden Elemente eben auch eine (unbewusste) Reaktion auf die Reaktion gewesen.

Die hier besprochenen Arbeiten fordern und praktizieren generell eine stärkere Kontextualisierung von „1968“ im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels der 1960er- und 1970er-Jahre. Die Frage, wie „1968“ ermöglicht wurde, wird in den vorliegenden Studien auch weitgehend beantwortet. Damit ist „1968“ kaum mehr als Katalysator des Wandels zu sehen, sondern eher als verstärkender und angesichts einer von der Mehrheitsgesellschaft überwiegend abgelehnten Radikalisierung auch eher indirekt liberalisierend wirkender Ereigniskomplex. Langfristig verbreiterte „1968“ den Konsens darüber, was möglich war und was gesagt werden konnte – zum Teil auch gegen die Intentionen der Protagonisten.

Von Hodenberg und Siegfried verbuchen „1968“ auf der Habenseite. Für ein gesichertes Urteil über Soll und Haben ist es zu früh, weil vertiefte, auf historisch-kritischen Untersuchungen basierende Kenntnisse der 1970er-Jahre schlicht fehlen.16 Wie „1968“ auf die gesellschaftliche Wirklichkeit zurückwirkte, wie es den Status quo der in den 1970er-Jahren sich selbst anerkennenden Bundesrepublik befestigte (oder auch nicht), damit wird sich die Forschung noch eingehender zu beschäftigen haben. Das Studium dieser jüngeren bundesdeutschen Geschichte hat eben erst begonnen. Es lohnt sich indes, den Blick weniger auf die in medialen Endlosschleifen rekapitulierten „dramatischen Ereignisse“ zu richten und dafür stärker nach den zugrundeliegenden gesellschaftlichen Basisprozessen zu fragen – das unterstreichen die hier vorgestellten Arbeiten.

Anmerkungen:
1 Gilcher-Holtey, Ingrid (Hrsg.), 1968. Vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft, Göttingen 1998. Siehe auch den Forschungsbericht von Detlef Siegfried (Dezember 2002): <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=2327>.
2 Kersting, Franz-Werner, Entzauberung des Mythos? Ausgangsbedingungen und Tendenzen einer gesellschaftsgeschichtlichen Standortbestimmung der westdeutschen „68er“-Bewegung, in: Westfälische Forschungen 48 (1998), S. 1-19.
3 Schildt, Axel; Siegfried, Detlef; Lammers, Karl Christian (Hrsg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000.
4 Der jüngste Versuch der „ZEIT“ (16.5.2007), mit einer Dutschke-Ikone auf der Titelseite den Jubiläumsrummel nach dem üblichen Bildschema zu antizipieren, gibt wenig konkreten Anlass zu dieser Hoffnung. Medial wird „1968“ weiter als Grundkonflikt der Gegenwart gedeutet und entsprechend vermarktet.
5 Vgl. auch: Herzog, Dagmar, Sex After Fascism. Memory and Morality in Twentieth-Century Germany, Princeton 2005 (rezensiert von Sven Reichardt: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-2-038>; dt. Übers.: Die Politisierung der Lust. Sexualität in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, München 2005); von Hodenberg, Christina, Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945–1973, Göttingen 2006 (rezensiert von Marcus M. Payk: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-3-114>).
6 Siehe auch: Schildt, Axel; Siegfried, Detlef (Hrsg.), Between Marx and Coca-Cola. Youth Cultures in Changing European Societies, 1960–1980, New York 2006 (rezensiert von Maria Stehle: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-2-136>).
7 Als eine entsprechende Darstellung für Westeuropa und die USA vgl. Marwick, Arthur, The Sixties. Cultural Revolution in Britain, France, Italy, and the United States, c. 1958 – c. 1974, Oxford 1998. Es ist aufschlussreich, dass viele der Fragen, die von der deutschen Geschichtswissenschaft erst jetzt untersucht werden, in den USA und Großbritannien bereits vor 10 Jahren bearbeitet wurden. Stephan Malinowski und Alexander Sedlmaier, „1968“ als Katalysator der Konsumgesellschaft. Performative Regelverstöße, kommerzielle Adaptionen und ihre gegenseitige Durchdringung, in: Geschichte und Gesellschaft 32 (2006), S. 238-267, heben demgegenüber weniger auf die Ursachen als auf „1968“ als beschleunigenden Faktor beim weiteren Aufstieg der Konsumgesellschaft ab.
8 Vgl. dazu demnächst auch die Ergebnisse des Heidelberger Forschungsprojekts zur wechselseitigen Wahrnehmung und Kooperation der Gegeneliten der 1960er-Jahre: Davis, Belinda u.a. (Hrsg.), Changing the World, Changing the Self. Political Protest and Collective Identities in 1960/70s West Germany and the United States, New York 2007 (im Druck); Klimke, Martin, The ‘Other’ Alliance. Global Protest and Student Unrest in West Germany and the U.S., 1962–1972, Princeton 2008 (im Druck); ders.; Scharloth, Joachim (Hrsg.), 1968 in Europe. A Handbook on National Perspectives and Transnational Dimensions of the 1960/70s Protest Movements, 2008 (in Vorbereitung).
9 Kießling lässt es aber mit einem Hinweis auf das Buch eines Zeitzeugen bewenden (Koenen, Gerd, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution, Köln 2001). Dagegen hebt unter den Ehemaligen etwa Wolfgang Kraushaar den „illiberalen Charakter“ der Protestbewegung hervor (ders., 1968 und die Massenmedien, in: Archiv für Sozialgeschichte 41 [2001], S. 317-347).
10 Vgl. Rödder, Andreas, Die Bundesrepublik Deutschland 1969–1990, München 2004, S. 211-214; Schildt, Axel, „Die Kräfte der Gegenreform sind auf breiter Front angetreten“. Zur konservativen Tendenzwende in den Siebzigerjahren, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 449-478.
11 Scheuch, Erwin K. (Hrsg.), Die Wiedertäufer der Wohlstandsgesellschaft. Eine kritische Untersuchung der „Neuen Linken“ und ihrer Dogmen, Köln 1968; Löwenthal, Richard, Der romantische Rückfall. Wege und Irrwege einer rückwärtsgewandten Revolte, Stuttgart 1970.
12 Explizite Vergleiche sind nach wie vor rar. Vgl. Schmidtke, Michael, Der Aufbruch der jungen Intelligenz. Die 68er Jahre in der Bundesrepublik und in den USA, Frankfurt am Main 2003; Etzemüller, Thomas, 1968 – Ein Riss in der Geschichte? Gesellschaftlicher Umbruch und 68er-Bewegungen in Westdeutschland und Schweden, Konstanz 2005 (rezensiert von Franz-Werner Kersting: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-2-058>).
13 Vgl. Gassert, Philipp, Die Bundesrepublik, Europa und der Westen: Zu Verwestlichung, Demokratisierung und einigen komparatistischen Defiziten der zeithistorischen Forschung, in: Baberowski, Jörg; Conze, Eckart; Gassert, Philipp; Sabrow, Martin, Geschichte ist immer Gegenwart. Vier Thesen zur Zeitgeschichte, Stuttgart 2001, S. 67-89.
14 Von Hodenberg baut auf dem Freiburger Liberalisierungs-Paradigma auf, das vor allem soziokulturelle Phänomene wie Entnormativierung und den Abbau autoritärer Überhänge in den Blick nimmt, die zugleich wachsende Macht staatlicher Institutionen jedoch weniger thematisiert. Demgegenüber ließe sich argumentieren, dass der Wandel der 1960er-Jahre durchaus paradoxe Resultate zeitigte. So kam es zu einer Etatisierung und politischen Eingemeindung bisher autonomer Bereiche. Während in der Gesellschaft autoritäre Strukturen aufbrachen und die Bindekräfte traditioneller Milieus schwanden, wuchsen die Eingriffsmöglichkeiten etwa der Kultusbürokratie. Der Wandel von den späten 1950er-Jahren bis in die frühen 1970er-Jahre wird vom zeitgenössischen Begriff der „Demokratisierung“ schärfer erfasst; vgl. Gassert, Philipp, Narratives of Democratization. 1968 in Postwar Context, in: Klimke; Scharloth, 1968 in Europe.
15 Vgl. von Hugo, Philipp, „Eine zeitgemäße Erregung“. Der Skandal um Ingmar Bergmans Film „Das Schweigen“ (1963) und die Aktion „Saubere Leinwand“ , in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 3 (2006), S. 210-230, online unter URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-vHugo-2-2006>.
16 Wichtige erste Überblicke zu den 1970er-Jahre bieten: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004): Die Siebzigerjahre. Gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland; Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 3 (2006) H. 3: Die 1970er Jahre – Inventur einer Umbruchzeit, online unter URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Inhalt-3-2006>. Siehe auch das Tübinger Projekt „Nach dem Boom. Voraussetzungen und Formen des Wandels europäischer Industriegesellschaften im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts“ unter der Leitung von Anselm Doering-Manteuffel und die Tagung „Das Ende der Zuversicht? Die Strukturkrise der 70er Jahre als zeithistorische Zäsur“ (<http://www.zzf-pdm.de/veranst/tagungen/strukturkrise_70er/ankuendigung_70er.pdf>).

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